Sara da Piedade Gomes, Stadträtin
Sara da Piedade Gomes, Stadträtin

Das 9-Euro-Ticket war ein historischer Meilenstein in der Mobilitätspolitik. Im Sommer 2022 ermöglichte es erstmals auch Menschen mit geringem Einkommen, die sich reguläre Bahnfahrten sonst nicht leisten könnten, unkompliziert und kostengünstig zu verreisen. Millionen Menschen haben endlich Mobilität erfahren – ein Lebensbereich, der allzu oft zum Luxus geworden ist. Das zeigt, wie dringend bezahlbare Mobilität für alle gebraucht wird.

Doch das Deutschlandticket ist kein würdiger Nachfolger. Das haben wir hier in Tübingen anerkannt. Der Preis von 49 Euro ist für viele Menschen schlicht nicht bezahlbar, und zum Jahreswechsel sollen die Preise weiter steigen. Die aktuelle Vorlage plant, nahezu alle Zuschüsse der Stadt zurückzufahren: um 2 Euro beim regulären Deutschlandticket, um 1 Euro beim D-Ticket KBC und um 3,42 Euro beim D-Ticket JugendBW Tübingen. Das D-Ticket Tübingen soll gemäß Verwaltungsvorschlag um 32 % teurer werden, das D-Ticket KBC sogar um 67 %, das D-Ticket JugendBW um 56 % und das D-Ticket JugendBW KBC um unglaubliche 100 %. Diese massiven Erhöhungen sind das Ergebnis einer knallharten Austeritätspolitik von Bund und Stadt, die das Leben der Menschen verteuert und ihre Grundrechte aushöhlt. Die Stadtverwaltung rechnet selbst mit einer massiven Kündigungswelle. Ein Deutschlandticket, das für viele unerschwinglich wird, konterkariert die Ziele der Verkehrswende und grenzt genau die Menschen aus, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind.

Diese Kürzungen bei den Zuschüssen zum ÖPNV sind nicht nur unsozial, sie widersprechen den klimapolitischen Zielen, die wir hier im Gemeinderat festgelegt haben, um den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Doch das Signal ist klar: Sozialer Zusammenhalt und Klimaschutz werden im Namen der Austeritätspolitik geopfert. Wie sollen wir so Klimaneutralität im Bereich der Mobilität in 5 Jahren erreichen?!

Die Ideologie dahinter? Das Austeritätsdogma, das behauptet, wirtschaftliches Wachstum entsteht durch die „tugendhafte“ Sparsamkeit, statt dass, was wahr ist: sie entstehen durch produktive Tätigkeit und die Ausgaben, die wir alle tätigen. Forderungen nach höheren Löhnen und kürzeren Arbeitszeiten werden abgelehnt, öffentliche Ausgaben, wie für den ÖPNV, massiv gekürzt, um möglichst viel Kapital in der Hand von extrem wenigen anzuhäufen. Die Alarmrhetorik, mit der dieses Programm angekündigt wird, ist bezeichnend – doch erschreckend ruhig bleiben die Anhänger*innen der Austeritätsideologie, wenn es um die größten Bedrohungen unserer Zeit geht: die Klimakrise und das Artensterben. Unsere Stadtverwaltung macht das alles mit. Das Ergebnis ist eine Politik, die rechte Parteien stärkt, denn mehr Armutsgefährdung führt nachweislich zu mehr Stimmen für Rechtsextreme, der Studie der IFO beweist das nochmal eindrücklich. Und genau das sind die Menschen, wenn sie mehr für Mobilität zahlen müssen aber die Löhne nicht entsprechend steigen: ärmer. Wenn wir uns nicht dagegen wehren, haben wir bald wieder Faschist*innen an der Macht.

Wir lehnen jede Preiserhöhung ab, die den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr einschränkt, sei es für Menschen mit KBC oder für andere. Langfristig kämpfen wir für einen kostenlosen ÖPNV, der Mobilität als Grundrecht anerkennt und soziale sowie ökologische Ziele miteinander verbindet. Die geplanten Preiserhöhungen treffen jedoch die finanziell Schwächsten besonders hart, deshalb haben wir diesen Antrag gestellt. In Tübingen haben wir es bisher ermöglicht, dass Menschen mit KBC das Deutschlandticket für 15 Euro und junge Menschen mit KBC für 10 Euro erhalten können. Diese Regelung zeigt, was es bedeutet, soziale und ökologische Verantwortung gleichzeitig ernst zu nehmen. Doch nun sollen selbst diese ermäßigten Preise drastisch steigen: um 67 % für das D-Ticket KBC und sogar um 100 % für das Jugendticket BW für KBC-Inhaber*innen. Das wäre eine Politik der sozialen Kälte, die wir als Linke nicht akzeptieren. Wir beantragen daher, dass diese ermäßigten Preise für Menschen mit niedrigem Einkommen erhalten bleiben.

Ein bezahlbares, idealerweise kostenfreies Deutschlandticket ist ein zentraler Baustein der Verkehrswende. Ein Deutschlandticket muss für alle leistbar sein, wenn wir eine Verkehrswende wollen, die ihren Namen auch verdient.

Der Autoverkehr kostet die Allgemeinheit und die öffentliche Hand das Dreifache im Vergleich zum öffentlichen Nahverkehr und verbraucht wertvolle Flächen, die wir stattdessen zum Wohnen, Spielen, für Begegnungen oder als grüne Freiflächen nutzen könnten. Die Erhöhung der Parkgebühren schafft Anreize, auf den ÖPNV umzusteigen – aber das eine funktioniert nicht ohne das andere. Wenn wir keine erschwingliche Mobilitätsalternative bieten, schneiden wir den Menschen sprichwörtlich die Beine ab. Deshalb sind wir bereit, den Erhöhungen der Parkgebühren zuzustimmen – unter der Bedingung, dass der ÖPNV konsequent ausgebaut und langfristig bezahlbar bleibt.