Ablehnung des Haushalts: Rede im Tübinger Gemeinderat von Gerlinde Strasdeit

Redebeitrag zur Ablehnung des Haushalts, am 2.3.2015: von Gerlinde Strasdeit: Gemeinderatsfraktion der Tübinger Linken
Gerlinde Strasdeit
Ich möchte eine Vorbemerkung zur Transparenz der interfraktionellen Haushaltsverhandlungen machen: Nicht nur wir hatten eine öffentliche Diskussion der Anträge eingefordert. Das war letzte Woche für Montag 23.2. auch so verabredet. Das passte offensichtlich meinen KollegInnen der Grünen und SPD nicht. Sie hatten forciert, zu den interfraktionellen Gesprächen die Presse mit einzuladen. Die Erzieherinnen, die die 750 Karten für den Gemeinderat und für den Oberbürgermeister mitgebracht hatten, wurden so faktisch von den Verhandlungen ausgesperrt. Die Presse war bei dem interfraktionellen Treffen dabei. Die Presse allein ist jedoch nicht „die Öffentlichkeit“. Öffentlichkeit heißt: auch interessierte Bürgerinnen und Bürger müssen sich ihre eigene Meinung bilden können. Der Ablauf am Montag wurde so gehandhabt, ohne Absprache mit uns.

Uns wäre jetzt im Haushalt ganz wichtig gewesen:
die zwei Springerstellen für die Schulkindbetreuung.
zwei Schulhausmeister/technikerstellen ohne Sperrvermerk, sind dringend notwendig jetzt gleich.
Wir möchten die Übernahme aller Auszubildenden für mindestens 1 Jahr in Vollbeschäftigung und Gehaltseingruppierung entsprechend ihrer Tätigkeit – damit die Zukunft für sie planbar ist.
Und: Keine Gebührenerhöhung für die städtischen Kindertageseinrichtungen, auch nicht für die großen und kleinen freien Träger.
Für einen Haushaltskompromiss muss die Richtung stimmen!
Und das tut er nicht in unserem Sinne. Es gibt keine Entlastung von Gebühren für die Tübingerinnen und Tübinger. Es gibt keinen Einstieg in die Re- kommunalisierung des Reinigungsbereichs. Wenn wenigstens erst mal drei Reinigungsfrauen wieder in den Tarif Öffentlicher Dienst kämen, Zug um Zug, wie die Linke es Jahr für Jahr beantragt von den derzeit ca. 50% privaten Reinigungsfrauen. Weg mit der neoliberalen Denke in Tübingen. Die Mehrheit mit Grün / SPD hat das vehement über Jahre abgelehnt. Die neuen Mehrheiten, die mit uns möglich wären, werden aber abgelehnt. Raus aus den prekären Arbeitssituationen der Frauen wäre ein wichtiges emanzipatorisches Signal für eine einigermaßen existenzsichernde Arbeit. Der derzeitige Zustand bedeutet: wenig Lohn, weniger Urlaub, kein Weihnachtsgeld und die Frauenarmut im Alter ist vorprogrammiert. Und es steigert die Kaufkraft sogar. Wenn es um die Frauenquote in den Vorständen der DAX Unternehmen geht, reißen sich SPD und Grüne alle Beine aus, doch wenn man auf lokaler Ebene etwas gegen Niedriglöhne und prekäre Frauenarbeit machen könnte, versagen sie kläglich. Am 8. März, am Internationalen Frauentag, wird dann dagegen gewettert! Wir Gemeinderätinnen und Gemeinderäte hätten es in der Hand, auch hier in Tübingen ein Signal zu geben. Ebenso bei den dringend notwendigen zwei Springerstellen bei den pädagogischen Kräften in der Schulbetreuung unserer Grundschulkinder. Auch dringend benötigt werden die zwei SchulhaushaustechnikerInnenstellen ohne Sperrvermerk, weil sie baldigst gebraucht werden. Die Verantwortlichen wissen nicht, wie sie die neuen Schulen entsprechend versorgen sollen.

Erzieherinnen

Wir freuen uns, dass unsere Forderungen, die schon gefassten Gemeinderatsbeschlüsse von 2013 der weiteren 13,4 Stellen der 3. Tranche und die Beibehaltung der Schließtagekürzung mit 6, 2 zusätzlichen Personalstellen, nicht wieder gekippt wurden. Das wäre „eigentlich“ eine Selbstverständlichkeit, daran nicht zu rühren, weil sich jede Investition in Kinderbetreuung rechnet. Der Aufschrei der Erzieherinnen und des Dachverbands kleiner freier Träger mit der Losung „Keine Kürzung bei den Kurzen“ und „Der Mindeststandard hat nichts mit Qualität zu tun“ wurde bis Stuttgart gehört und erhört, oder es hatte jemand falsch gerechnet? Jetzt sind die Stellen im Haushalt durch, das heißt nicht, dass die Personalstellen auch besetzt werden können. Auch deshalb sind für uns die weiteren fünf praxisintegrierten (PIA) Auszubildende, ohne Anrechnung auf den Personalschlüssel, sehr wichtig. Auch zur Personalbindung. Dies ist eine wichtige Zukunftsinvestition in die noch einige Überlegungen gemacht werden sollten z.B. höhere Einstiegsgehälter und/ oder Ballungsraumzulagen wegen der hohen Mieten zu bezahlen.

Jetzt doch noch eine Gebührenerhöhung bei den Kitas drauf zu setzen finden wir das falsche Signal. Die Familien mit Kindern sind finanziell stark belastet und müssen entlastet werden. Auch der Gesamtelternbeirat lehnt eine finanzielle Beteiligung der Eltern ab!

Wir stimmen bei diesem Haushalt mit NEIN,

weil trotz angeblich unerwartetem Geldsegen aus Stuttgart die Kitagebühren erhöht wurden. Zuerst die Erzieherinnen belasten, jetzt die Eltern schröpfen, diesen Kurs machen wir nicht mit.

Wir wollen, dass Kitagebühren in der Perspektive ganz wegfallen, zumindest die Belastungen für Eltern mit geringem Einkommen zurückgenommen werden.

Kitagebühren sind quasi eine Sondersteuer für Eltern. Erhöhungen sind mit uns nicht zu machen.

Wir freuen uns über die 10 000 € für Teilhabe an kulturellen und Bildungsangeboten für Menschen mit Behinderung.

Wir freuen uns, dass die Ludwig-Krapf-Schule vorgezogen wird, ebenso auch die dringendsten Mängel in der Musikschule saniert werden.

Wir freuen uns darüber, dass die Schülerfahrkarten jetzt endlich höchstens 14 € kosten werden (bisher 34 €) für Bonuscard-Beziehende. Wir möchten die günstigeren Schülerkarten ausweiten, auch für die Kinder, deren Eltern durch das Raster fallen, weil Sie mit dem Einkommen ein paar Euro drüber liegen und kein Wohngeld bzw. kein Kinderzuschlag bekommen (Stichwort: Schwellenarmut).

Wir hätten gerne an den Zirkus Zambaioni die volle Forderung von 20 000 € gegeben, jetzt sind es 15 000 €.

Für das Sozialforum wollten wir 10 000 € am Ende wurden es 5000 €.

Zum Thema Regionalstadtbahn: Die Finanzierung für Modul 1 hat jetzt absoluten Vorrang. Solange Land und Bund ihre Anteile beim Modul 1 nicht abschließend zugesichert haben, und solange nicht einmal der Ausbau und die Elektrifizierung der bestehenden Strecken gesichert ist, ist die Innenstadtplanung nur teure Propaganda.

Zur Finanzsituation der Stadt

Als gewählte Gemeinderätin möchte ich schon sagen – und da sind wir uns in der Fraktion einig – über die Finanzsituation der Stadt fühlen wir uns miserabel informiert.

Der Gemeinderat wurde während dieser Haushaltsberatung mehrmals über die tatsächliche Finanzsituation in die Irre geführt, je nach politischem Gebrauchswert des OB. So was macht kein seriöser Finanzminister, nicht einmal der von Griechenland!

Ich finde, das darf man nicht durchgehen lassen.

Vor der OB Wahl im Herbst hieß es, die wirtschaftliche Situation der Stadt sei glänzend.

Nach der OB Wahl hieß es, die Stadt nage am Hungertuch und könne die bereits beschlossenen zusätzlichen Stellen im Kitabetreuungsbereich nicht finanzieren.

Nach den Protestaktionen der Erzieherinnen am letzten Montag gab es plötzlich einen unerwarteten Geldsegen aus Stuttgart. Herr Palmer, so geht man mit einem Gemeinderat nicht um.

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