Im Tübinger Gesundheitsamt sind seit November Soldat*innen der Bundeswehr in der Kontaktverfolgung eingesetzt. Die Linke-Fraktion im Kreistag sieht im Einsatz von Bundeswehrsoldat*innen in zivilen Einrichtungen und Ämtern ein problematisches politisches Signal.
Wir wissen, dass die Beschäftigten im Gesundheitsamt und weitere Mitarbeitende in den letzten Monaten sehr viel geleistet haben und sind für ihren großen Einsatz dankbar. Mit einer Anfrage an das Landratsamt wollten wir wissen, warum nun nicht weitere zivile Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, z.B. durch Aufrufe an Studierende, die ihren Nebenjob verloren haben, oder durch Einbeziehung von Erwerbslosen und Kurzarbeitenden.
In der Antwort des Landrats Herrn Walter wird nur auf den dringenden Bedarf für weitere Unterstützung verwiesen, aber nicht warum dafür Bundeswehrpersonal erforderlich ist. Wir fragen uns nach wie vor, warum die Verwaltung es als notwendig ansieht, bei derzeit insgesamt ca. 100 Beschäftigten im Gesundheitsamt 6 Stellen mit Soldaten zu besetzen. Warum konnten für diese 6 Stellen nicht weitere zivile Beschäftigte gesucht werden? Nach Auskunft der Verwaltung ist zwar sichergestellt, dass die Soldat*innen der direkten Leitung des Gesundheitsamts unterstehen und der Datenschutz eingehalten wird, also Daten nicht an die Bundeswehr weitergegeben werden dürfen. Fragwürdig ist aber weiterhin die rechtliche und politische Problematik, wenn Soldat*innen Menschen am Telefon nach ihren Kontakten fragen, sie auch in Quarantäne schicken und kontrollieren, ob die Betroffenen diese einhalten. Während in den letzten Jahren im Gesundheitswesen, bei Krankenhäusern und in der Pflege gespart wurde und bei den Gesundheitsämtern Stellen abgebaut wurden, sind die Ausgaben für Militär und Rüstung weiter erhöht worden und liegen trotz Corona-Krise in diesem Jahr bei fast 50 Milliarden Euro. Und die Bundeswehr kann sich jetzt auch noch als flexibler Helfer für die zivile Gesellschaft anpreisen. Zählt der Einsatz der Bundeswehr im zivilen Bereich etwa auch zur oft genannten „neuen Normalität“, an die wir uns gewöhnen sollen?