Vorfahrt für Nulltarif

Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Linken

Noch vor einigen Wochen lehnte der Kreistag unseren Antrag ab, die Preise für Schülertickets auf das Niveau der Semestertickets für Studierende zu senken. Jetzt wird bundesweit über Öffentlichen Nahverkehr zum Nulltarif für alle diskutiert. 71 Prozent sind nach einer Umfrage dafür. Die Grünen winken überraschend ab, jedenfalls solche, die etwas zu sagen haben, wie Verkehrsminister Tarek Al Wazir in Hessen. Die Landes-Grünen in Baden-Württemberg stemmen sich weiter gegen einen kostenfreien Schülerverkehr, wie er in den Nachbarländern Bayern und Rheinland-Pfalz längst üblich ist.

Wer den Autoverkehr reduzieren will, muss den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und ein attraktives Angebot schaffen, auch für Pendler. Tübingen lebt davon, dass Menschen aus dem Umland in die Stadt kommen, um zu arbeiten und zu lernen. Die Linke hat im Bundestag ein mehrstufiges Finanzierungskonzept vorgeschlagen. Begonnen wird mit Modellversuchen in 15 Städten. Es wird zusätzlich investiert in den Ausbau von Bus und Bahn. Und es braucht ein Bundesprogramm „Freie Fahrt für Kinder und Jugendliche“ sowie für Sozialtickets in den Regionen. Die Automobilindustrie wird über eine Umweltabgabe an der Finanzierung beteiligt.

Auch beim Thema Wohnen braucht es neue Wege für die Kommunen. Die Logik im Koalitionsvertrag der GroKo lautet: Wer sich die Miete nicht mehr leisten kann, soll sich eine Wohnung kaufen. Über sozialen Wohnungsbau steht da nur, die bisherigen Programme bis 2021 weiter zu fahren. Das ist nicht viel. Hohe Steuersubventionen dagegen gibt es für Investoren ohne Verpflichtung zur Sozialbindung. Das neue Baukindergeld klingt familienfreundlich, ist aber der falsche Weg. Mieterbund und Haus&Grund kritisieren das gemeinsam. Mit einer Förderung von 1200 Euro pro Jahr kann eine junge Familie die steigende Grundstückspreise in Tübingen nicht ausgleichen. Niedrigverdienende gehen dabei sowieso leer aus.

Der Schlüssel für eine soziale Wohnraumversorgung, insbesondere für Menschen mit kleinen Einkommen, wäre eine Investitionsoffensive im sozialen, gemeinnützigen und genossenschaftlichen Wohnungsbau. Gemeinnützigkeit steht aber nicht auf dem Zettel, weder im Bund noch bei Grün-Schwarz im Land. Die Linke will Bodenspekulation und die Marktmacht der großen Wohnungskonzerne gesetzlich beschneiden und Vorfahrt schaffen für kommunale Wohnungsgesellschaften.

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