Regionalverband Neckar-Alb ermöglicht Flächenfraß

Dr. Emanuel Peter, Linke-Regionalrat

Auf seiner Sitzung am 12.Mai 2021 in Bodelshausen wischte die Mehrheit von Freien Wählern (FVW), CDU, SPD und AfD im Regionalverband sämtliche Einwände gegen die Erweiterung von Gewerbeflächen von 290 auf 400 Hektar in den drei Landkreisen Reutlingen, Tübingen und Zollern-Alb beiseite. Gegen die umfassenden Änderungen stimmten nur Die Linke, Die Partei und Teile der Grünen. Hier die Rede von Emanuel Peter (Die Linke).

5. Änderung des Regionalplans – Stellungnahme DIE LINKE

Herr Vorsitzender, werte Kolleginnen und Kollegen,

wir möchten der Verwaltung für die umfassenden Unterlagen mit der Synopse aller Einwände für die heutige Sitzung danken. Die Synopse bestätigt nicht nur die Bedenken, die wir bereits bei der Einbringung des 5. Regionalplans vorgetragen haben. Ein genaues Studium der 152 Seiten mit über 2.000 Einwänden von Bürgerinnen, Bürgern, Naturschutzverbän­den, Bauernverbänden und staatlichen Stellen übertrifft unsere Befürchtungen. Vielleicht konnten nicht alle dieses umfangreiche Papier intensiv studieren. Deshalb möchte ich kurz einige der wichtigen Einwände gegen die Änderungen erwähnen, die der Regionalplan ermöglicht:

– ein Gewerbegebiet in Trochtelfingen direkt neben einem Wohngebiet, zugleich wird das Wasserschutzgebiet Seckachtal gefährdet

– ein vermeintlich hochschulnaher Gewerbepark Höhnisch kann um 5 ha erweitert wer­den und beseitigt die bisherige Freifläche zwischen den Gemeinden Dusslingen, Goma­ringen und Nehren

– der Industriepark Zollernalb erhält eine Gesamtfläche von 46 ha, die versiegelten Flä­chen im Zollernalb-Kreis summieren sich bereits auf 100 ha, davon sind 40 ha Vorrang­gebiet Landwirtschaft

– das Zollernalb-Klinikum erfordert weitere 10 ha Fläche

– der Gewerbepark Bisiningen/ Balingen kann um 35 ha erweitert werden

– für das interkommunale Gewerbegebiet auf dem Flugfeld Baisingen/ Eutingen sind 70 ha vorgesehen, davon liegen 41 ha auf Rottenburger Gemarkung. Diese sind noch Vor­ranggebiet Landwirtschaft und Grünzug mit bester Bodenqualität im Vorrangflur I. Das Landratsamt Tübingen stellt fest, das eine Umwidmung dieser Fläche in ein Vorbehalts­gebiet ausgeschlossen ist.

– das Regierungspräsidium Stuttgart kritisiert, dass der Sonderlandeplatz Eutingen/ Bai­singen aus luftfahrttechnischen Gründen in seiner Existenz bedroht ist und es dafür kei­ne Ersatzfläche gibt.

Allgemein stellt das Regierungspräsidium Tübingen fest, dass es im Regionalplan „kei­ne regionsübergreifende Begründung für Flächenzuwachs und Bedarf“ für die Erhö­hung der Gewerbeflächen von 270 auf fast 400 ha gibt. Das gilt insbesondere für das Flugfeld Baisingen, da von den 111 ha Gewerbeflächen in Ergenzingen-Ost erst für die Hälfte der Flächen Bebauungspläne vorliegen. Eine Aufsiedelung dürfe nur bedarfsori­entiert erfolgen. Deshalb schlägt das RP vor, diese Fläche erst beim nächsten Regional­plan zu verhandeln.

Herr Vorsitzender, werte Kolleginnen und Kollegen

Insgesamt enthält die 5. Änderung des Regionalplans aus unserer Sicht grundlegende Fehleinschätzungen und Mängel in der Begründung des enormen Flächenzuwachses, er ermöglicht die Vernichtung großer landwirtschaftlicher Flächen mit hervorragender Qualität, es fehlt eine Hierarchisierung bei der Aufsiedelung und missachtet den Vogel- und Artenschutz sowie die Lebensqualität der Bevölkerung.

Es findet keine Ausgewogenheit von widersprüchlichen Interessen statt, sondern eine einseitige Bevorzugung von Wirtschaftsinteressen nach mehr Gewerbeflächen und wi­derspricht allen Prinzipien von Nachhaltigkeit, wie sie die Bundesregierung beschlos­sen hat.

Es ist Tagträumerei zu glauben, wir könnten nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Klimaschutz und nach der Corona-Pandemie einfach so weitermachen wie bisher. Der Flächenbedarf muss wegen der fortschreitenden Digitalisierung und wegen des Home-Office grundlegend neu eingeschätzt werden. Ich möchte daran erinnern, dass der Regionalverband in seiner Bewerbung für den Innovationspark Künstliche Intelli­genz verspricht, keine neue Flächen zu versiegeln. Die Gewerbeflächenstudie von 2018/19 ist also obsolet geworden und erfordert eine veränderte Gesamtaufstellung, die auch die Generationengerechtigkeit berücksichtigt. Wir brauchen einen kompletten Neustart aufgrund der veränderten Gesamtsituation.

Wir lehnen deshalb die vorliegende Fassung der 5. Regionalplanänderung vollständig ab und stellen den Antrag auf eine Neufassung. Sie sollte auf den Prinzipien der nach­haltigen Planung in den Bereichen Gewerbe, Landwirtschaft, Infrastruktur und Wohn­bau beruhen und so den gesamten Flächenbedarf erfassen. Der Regionalverband hat eine regulierende Aufgabe zwischen den unterschiedlichen Bedarfen und zwischen mit­einander konkurrierenden Kommunen wahrzunehmen. Insgesamt muss der neue Plan Maßnahmen aufzeigen, den Flächenbedarf entsprechend den nationalen Vorgaben zu verringern und damit zur Umsetzung der nationalen Klimaziele beizutragen.

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