Haushaltrede im Kreistag

Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Linken

Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Linken

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren,

Erstmal möchte ich – für meine Fraktion – ausdrücklich würdigen, dass die Verwaltung auf die neue Situation im Flüchtlingsbereich sehr besonnen und engagiert regiert hat. Und dass die Herausforderung angenommen wurde, den ursprünglichen Haushaltsansatz mit kreativen Verwaltungsvorschlägen so anzupassen, dass die neuen Aufgaben bewältigt und finanziert werden können.

Damit meine ich insbesondere den zusätzlichen Bedarf an Personalstellen und den Anbau eines Verwaltungsgebäudes. Wir tragen diese Verwaltungsänderungen voll mit.

Niemand kann die Entwicklung vorhersagen und sicher prognostizieren, ob die jetzigen Berechnungen der Verwaltung mit einer monatlichen Zuwanderung von rund 350 Flüchtlingen im Landkreis so eintreffen wird und ob die einkalkulierten Spitzabrechnungen mit dem Land am Ende alle hinhauen. Aber nicht ganz gesicherte Prognosen sind immer noch besser als Panikmache.

Wir begrüßen, dass die Landkreisverwaltung anpackend an die Probleme rangeht ohne die anderen wichtigen Aufgaben zu vernachlässigen und ein politisches Signal aussendet, dass da heisst: Ja, wir können das schaffen.

Damit hebt sich der Landkreis positiv ab von den destruktiven Tönen aus dem Tübinger Rathaus. Es ist unverantwortliche Politik, wenn der Tübinger Oberbürgermeister durch die Welt reist und verkündet: Für die Reduzierung von CO2-Ausstoß tun wir alles, – aber Flüchtlinge aufnehmen, das schaffen wir nicht. Mit dieser Botschaft liefert man den Rechtspopulisten falsche Argumente und fällt den ehrenamtlich engagierten Leuten im Flüchtlingsbereich in den Rücken.

Gestern erreichte uns die Nachricht, dass der Städtetag und ihre Präsidentin Frau Bosch kritisieren, dass die Landesregierung nach wie vor nicht fähig ist, auf die tatsächlichen Probleme der Kommunen angemessen zu reagieren. Das Land zahle zu viel wenig Geld für die Aufgaben der Anschlussunterbringung, das sei eine Großbaustelle. Frau Bosch hat recht, wenn sie die Landesregierung ins Visier nimmt.

Schon in den vergangenen zwei Jahren haben Bund und Land nicht – oder zu viel spät reagiert auf die neue Zuwanderung. Haben zu spät reagiert auf die elenden Bedingungen in den Flüchtlingslagern im Libanon oder Jordanien, – zu spät reagiert auf die steigenden Flüchtlingszahlen an den EU-Außengrenzen, zu spät reagiert auf den Unterbringungsbedarf hier. Trotz der zahlreichen Warnungen und Hilferufen – von den Vereinten Nationen bis zum Papst, vom Landkreistag und von Wohlfahrtsverbänden.

Was wir derzeit machen, sind dringende nachholende Investitionen, wichtig nicht nur für die Flüchtlinge sondern auch für den Ausbau der Infrastruktur in unserem Land.

Wir haben jetzt, – dank der sogenannten Flüchtlingskrise, ein volkswirtschaftliches Binnenkonjunkturprogramm. Spät – aber nicht zu spät. Finanzierbar ist das. Herr Schäuble rechnet auch im Jahr 2016 mit deutlich mehr Steuereinnahmen. Das Geld ist da. Menschen zu helfen, die aus Krieg und Elend flüchten, ist richtig. Eine reiche Gesellschaft muss dazu bereit sein, schon deshalb, weil die reichen Länder Mitschuld haben an den Fluchtursachen Hunger, Armut und Krieg.

Würdige Unterbringung, Sprachkurse, Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt sind richtige Investitionen in die Zukunft, egal ob die zu uns geflüchteten Menschen hier bleiben werden oder wieder zurückgehen und ihr Land aufbauen.

Aber wir sagen auch, es darf nicht so laufen, dass ausgerechnet die Leute mit den niedrigsten Einkommen und den größten sozialen Problemen in Konkurrenz getrieben werden zu den ankommenden Flüchtlingen.

Die sogenannte Flüchtlingskrise ist zu bewältigen, wenn wir sie als Krise der sozialen Gerechtigkeit bearbeiten und soziale Spaltung überwinden statt diese noch zu vertiefen.

Das heisst: bezahlbare Wohnungen schaffen für alle, damit keine neue Konkurrenz entsteht. Das heisst: Kinderarmut bekämpfen und den Niedriglohnbereich zurückdrängen, damit mit Flüchtlingen kein Lohndumping und keine Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt bewirkt wird sondern neue Jobs geschaffen werden, Jobs, von denen man auskömmlich leben und eine Wohnung bezahlen kann.

Es ist viel die Rede davon, dass wir die Ängste der Menschen ernst nehmen müssen. Ja, wir nehmen Ängste vor sozialem Abstieg, vor Spaltung und sozialer Ausgrenzung ernst. Aber wir sagen auch ganz deutlich: Rassismus ist ein Verbrechen. Für rassistische Einstellungen und ausländerfeindliche Mobilisierungen gibt es keinerlei Entschuldigungen.

Soziale Spaltung ist ein Nährboden, auf dem die rechten Parteien und Bewegungen wachsen können, indem sie sich als Verteidiger der „kleinen, hart arbeitenden Leute“ darstellen. Nun werden Geflüchtete von Populisten als Sündenböcke angeboten.

Für Wohnungsnot und schlechte Löhne und unsichere Zukunftsaussichten sind aber nicht Geflüchtete verantwortlich, sondern eine jahrzehntelang verfehlte Politik.

Wir brauchen die besondere Begleitung der minderjährigen Flüchtlinge. Wir brauchen die Sprachkurse und die Maßnahmen für Ausbildung und Integration in das Arbeitsleben. Das kostet viel Geld. Das spiegelt der Haushalt deutlich wieder. Integration ist nicht machbar allein mit netten Gesten. Ein Dach überm Kopf reicht nicht. Aber die teuersten Flüchtlinge sind nicht die, von denen wir hier heute reden. Die teuersten Flüchtlinge für unsere Gesellschaft sind die Steuerflüchtlinge.

Dem Fiskus gehen durch sie Jahr für Jahr rund 100 Milliarden Euro verloren. Wenn hier hart durchgegriffen würde, wenn dieses Geld den Kommunen zur Verfügung stünde, bräuchten wir heute nicht über die Kreisumlage streiten oder über Peanuts wie die Aussetzung der Jagdsteuer.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Unsere Anträge zum Haushalt sind finanzierbar, wenn auf eine Senkung der Kreisumlage verzichtet wird. Wir haben letztes Jahr eine Senkung der Kreisumlage mitgetragen. Dieses Jahr raten wir, auf eine weitere Senkung zu verzichten und stattdessen Gemeinschaftsaufgaben zu finanzieren, Gemeinschaftsaufgaben, die allen Gemeinden zu gute kommen.

Wir halten den Einstieg in ein qualifiziertes kreisweites Sozialticket für dringend notwendig um allen Leuten, die auf Sozialleistungen angewiesen sind oder mit Niedriglöhnen auskommen müssen, ein Angebot zu machen für bessere Teilhabe. Die Leistungen der Kreisbonuscard sind unzureichend. Das zeigen Fallbeispiele der Caritas und des Kinderschutzbundes. Nur ein Bespiel: ein Kind kann an der kostenlosen Hausaufgabenhilfe nicht teilnehmen, weil die Fahrtkosten dafür zu hoch sind. Einkommensarme Familien nehmen nicht an Festen und öffentlichen Veranstaltungen teil, ebenfalls, weil die Fahrtkosten zu hoch sind.

Wir machen das mit unserem Haushaltsantrag an den Schülerfahrkarten fest, weil die naldo-Preisstruktur für Schülerinnen und Schüler extrem ungerecht und familienfeindlich ist. Die Senkung der Eigenanteile für Schülerfahrkarten auf das Niveau des Semestertickets der Studierenden halten wir für dringend geboten. Der Landkreis sollte die Schieflage ausgleichen, dass Studierende vom Land subventioniert werden und Schüler nicht. Zum 1. Januar werden die Fahrpreise jetzt erneut erhöht. Die durchschnittliche Erhöhung im Naldo beträgt zum 1. Januar 2,5 %, die bei Schülern aber 3,9 %., obwohl bekannt ist, dass Busse und Bahnen zu den Haupt-Schülerfahrzeiten immer voll ausgelastet sind.

Das heisst, die Schüler, die auf Bus und Bahn angewiesen sind und kein eigenes Einkommen haben, werden vom Naldo deutlich mehr zur Kasse gebeten als der Durchschnitt – und das trotz Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Verkehrsbetrieb. Es gibt Jobtickets, es gibt Semestertickets, es gibt Rentnertickets aber die Schülerinnen und Schüler werden überproportional zur Kasse gebeten.

Die Landesregierung subventioniert Semestertickets für Studierende; aber Finanzminister Schmid (SPD) blockt bei den kommunalen Zuschüssen für die Schülerbeförderung, trotz den einschneidenden Veränderungen in der Schullandschaft mit weiteren Entfernungen.

Die teuren Preise für Schülerfahrkarten verhindern Chancengleichheit. Aus Artikel 11 und 14 der Landesverfassung (Lernmittelfreiheit) leitet ein Rechtsgutachten der Initiative „Eltern für Elternrechte“ in Oberschwaben ab, dass die Schülerbeförderung mindestens bis zur 10. Klasse (Schulpflicht) kostenfrei zu sein hat. In Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz gibt es entsprechende Regelungen. In Baden-Württemberg verweigert sich das Finanzministerium und hat die Förderung eingefroren.

Auch der Verkehrsverbund Naldo sieht bei sich ausdrücklich keinen sozialen Auftrag. Deshalb müsste der Kreistag nachhelfen.

Zum Schluss, lassen sie mich was sagen zum Sozialen Wohnungsbau.

Wir beantragen eine Erhöhung des Stammkapitals der Kreisbau, weil die Kreisbau ihre Tätigkeit ausbauen soll. Ein Wirtschaftsbetrieb, der seine Tätigkeit ausbauen will, sollte auch eine bessere Eigenkapitaldecke bekommen. Bürgschaften sind voll ok, wenn es um die Absicherung von Baukrediten geht. Aber die Solidität eines Unternehmens bemisst sich nun einmal auch (!) nach der Eigenkapitalausstattung.

Wir präferieren die Idee, dass alle Gesellschafter, der Landkreis, die Kreissparkasse und die Gemeinden ihre Anteile – jeweils im bisherigen Verhältnis erhöhen und damit die Kreisbau als öffentliches Gemeinschaftsprojekt stärken.

Unser Antrag zielt darauf ab, dass wieder mehr kommunales und gemeinnütziges Wohnungseigentum geschaffen wird. Wir werden dem Haushalt zustimmen, wenn es hier einen Schritt in die richtige Richtung gibt.

Wir haben gelernt, dass es der Markt eben nicht richtet. Wir sind nicht gegen die Bildung von privatem Wohneigentum. Aber die großen Investoren kalkulieren mit einer Rendite von 4 bis 6 % und mehr. Dieses Interesse steht im krassen Gegensatz zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Warum soll es ökonomisch sinnvoller sein soll, diese Renditeerwartungen zu erfüllen, anstatt die Kommunen so auszustatten, – dass sie selbst wieder zum Akteur auf dem Wohnungsmarkt werden und selbst öffentliches Eigentum bilden können, steuerfinanziert – und mit fast zinslosen Baukrediten.

Notwendig ist eine Wiederbelebung des öffentlichen Wohneigentums und des Genossenschaftsgedanken. Bei der Wohnungsnot nach dem Krieg war das eine Erfolgsgeschichte, später in den 80-jahren wurde die Idee mit neoliberalen Vorzeichen kaputt gemacht. Wir wollen mehr bezahlbaren Wohnraum im Landkreis schaffen und deshalb Gemeinnützigkeit und soziale Zweckbindung wieder zu einem tragenden Faktor in der Wohnungspolitik machen.

In diesem Sinn wünsche ich der Haushaltsberatung viel Erfolg

Kommentare sind geschlossen.