Stellungnahme zum Klimaschutzprogramm 2020 – 2030

Gerlinde Strasdeit, Fraktionsvorsitzende

1. Wir unterstützen ausdrücklich das Ziel des Programms klimaneutral bis 2030. Wenn wir in der Debatte soziale Gerechtigkeitsaspekte in den Vordergrund stellen bedeutet das nicht, dass wir dieses Ziel in Frage stellen, sondern im Gegenteil: wir wollen erreichen, dass alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Klimaschutzmaßnahmen unterstützen können, auch Leute mit geringem Einkommen und nicht nur solche belohnt werden, die einen Nutzen von Fördergeldern haben. Die reichsten Leute haben bekanntlich den größten ökologischen Fußabdruck. Und wir fordern, dass die C02-Bepreisung an die Verbraucher*innen zurückfließt und die Industrieprivilegien bei der EEG-Umlage gestoppt werden.

2. Wohnen muss in der Stadt für alle bezahlbar sein. Energetische Sanierung – ja, aber Klimaschutz muss für alle bezahlbar sein. Energetische Gebäudesanierungen sind wichtig und müssen weiter gefördert werden aber sie dürfen nicht dazu führen, dass allein die Vermieter*innen gefördert werden und Mieter*innen die alleinige Last tragen. Wenn Mieten durch Energiemaßnahmen mehr in die Höhe schnellen als Strom und Wärme eingespart wird, ist was faul.

Bei Wärme-Maßnahme W 1: Senkung des Wärmeenergiebedarfs  und den aufgeführten konkreten Optionen steht beim Punkt VII Kfw Effizienzhaus 40 Plus oder noch klimafreundlicher  – das sehen wir kritisch, wir wollen keine Häuser, die Maschinen sind, wie es aus Fachkreisen zu hören ist.

Beim Wärmenetzausbau W 3,  Ersatz von Ölheizungen durch klimaneutrale Heizungen W4 und erneuerbare Wärmenetze W 5  werden hohe Investitionen in Milliardenhöhe bei den Stadtwerken, unserer 100 prozentigen Tochter, notwendig. Da geht es auch um Steuergelder, deshalb braucht es dringend Transparenz. Und es hat Auswirkungen auf die Tübinger*innen, angefangen vom Tausch der Ölkessel und dem Anschluss- und Benutzungszwang für Wärmenetze. Dies muss mit verantwortbaren und annehmbaren Bedingungen für die Investierenden und Nutzer*innen umgesetzt werden.

Die hohen Investitionen in diesem Bereich müssen sozial gerecht sein und dürfen nicht zu starke Auswirkungen z.B. auf die Eintrittspreise für unsere zwei Hallenbäder haben: Uhlandbad und Hallenbad Nord, deren Nutzung wir weiter erhalten wollen und natürlich auch keine zu hohe Eintrittspreise für das Freibad.

Wir wollen keinen  Ausbau der Solarthermie auf Ackerflächen im städtischen Bereich, dafür sind diese Flächen zu wertvoll für die Naherholung, gleich um die Ecke und für Freiflächen für die Menschen im neuen Güterbahnhofsviertel. 

3. Regionalstadtbahn inklusive Tübinger Innenstadtstrecke: Wir befürworten die Regionalstadtbahn – aber nicht die Tübinger Innenstadtstrecke. Wir sehen keine positive ökologische Gesamtbilanz des Projekts sondern im Gegenteil eine stadtzerstörerische und umweltbelastende Gesamtwirkung. Deshalb bedanken wir uns, dass entsprechende Passagen im Klimaprogramm neutralisiert wurden. Der Gemeinderat hat einstimmig einen Bürgerentscheid beschlossen. Bis dahin ist alles offen.

4. Wir reden seit Jahren über TüBus ticketfrei. Diese Überschrift ist erstmal weg durch die heutige Abstimmung  Wir wollen, dass jetzt zumindest der Schülerverkehr freigestellt wird, das wäre ein guter Einstieg. Wenn wir wollen, dass die Leute umsteigen auf Rad, Bus, Bahn müssen wir bei den Jungen anfangen. Für Azubis und Schüler*innen wollen wir kostenfreien ÖPNV. Das ist für uns Bestandteil von Lernmittelfreiheit und die gilt bekanntlich auch im reichen Ba-Wü. Bayern macht das schon seit Jahren.
Wir freuen uns, dass es jetzt endlich eine politische Mehrheit für eine Verbesserung der Bustakte und Senkung der Busticketpreise gibt und dass es nicht wie in den letzten Jahren zu Mehrheiten bei der jährlichen Erhöhung der Fahrpreise gibt.

Zur Mobilitäts-Maßnahme M 4 Flächendeckende Sharing-Angebote mit E-Fahrzeugen: das Elektroauto ist keine Alternative für die Zukunt. Vor allem die großen SUV’s haben eine miserable Ökobilanz.

Die Mobilitäts-Maßnahme M 6 von der Autostadt zur Stadt der sanften Mobiliät, ist ein schwieriger Titel aus unserer Sicht: Hier geht’s vom Radwegenetz bis zu Unterstützungsangebote für das Homeoffice.
Die Radschnellwege – und auch Brücken, auf die weder Familien mit Kindern noch Rollifahrende drauf dürfen lehnen wir ab.
Hier wird unserer Meinung nach grundsätzlich was falsch gemacht, wie in den 60 Jahren die autogerechte Stadt und bei den Autobahnen – freie Fahrt für Porschefahrer, jetzt freie Fahrt für super E-Bikes? In der Stadt geht das nicht!

In diesem Kapitel wird Homeoffice unterstützt. Dies ist für uns zweischneidig und ambivalent.Homeoffice hat strenge Kriterien, es bedeutet ein vom Arbeitgeber nach Arbeits-und Gesundheitsschutz eingerichteter Arbeitsplatz zu Hause und entsprechender Kostenübernahme; was wir derzeit eher erleben ist ein „mobiles Arbeiten“, oft auch von der Arbeitnehmer*innen gewünscht. Von den  Gewerkschaften gibt es dazu Forderungen. Das alles muss noch genauer betrachtet werden, auch unter dem Aspekt der Gleichstellung von Frauen und Männern. Wie wir alle wissen, waren im Lockdown die Frauen deutlich mehr belastet durch homeoffice, Kitaschließung- und Schulschließungen. Deshalb gab es dazu auch von uns vier Enthaltungen.

Die Mobilitäts-Maßnahme M 7 Parkraumbewirtschaftung für Anwohner*innen: Wir gehen mit den 10 Euro pro Monat mit. Aber wir sind in der Fraktion geteilter Meinung bei weiterer Verdoppelung und Verdreifachung, weil das einseitig Menschen mit geringem Einkommen belastet. Und es gibt die Fälle, dass das Reinigungspersonal nicht zum Dienstbeginn um 5.30 Uhr am Uniklinikum mit dem Öffentlichem Personen Nahverkehr hinkommt.

5. Die Maßnahme Querschnittsbereich Q 3 Flächenschutzprinzip: Da werden zwei Ziele gegeneinander ausgespielt, Klimaschutz vor Flächenschutz. Das gefällt uns nicht.

Flächenschutz ist Klimaschutz. Da geht es um Flächenverbrauch, wenn wir die letzten grünen Flecken in der Innenstadt verdichten und auf der Oberen Viehweide im Technologiepark ungehemmtes Wachstum und Bodenspekulation fördern, hinterfragen wird das. Nicht jedes Gewerbe, nicht jede Forschung ist gut für die Stadt. Das zeigt auch die Pleite von BFO, da wurden schon große Flächen eingeplant, zum Nachteil des Tübinger Handwerks. Und das Ganze wurde ökologisch gerechtfertigt.

6. Eine der größten Bedrohungen für Mensch und Klima entstehen durch Kriege in der Welt.
Deshalb wollen wir auch unter Klimagesichtspunkten keine Betriebe in Tübingen, die an Rüstungsforschung oder Rüstungsproduktion beteiligt sind. Auch aus Klimaschutzgründen fordern wir weiter eine Zivilkausel für alle Firmen in der Stadt.

7. Wichtig sind für uns auch die ergänzenden Aufgabenstellungen in der Anlage 3 der Vorlage 11ee/2020.
Dies sind weitere noch zu klärende Probleme für die nächste Fortschreibung des Klimaschutzprogramms 2020-2030. Ohne diese Aufzählung wäre es z.B. für mich nicht so einfach dem Klimaschutzprogramm heute zuzustimmen.

Wir befürworten das Hinzuziehen von einem unabhängigen Institut, unter Einbezug des Gemeinderats, das finden wir bei unserem Klimaschutzprogramm wichtig!

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