Tabuthema Armut

Dr. Emanuel Peter, Stadt- und Kreisrat der Linken, Rottenburg

Dr. Emanuel Peter, Stadt- und Kreisrat der Linken, Rottenburg

In der siebten Tübinger Vesperkirche wurden in vier Wochen 12000 warme Essen ausgegeben und Angebote wie kostenlose Friseur-, Massage-, Fußpflege- und Arzttermine angeboten. Das große Engagement von Diakon Peter Heilemann, Heide Mattheis (Rottenburg) und vielen Ehrenamtlichen in den Vesperkirchen ist Vorbild für die öffentliche Verantwortung gegenüber Armut, wie sie der Landesfamilienrat Baden-Württemberg von der Politik einfordert.

Im reichen Ländle herrscht bei jeder siebten Familie und bei fast jedem fünften Kind Armut, so die Caritas. „Wir sind doch nicht in Kalkutta“ – mit solchen Sprüchen wird bei uns Realität geleugnet. Ginge es nach Drogeriechef Erwin Müller, müsste der Mindestlohn bei 12,50 Euro liegen: „Der gültige Mindestlohn in Deutschland von 8,50 Euro ist ein Hungerlohn.“ Wer heute unter 2500 Euro verdient, ist morgen als Rentner armutsgefährdet – wegen Niedriglöhnen und Leiharbeit!

Schon heute trifft Armut 3,4 Millionen Rentner und über zwei Millionen Kinder. Ulrich Schneider (Paritätische Wohlfahrt) will klagen: Andrea Nahles (SPD) verschleppt die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze aus dem Jahr 2008 und will nur an „wirklich Bedürftige“ zahlen. Eine Frechheit! Seit 1984 gelten in der EU die als arm, “ die über so geringe (ökonomische, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat“ existiert.

Armut bedeutet gesellschaftliche Ausgrenzung. Sie „gefährdet in Zeiten des demografischen Wandels mehr denn je auch die Zukunftschancen der Gesellschaft“, so der Bericht von Ulrich Bürger im Kreistag. Deshalb müssen wir die Bildungschancen von Kindern von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft abkoppeln. Gebührenfreie Kitas, Ganztags- und Gemeinschaftsschulen, ein landesweites Sozialticket sind das Gebot der Stunde. Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) ist ungeeignet, Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen: „Kein junger Mensch (darf) verloren gehen.“ (Bürger)

Armut, Erniedrigung und ein Leben ohne Zukunft fördern Demokratieverdruss und Rechtsextremismus. Armutsbekämpfung ist entscheidend für das Überleben unserer Demokratie. Der DGB und der Arbeitgeberverband (BDA) fordern gemeinsam einen „Aktionsplan gegen Kinderarmut“ in Höhe von 280 Millionen Euro. Deutschland schwimmt im Geld, es ist nur völlig ungerecht verteilt. – Für eine soziale Offensive, auch im Kreistag!

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