Februar 2025

Ins Defizit gezwungen

Mittwochspalte im Schwäbischen Tagblatt vom 12. Februar 2025

Tom Besenfelder, Gemeinderat
Tom Besenfelder, Gemeinderat

Am 30.01. hat der Gemeinderat mit knappster Mehrheit einen Haushalt beschlossen, von dem alle im Saal wussten, dass er nicht genehmigungsfähig ist.

Zu groß ist nach wie vor das Defizit, obwohl dieser Haushalt Sparmaßnahmen enthält, die wichtige soziale Errungenschaften in Tübingen zunichte machen werden: Die Beratung von Menschen in Not, die Lehrmittel an den Schulen, die Mittel für die Straßensanierung werden zusammengestrichen, das Busangebot wird eingeschränkt; und das sind nur Beispiele. Da noch weiter zu sparen wäre Wahnsinn, waren sich außer CDU und FDP alle einig.

Vermutlich werden zum Erreichen der Genehmigungsfähigkeit deshalb neben den Gebührenerhöhungen, die schon beschlossen sind, auch Steuererhöhungen folgen – müssen.

Warum „müssen“? Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, den Haushalt auszugleichen. Da führt zumindest in der konkreten Situation für den Gemeinderat kein Weg vorbei.

Auf Bundesebene hingegen gäbe es Optionen:

Bund und Länder beschließen nämlich Gesetze, die die Kommunen umsetzen müssen, aber die Landkreise und Städte kriegen für diese Mehrkosten nicht mehr Geld – so werden sie ins Defizit gezwungen, sind aber durch andere Gesetze gezwungen, dieses auszugleichen (Überspitzt gesagt setzten die Regierungen der letzten Jahrzehnte so ihre Koalitionsprogramme um: Auf diese Weise hielten Grüne/SPD ihre Versprechen und CDU/FDP bewahrten dem Bund die Schuldenbremse und den Reichen ihre Vermögen).

Gesetze zur Erhöhung der kommunalen Einnahmen sind keine in Sicht. Im Gegenteil: Ein Gesetz aus den 60ern zwingt die Städte nach wie vor, von den eigenen Einnahmen einen Teil an Bund und Land abzugeben. Nur folgerichtig, dass der Gemeinderat letzten Donnerstag mehrheitlich den Bundestag aufgefordert hat, diese Gewerbesteuerabgabe abzuschaffen.

Dieses Vorgehen ist – spätestens – jetzt aber an eine Grenze gekommen: Die Zahl der betroffenen Kommunen steigt rasant und das Problem ist nicht mehr auf einzelne Bundesländer beschränkt. Die nächste Bundesregierung wird hier handeln müssen. Die Vorschläge der Linken liegen schon lange bereit: Entschuldung der Kommunen, statt der Gewerbe- eine Gemeindewirtschaftssteuer für alle Unternehmen, Befreiung der Mieter von der Grundsteuer, Übernahme der Kosten für Sozialleistungen durch den Bund – gegenfinanziert durch höhere Steuern für Superreiche, Spitzenverdiener und Millionenerben

„Es braucht Transparenz bei der Einführung der Bezahlkarte“

Pressemitteilung der Tübinger Linken im Kreistag:

Die diskriminierende „Bezahlkarte“ für Geflüchtete wird im Kreis Tübingen bereits seit Anfang Februar eingeführt. Darüber informierte Landrat Joachim Walter mit Schreiben vom 7. Februar in einer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Kreistag. Das Landratsamt wolle die „Bezahlkarte“ zunächst bei Personen einführen, die dem Landkreis neu zugewiesen werden und danach bei allen Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dies seien derzeit im Landkreis 435 erwachsene Personen und deren Angehörigen. Bei der Frage nach den Kosten und dem Verwaltungsaufwand wurde lediglich ausgeführt, dass „kein zusätzliches Personal eingestellt“ werden müsse und dass ansonsten das Land alle Kosten trage.

Andreas Linder, Kreisrat„Diese Darstellung erscheint uns sehr rosig“ sagt Andreas Linder von der Fraktion Die Linke im Kreistag. „Die nach Einführung zu erwartenden Detail-Abläufe lassen vermuten, dass sich der Staat zum Zweck der Diskriminierung einen sehr hohen Personal-, Zeit- und Kostenaufwand leisten wird.“ So dürften nach einführenden Terminen mit jedem einzelnen Leistungsberechtigten unzählige Detailfragen aufkommen, die von den Beschäftigten der zuständigen Abteilung zusätzlich zu ihren sonstigen Aufgaben zu bewältigen seien.

„Wir Linke kritisieren, dass die Bezahlkarte ohne konkrete vorherige Information der Öffentlichkeit und der Betroffenen quasi heimlich eingeführt werden soll, obwohl in Baden-Württemberg noch nicht mal ein Erlass existiert und obwohl gemäß Bundesgesetz keine Verpflichtung zur Einführung der „Bezahlkarte“ besteht“, so Linder weiter. Die Linke kritisiert auch, dass sich der Landrat weiterhin auf die Position zurückziehe, dass der Kreistag laut Landkreisordnung keine Entscheidungsbefugnis zu diesem Thema habe. „Das bedeutet aber doch nicht, dass sich der Kreistag überhaupt nicht mit so einem Thema befassen darf.“

Bereits seit Jahresbeginn gibt es im Landkreis Verschärfungen bei den Sozialleistungen für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn ein Geflüchteter, der ein Beschäftigungsverhältnis verlor, wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragt, verbleibt er in der gesetzlichen Krankenversicherung („obligatorische Anschlussversicherung“). Das Landratsamt übernimmt jedoch die Krankenversicherungskosten ab 1.1.2025 nicht mehr. In der Antwort auf die Anfrage teilte Landrat Walter zwar mit, dass er am 3. Januar ein Schreiben an das Landes-Justizministerium gerichtet habe mit der Bitte, dass das Land die Krankenversicherungskosten in solchen Fällen weiter übernimmt. Eine Abhilfe gab es bisher jedoch nicht. Die Betroffenen verschulden sich aus diesem Grund innerhalb kurzer Zeit. Dies scheint von der Verwaltung billigend in Kauf genommen zu werden. Einige der Betroffenen haben deswegen Widerspruch gegen die Nichtübernahme der Krankenversicherungskosten eingereicht.

Hinweis:
Das Landratsamt Tübingen möchte die Betroffenen mit diesem Infoblatt über die Einführung der Bezahlkarte informieren.

Unverdiente Ungleichheit. Tax the Rich!

Mit Dr. Martyna B. Linartas, Politikwissenschaftlerin, ungleichheit.info

Moderation: Ralf Jaster, Bundestagskandidat der Linken

Montag, 10. Februar 2025, 20 Uhr

Westspitze, Saal West, 6. Stock, Eisenbahnstr. 1, 72072 Tübingen

Die Kluft zwischen arm und reich in Deutschland wächst alarmierend. Während der Anteil der armen Bevölkerung kontinuierlich ansteigt, verzeichnen die Vermögen der wohlhabenden Schichten selbst in Krisenzeiten ein unfassbares Wachstum. Diese besorgniserregende Entwicklung rückt nicht nur in den gesellschaftlichen Diskurs, sondern auch zunehmend in den Fokus des aktuellen Wahlkampfs.

Wir freuen uns, Dr. Martyna Linartas begrüßen zu dürfen, eine Expertin auf dem Gebiet der Ungleichheit und Vermögen. Sie ist Co-Gründerin und Projektleiterin von ungleichheit.info und hat sich intensiv mit den verschiedenen Narrativen des „deserving rich“ sowie der (Re-)Produktion von Reichtum in Deutschland beschäftigt.

In ihrem Vortrag wird Dr. Linartas einen umfassenden Überblick über die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland bieten. Zudem wird sie Perspektiven aufzeigen, wie eine effektive Besteuerung von Vermögen und Erbschaften sowie das Konzept eines Grunderbes zur Verringerung dieser Ungleichheiten beitragen können.