Die chronische finanzielle Unterversorgung der Kommunen und Landkreise wird nicht nur bei Haushaltsberatungen laut beklagt. Doch Jammern ändert nichts, wir fordern von der zukünftigen Bundesregierung, hier Abhilfe zu schaffen. Die Kommunen tragen die Hauptlast zur Sicherung der Daseinsvorsorge und müssen immer mehr Aufgaben bewältigen. Die Folgen von Krisen und der wachsenden Spaltung zwischen Arm und Reich werden ihnen in Form von steigenden Ausgaben für Jugendhilfe und Soziales aufgebürdet. Kürzungen führen zum Abbau von sozialer und kultureller Infrastruktur, vergrößert die Spaltung der Gesellschaft, fördert die Angst vor Existenzverlust und Ausgrenzung und treibt so den Rechtsruck voran.
Redebeitrag zu den Windpark-Vorlagen 176/2024 und 177/2024
Der Beschluss über diese zwei Vorlagen heute ist mehr als nur ein bürokratischer Pachtvertrag. Es geht hier um eine zentrale Frage unserer Zeit: Wie gestalten wir die Energieversorgung der Zukunft? Wir stehen vor multiplen Krisen: der Klimakatastrophe und einer immer noch viel zu großen Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Gleichzeitig eine armutskrise: viele Menschen kämpfen mit steigenden Kosten für Strom und Heizung. Die Klimakrise trifft zuerst die Menschen mit den geringsten Ressourcen. Dürren, Extremwetter und steigende Energiepreise verschärfen soziale Ungleichheiten. Wer Klimaschutz verlangsamt oder blockiert, nimmt bewusst in Kauf, dass sich diese Ungerechtigkeit verschärft.
Die Stadt Tübingen hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt, aber Ziele allein reichen nicht – wir müssen handeln! Es gibt bisher keine einzige Windkraftanlage in Tübingen, obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass die Klimakrise auf uns zukommt, und obwohl wir hier im Gemeinderat seit mindestens fünf Jahren mit der Verwaltung Planungen dazu vorantreiben.
Erstmals: wir haben nichts dagegen, die neue Fahrradbrücke nach Ann Arbor City zu benennen. Ann Arbor ist eine großartige Stadt, mit der uns eine langjährige Städtepartnerschaft verbindet. Solche Verbindungen stärken den internationalen Solidarität und die Diplomatie – Werte, die wir Linke hochhalten.
Gleichzeitig müssen wir jedoch an eine andere, seit Jahren bestehende Initiative erinnern: die Benennung der Radbrücke Mitte nach Kiomars Javadi. Kiomars Javadi war ein 20-jähriger iranischer geflüchteter junger Mann, der 1986 nach Tübingen kam, um Asyl zu suchen. Am 19. August 1987 wurde er im Tübinger Supermarkt der „Pfannkuch“-Kette des versuchten Ladendiebstahls beschuldigt. Infolge eines Streits wurde er von mehreren Angestellten gewaltsam festgehalten und erlitt dabei tödliche Verletzungen. Diese tragische Tat ereignete sich unter den Augen 15 bis 30 (!) Zeugen, die nicht eingriffen. Kiomars Javadi wurde er insgesamt 18 Minuten lang im Würgegriff gehalten. Nach seinem Tod wurde offenbar ein Alibi für die Täter konstruiert: Kiomars sei ein Ladendieb gewesen. Ein Einkaufswagen mit angeblich gestohlener Ware wurde präsentiert, doch seine Fingerabdrücke fanden sich darauf nicht. Dieser Vorfall ist ein erschütterndes Beispiel für rassistische Gewalt und mangelnde Zivilcourage in unserer Stadt.
Wir lehnen die Vorlage zur Neustrukturierung des Tourismus in Tübingen ab und bringen stattdessen
einen eigenen Antrag ein.
Auch wenn wir diese neue GmbH ablehnen, bedeutet das nicht, dass wir mit der aktuellen Tourismuspolitik zufrieden sind. Denn auch das bestehende System hat probleme– ihre Probleme werden durch dieses Vorhaben allerdings leider nicht ausschlaggebend verbessert.
Wir brauchen eine neue Tourismusstrategie, das ist klar. Der aktuelle Tourismus setzt vor allem auf Konsum und Events, aber nicht darauf, wie ganz Tübingen nachhaltig profitieren kann. Aktuell gibt es keine klare Strategie, wie Tourismus z.B. mit bezahlbarem Wohnraum, klimafreundlicher Mobilität oder barrierefreier Stadtgestaltung verbunden werden kann. Mehrmals würde von uns Gemeinderät*innen bemängelt, dass zu wenig über Tourismus im Gemeinderat geredet wird. Wir Gemeinderät*innen und Stadtgesellschaft wollen mitreden, wir wollen mitentscheiden:
Mittwochspalte im Schwäbischen Tagblatt vom 12. Februar 2025
Tom Besenfelder, Gemeinderat
Am 30.01. hat der Gemeinderat mit knappster Mehrheit einen Haushalt beschlossen, von dem alle im Saal wussten, dass er nicht genehmigungsfähig ist.
Zu groß ist nach wie vor das Defizit, obwohl dieser Haushalt Sparmaßnahmen enthält, die wichtige soziale Errungenschaften in Tübingen zunichte machen werden: Die Beratung von Menschen in Not, die Lehrmittel an den Schulen, die Mittel für die Straßensanierung werden zusammengestrichen, das Busangebot wird eingeschränkt; und das sind nur Beispiele. Da noch weiter zu sparen wäre Wahnsinn, waren sich außer CDU und FDP alle einig.
Vermutlich werden zum Erreichen der Genehmigungsfähigkeit deshalb neben den Gebührenerhöhungen, die schon beschlossen sind, auch Steuererhöhungen folgen – müssen.
Warum „müssen“? Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, den Haushalt auszugleichen. Da führt zumindest in der konkreten Situation für den Gemeinderat kein Weg vorbei.
Auf Bundesebene hingegen gäbe es Optionen:
Bund und Länder beschließen nämlich Gesetze, die die Kommunen umsetzen müssen, aber die Landkreise und Städte kriegen für diese Mehrkosten nicht mehr Geld – so werden sie ins Defizit gezwungen, sind aber durch andere Gesetze gezwungen, dieses auszugleichen (Überspitzt gesagt setzten die Regierungen der letzten Jahrzehnte so ihre Koalitionsprogramme um: Auf diese Weise hielten Grüne/SPD ihre Versprechen und CDU/FDP bewahrten dem Bund die Schuldenbremse und den Reichen ihre Vermögen).
Gesetze zur Erhöhung der kommunalen Einnahmen sind keine in Sicht. Im Gegenteil: Ein Gesetz aus den 60ern zwingt die Städte nach wie vor, von den eigenen Einnahmen einen Teil an Bund und Land abzugeben. Nur folgerichtig, dass der Gemeinderat letzten Donnerstag mehrheitlich den Bundestag aufgefordert hat, diese Gewerbesteuerabgabe abzuschaffen.
Dieses Vorgehen ist – spätestens – jetzt aber an eine Grenze gekommen: Die Zahl der betroffenen Kommunen steigt rasant und das Problem ist nicht mehr auf einzelne Bundesländer beschränkt. Die nächste Bundesregierung wird hier handeln müssen. Die Vorschläge der Linken liegen schon lange bereit: Entschuldung der Kommunen, statt der Gewerbe- eine Gemeindewirtschaftssteuer für alle Unternehmen, Befreiung der Mieter von der Grundsteuer, Übernahme der Kosten für Sozialleistungen durch den Bund – gegenfinanziert durch höhere Steuern für Superreiche, Spitzenverdiener und Millionenerben
Die diskriminierende „Bezahlkarte“ für Geflüchtete wird im Kreis Tübingen bereits seit Anfang Februar eingeführt. Darüber informierte Landrat Joachim Walter mit Schreiben vom 7. Februar in einer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Kreistag. Das Landratsamt wolle die „Bezahlkarte“ zunächst bei Personen einführen, die dem Landkreis neu zugewiesen werden und danach bei allen Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dies seien derzeit im Landkreis 435 erwachsene Personen und deren Angehörigen. Bei der Frage nach den Kosten und dem Verwaltungsaufwand wurde lediglich ausgeführt, dass „kein zusätzliches Personal eingestellt“ werden müsse und dass ansonsten das Land alle Kosten trage.
„Diese Darstellung erscheint uns sehr rosig“ sagt Andreas Linder von der Fraktion Die Linke im Kreistag. „Die nach Einführung zu erwartenden Detail-Abläufe lassen vermuten, dass sich der Staat zum Zweck der Diskriminierung einen sehr hohen Personal-, Zeit- und Kostenaufwand leisten wird.“ So dürften nach einführenden Terminen mit jedem einzelnen Leistungsberechtigten unzählige Detailfragen aufkommen, die von den Beschäftigten der zuständigen Abteilung zusätzlich zu ihren sonstigen Aufgaben zu bewältigen seien.
„Wir Linke kritisieren, dass die Bezahlkarte ohne konkrete vorherige Information der Öffentlichkeit und der Betroffenen quasi heimlich eingeführt werden soll, obwohl in Baden-Württemberg noch nicht mal ein Erlass existiert und obwohl gemäß Bundesgesetz keine Verpflichtung zur Einführung der „Bezahlkarte“ besteht“, so Linder weiter. Die Linke kritisiert auch, dass sich der Landrat weiterhin auf die Position zurückziehe, dass der Kreistag laut Landkreisordnung keine Entscheidungsbefugnis zu diesem Thema habe. „Das bedeutet aber doch nicht, dass sich der Kreistag überhaupt nicht mit so einem Thema befassen darf.“
Bereits seit Jahresbeginn gibt es im Landkreis Verschärfungen bei den Sozialleistungen für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn ein Geflüchteter, der ein Beschäftigungsverhältnis verlor, wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragt, verbleibt er in der gesetzlichen Krankenversicherung („obligatorische Anschlussversicherung“). Das Landratsamt übernimmt jedoch die Krankenversicherungskosten ab 1.1.2025 nicht mehr. In der Antwort auf die Anfrage teilte Landrat Walter zwar mit, dass er am 3. Januar ein Schreiben an das Landes-Justizministerium gerichtet habe mit der Bitte, dass das Land die Krankenversicherungskosten in solchen Fällen weiter übernimmt. Eine Abhilfe gab es bisher jedoch nicht. Die Betroffenen verschulden sich aus diesem Grund innerhalb kurzer Zeit. Dies scheint von der Verwaltung billigend in Kauf genommen zu werden. Einige der Betroffenen haben deswegen Widerspruch gegen die Nichtübernahme der Krankenversicherungskosten eingereicht.
Hinweis:
Das Landratsamt Tübingen möchte die Betroffenen mit diesem Infoblatt über die Einführung der Bezahlkarte informieren.
Die Kluft zwischen arm und reich in Deutschland wächst alarmierend. Während der Anteil der armen Bevölkerung kontinuierlich ansteigt, verzeichnen die Vermögen der wohlhabenden Schichten selbst in Krisenzeiten ein unfassbares Wachstum. Diese besorgniserregende Entwicklung rückt nicht nur in den gesellschaftlichen Diskurs, sondern auch zunehmend in den Fokus des aktuellen Wahlkampfs.
Wir freuen uns, Dr. Martyna Linartas begrüßen zu dürfen, eine Expertin auf dem Gebiet der Ungleichheit und Vermögen. Sie ist Co-Gründerin und Projektleiterin von ungleichheit.info und hat sich intensiv mit den verschiedenen Narrativen des „deserving rich“ sowie der (Re-)Produktion von Reichtum in Deutschland beschäftigt.
In ihrem Vortrag wird Dr. Linartas einen umfassenden Überblick über die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland bieten. Zudem wird sie Perspektiven aufzeigen, wie eine effektive Besteuerung von Vermögen und Erbschaften sowie das Konzept eines Grunderbes zur Verringerung dieser Ungleichheiten beitragen können.