
Wir lehnen die Vorlage zur Neustrukturierung des Tourismus in Tübingen ab und bringen stattdessen
einen eigenen Antrag ein.
Auch wenn wir diese neue GmbH ablehnen, bedeutet das nicht, dass wir mit der aktuellen Tourismuspolitik zufrieden sind. Denn auch das bestehende System hat probleme– ihre Probleme werden durch dieses Vorhaben allerdings leider nicht ausschlaggebend verbessert.
Wir brauchen eine neue Tourismusstrategie, das ist klar. Der aktuelle Tourismus setzt vor allem auf Konsum und Events, aber nicht darauf, wie ganz Tübingen nachhaltig profitieren kann. Aktuell gibt es keine klare Strategie, wie Tourismus z.B. mit bezahlbarem Wohnraum, klimafreundlicher Mobilität oder barrierefreier Stadtgestaltung verbunden werden kann. Mehrmals würde von uns Gemeinderät*innen bemängelt, dass zu wenig über Tourismus im Gemeinderat geredet wird. Wir Gemeinderät*innen und Stadtgesellschaft wollen mitreden, wir wollen mitentscheiden:
● Wir wollen z.B. eine Tourismusstrategie, die sozial gerecht und ökologisch verträglich ist. Das heißt: Kein Tourismus, der Mieten in die Höhe treibt oder die Stadt für Einheimische unbezahlbar macht. Ein umweltfreundliches Konzept, das nicht nur Massentourismus fördert, sondern nachhaltige Angebote entwickelt. Außerdem müssen Barrierefreiheit und Inklusion feste
Bestandteile der Tourismusförderung sein.
● Außerdem sind uns die Menschen wichtig, die im Tourismussektor arbeiten – sei es im Hotelgewerbe, in der Gastronomie oder im Einzelhandel, die häufig prekäre Arbeitsbedingungen haben. Niedrige Löhne, unsichere Arbeitsverhältnisse und befristete Jobs sind in dieser Branche weit verbreitet. Die Stadt hat aktuell kaum Einfluss darauf, ob Arbeitsbedingungen fair sind. Eine
kommunale Tourismusstrategie sollte sich nicht nur darum kümmern, mehr Tourist*innen nach Tübingen zu holen, sondern auch darum, dass die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, anständige Löhne und Arbeitsbedingungen haben!
Momentan wird der Tourismus in Tübingen vom Bürger- und Verkehrsverein (BVV) e.V. und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Tübingen mbH (WIT) organisiert. Beides sind Strukturen, die wirtschaftlich ausgerichtet sind. Das heißt: Entscheidungen zur Tourismusförderung orientieren sich nicht im Vordergrund an sozialen oder ökologischen Aspekten. Und auch schon jetzt werden Entscheidungen über Tourismus ohne direkte demokratische Kontrolle durch den Gemeinderat getroffen. Wir wollen aber sicherstellen, dass Tourismus allen zugutekommt – nicht nur Investor*innen und großen Betrieben. Die Struktur muss also geändert werden, da sind wir uns einig.
Warum sind wir also gegen den Vorschlag der Verwaltung, diese beiden Strukturen zu einer zentralen GmbH zusammenzuführen, die für Tourismus zuständig ist?
Wir sehen Stück für Stück über mehrere Jahrzehnte bundesweit, wie öffentliche Aufgaben in eine privatwirtschaftliche Logik überführt werden. Die Gründung einer GmbH bedeutet nicht nur eine teure, sondern auch die Beibehaltung einer undemokratischen Strukturierung der Tourismusförderung in Tübingen.
● Durch die geplante GmbH wird der Bereich des Tourismus zumindest teilweise privatisiert, die Stadtverwaltung selbst betont ihre privatmarkwirtschaftliche Nähe. Auch wenn die Stadt die Mehrheitsgesellschafterin ist, muss die GmbH wirtschaftlich denken und handeln – sie kann nicht einfach nach rein politischen oder sozialen Kriterien entscheiden. Ihr Ziel ist es, Einnahmen
zu generieren und nicht nur öffentliche Aufgaben zu erfüllen.
● Entscheidungen über öffentliche Gelder werden durch diese Vorhaben weiterhin nicht in einem öffentlichen Gremium wie dem Gemeinderat, sondern hinter verschlossenen Türen innerhalb der GmbH getroffen. Wichtige Fragen zur Stadtentwicklung und Tourismusförderung und vor allem über die Verwendung von Steuergeldern sollten aber transparent und demokratisch
entschieden werden.
Die Gründung einer weiteren Tochtergesellschaft und deren Erhaltung verursachen vermeidbare Kosten, der wirtschaftliche Nutzen für die Stadt bleibt aber unklar:
● Neben den bereits veranschlagten Vorgründungskosten (127.670 €, davon 50.000 € aus dem städtischen Haushalt) kommen laufende Kosten von über 1 Million Euro jährlich hinzu.
● Die neue GmbH benötigt eine Geschäftsführung mit Kompetenzen im Tourismus und in der Unternehmensführung – mit einem Monatsgehalt von 9.000 € brutto laut städtischer Vorlage. Das ist mehr als jede*r städtische Beschäftigte verdient (mit Ausnahme der Dezernent*innen).
● Zusätzlich entstehen Kosten für Buchhaltung, Gremienarbeit, Wirtschaftsprüfung und Berichterstattung, die eine städtische Fachabteilung nicht in dieser Form hätte. Städtische Gelder fließen also in eine Struktur, die sich erst einmal selbst verwalten muss, bevor sie überhaupt Aufgaben erfüllt. Öffentliche Mittel sollten aber direkt in der Förderung von Tourismus fließen,
nicht in teure GmbH-Strukturen.
Unser Gegenvorschlag:
Warum soll eine neue GmbH das Problem lösen, wenn wir stattdessen den Tourismus endlich als öffentliche Aufgabe organisieren könnten? Wir schlagen vor: eine Fachabteilung in der Stadtverwaltung!
Das hätte mehrere Vorteile:
● Wir sparen die Kosten für eine eigene Geschäftsführung und können Synergien mit bestehenden Verwaltungsstrukturen nutzen.
● Die Stadt behält die volle Kontrolle über Tourismusförderung und Mittelverwendung.
● Wir sichern eine transparente, demokratisch legitimierte Entscheidungsebene für den Tourismus in Tübingen.
Zu Ihrem Argument, dass nur die GmbH eine professionelle und schlagkräftige Organisation des Tourismus ermöglicht:
● Eine Fachabteilung in der Verwaltung kann genauso professionell aufgestellt werden, indem qualifizierte Fachkräfte eingestellt werden – das ist keine Frage der Rechtsform, sondern der Strategie. Es fehlen konkrete Belege, dass die GmbH wirtschaftlich besser abschneiden würde als eine Fachabteilung.
● Zu Ihrem Argument, dass nur die GmbH langfristig Einnahmen steigern und den Tourismus als Wirtschaftsfaktor ausbauen kann:
● Die Stadt muss zunächst hohe Summen investieren. Die Gewinne sind unklar.
● Eine Fachabteilung könnte Tourismusförderung genauso betreiben, aber mit transparenter Kontrolle über die eingesetzten Steuergelder.
Zu Ihrem Argument, dass eine Bündelung der bisherigen Tourismusorganisation in einer einzigen Struktur gut ist, sagen wir: ja, das stimmt, die Stadt kann eine einheitliche Fachabteilung einrichten, dafür brauchen wir keine GmbH.
Wir werden daher, die Vorlage der Verwaltung ablehnen und fordern stattdessen die Planung einer Fachabteilung für Tourismus.