Kommunales Wohneigentum bilden statt Profitorientierung

Redebeitrag von Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Tübinger Linken, beim Protestspaziergang des „Tübinger Bündnisses gegen Wohnraumnot“ am 23. Oktober

Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Linken

Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Linken

Die Landesregierung hat vorletzte Woche einen wohnungspolitischen Gipfel durchgeführt. Das Ergebnis war enttäuschend. Statt 30 000 Wohnungen jährlich sollen nun 40 000 Wohnungen in Baden-Württemberg fertiggestellt werden. Aber das ist erstens ein unverbindliches Versprechen und zweitens ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ich erinnre daran: bereits im Jahr 2011 hatte die SPD 50 000 neue Wohnungen versprochen und dann in der Landesregierung nicht gehalten. Auf dem besagten Gipfel wurde zwar viel von einer Offensive für mehr bezahlbaren Wohnraum gesprochen, aber was Finanzminister Schmid anbot, ist eine Mogelpackung. Die Stuttgarter Zeitung schrieb: den wichtigsten Beitrag zur Lösung sieht die Landesregierung in der „Mobilisierung privaten Kapitals“. Wir wissen: Genau dieses Konzept hat in der Vergangenheit versagt. Der freie Wohnungsmarkt hat nicht zu mehr – sondern zu weniger bezahlbarem Wohnraum geführt.

Die großen Wohnungskonzerne kalkulieren mit vier bis acht Prozent Kapitalrendite pro Jahr. Wir verstehen nicht, warum es ökonomisch sinnvoller sein soll, diese Renditeerwartungen zu erfüllen, anstatt die Kommunen so auszustatten, – dass sie selbst wieder zum Akteur auf dem Wohnungsmarkt werden und selbst öffentliches Eigentum bilden können, steuerfinanziert – und Baukrediten mit niedrigen Zinsen.

Wir brauchen eine Wiederbelebung des öffentlichen Wohneigentums und des Genossenschaftsgedanken. Wenn Gemeinnützigkeit wieder zum obersten Gebot in der Wohnungspolitik würde, könnte der ständige Rückgang von bezahlbarem Wohnraum gestoppt und umgedreht werden. Nach dem zweiten Weltkrieg konnten viele zerstörte deutsche Städte nur deshalb aufgebaut werden, weil es gemeinnützige Wohnbaufirmen gab, die diesen Namen auch verdienten.

Baden-Württemberg braucht jetzt ein ernst zu nehmendes Sofortprogramm, ein Wohnbauprogramm wenigstens in der Größenordnung von Bayern mit 260 Millionen Euro. In Baden-Württemberg sind es nach den neuesten Ankündigungen weiterhin nur 75 Mio. Euro pro Jahr inklusive Bundesanteil. Das ist mehr als schwach. Also, In Bayern ist bekanntlich noch nicht der Sozialismus ausgebrochen. Was die CSU dort hinbekommt, sollte in einem Land, in dem Grün/Rot regiert, auch durchsetzbar sein.

Ein Drittel der neu zu bauenden Wohnungen müssten als Sozialwohnungen ausgewiesen werden. Die Landesregierung sollte nicht weiter vor allem privates Wohneigentum fördern sondern in stärkerem Maße kommunale und genossenschaftliche Projekte unterstützen, z.B. durch Landesförderprogramme für kommunale Wohnbaugesellschaften. Um den öffentlich geförderten Wohnbau in den Kommunen besser gestalten und steuern zu können, wäre eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft hilfreich, die dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit verpflichtet ist und nicht der Profitmaximierung.

In Tübingen fordern wir seit Jahren bei neuen Bauprojekten eine Mindestquote von 30% für Sozialwohnungen und eine Sozialbindung von 25 Jahren. Wir haben das noch nicht durchgesetzt aber es gibt kleine Fortschritte. Was fehlt ist eine städtevertragliche Regelung wie in Freiburg, wo der Gemeinderat eine 50% Quote für sozial geförderten Wohnraum festlegte, übrigens gegen den Willen des grünen Oberbürgermeisters. Und wir wollen zukünftig in Tübingen einen Mietspiegel, der kein Mieterhöhungsspiegel ist, weil in die Neuberechnungen des derzeitigen Mietspiegels immer nur die neuen Mietverträge eingehen und nicht der Gesamtbestand.

Soziale Ausrichtung und Integration der Zuwanderer kann nur dann gelingen, wenn die unterschiedlichen „Bedarfsgruppen“ nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Versorgungsprobleme auf den Wohnungsmärkten müssen für alle (!) gerecht gelöst werden. Die gesellschaftlich benachteiligten Gruppen dürfen auf dem Wohnungsmarkt nicht noch in eine ständige Konkurrenz gehetzt werden. Notwendig ist daher ein einheitliches Wohnraumförderprogramm für alle Bedarfsgruppen, für Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen, für Studierende und für Flüchtlinge. Wir sind nicht gegen die Bildung Wohneigentum, aber wir sind gegen die Bodenspekulation wie sie seit Jahren mit staatlicher Förderung betrieben wird. Deshalb muss das Land aufhören, wertvollen Baugrund an Heuschrecken zu verscherbeln wie das in Tübingen mehrfach geschehen ist.

Ein landesweites Bündnis gegen die Wohnungsnot fordert deshalb von Bund, Land und Kommunen, neue Liegenschaften schnell und verbilligt für den sozialen Wohnungsbau zu überlassen und dafür langfristige Sozialbindungen eintauschen. Wir unterstützen dieses Bündnis, dem u.a. angehören: der Mieterbund, die Architektenkammer, der Verband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Städtetag und der VdK. Wir brauchen solche Bündnisse auf allen Ebenen. Das Wohnungsproblem ist lösbar – aber es braucht breiten Druck aus der Gesellschaft, aus den Sozialverbänden, aus den Kommunen und von den Betroffenen.

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