Bezahlkarte

„Es braucht Transparenz bei der Einführung der Bezahlkarte“

Pressemitteilung der Tübinger Linken im Kreistag:

Die diskriminierende „Bezahlkarte“ für Geflüchtete wird im Kreis Tübingen bereits seit Anfang Februar eingeführt. Darüber informierte Landrat Joachim Walter mit Schreiben vom 7. Februar in einer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke im Kreistag. Das Landratsamt wolle die „Bezahlkarte“ zunächst bei Personen einführen, die dem Landkreis neu zugewiesen werden und danach bei allen Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Dies seien derzeit im Landkreis 435 erwachsene Personen und deren Angehörigen. Bei der Frage nach den Kosten und dem Verwaltungsaufwand wurde lediglich ausgeführt, dass „kein zusätzliches Personal eingestellt“ werden müsse und dass ansonsten das Land alle Kosten trage.

Andreas Linder, Kreisrat„Diese Darstellung erscheint uns sehr rosig“ sagt Andreas Linder von der Fraktion Die Linke im Kreistag. „Die nach Einführung zu erwartenden Detail-Abläufe lassen vermuten, dass sich der Staat zum Zweck der Diskriminierung einen sehr hohen Personal-, Zeit- und Kostenaufwand leisten wird.“ So dürften nach einführenden Terminen mit jedem einzelnen Leistungsberechtigten unzählige Detailfragen aufkommen, die von den Beschäftigten der zuständigen Abteilung zusätzlich zu ihren sonstigen Aufgaben zu bewältigen seien.

„Wir Linke kritisieren, dass die Bezahlkarte ohne konkrete vorherige Information der Öffentlichkeit und der Betroffenen quasi heimlich eingeführt werden soll, obwohl in Baden-Württemberg noch nicht mal ein Erlass existiert und obwohl gemäß Bundesgesetz keine Verpflichtung zur Einführung der „Bezahlkarte“ besteht“, so Linder weiter. Die Linke kritisiert auch, dass sich der Landrat weiterhin auf die Position zurückziehe, dass der Kreistag laut Landkreisordnung keine Entscheidungsbefugnis zu diesem Thema habe. „Das bedeutet aber doch nicht, dass sich der Kreistag überhaupt nicht mit so einem Thema befassen darf.“

Bereits seit Jahresbeginn gibt es im Landkreis Verschärfungen bei den Sozialleistungen für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Wenn ein Geflüchteter, der ein Beschäftigungsverhältnis verlor, wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragt, verbleibt er in der gesetzlichen Krankenversicherung („obligatorische Anschlussversicherung“). Das Landratsamt übernimmt jedoch die Krankenversicherungskosten ab 1.1.2025 nicht mehr. In der Antwort auf die Anfrage teilte Landrat Walter zwar mit, dass er am 3. Januar ein Schreiben an das Landes-Justizministerium gerichtet habe mit der Bitte, dass das Land die Krankenversicherungskosten in solchen Fällen weiter übernimmt. Eine Abhilfe gab es bisher jedoch nicht. Die Betroffenen verschulden sich aus diesem Grund innerhalb kurzer Zeit. Dies scheint von der Verwaltung billigend in Kauf genommen zu werden. Einige der Betroffenen haben deswegen Widerspruch gegen die Nichtübernahme der Krankenversicherungskosten eingereicht.

Hinweis:
Das Landratsamt Tübingen möchte die Betroffenen mit diesem Infoblatt über die Einführung der Bezahlkarte informieren.

Bezahlkarte ist Rechtspopulismus

Andreas Linder, Kreisrat
Andreas Linder, Kreisrat

Die „Bezahlkarte“ ist das lokalpolitische Sinnbild einer Flüchtlingspolitik, die in die völlig falsche Richtung läuft. Statt eine Politik zu betreiben, die die Ursachen von Flucht (Kriege, Ausbeutung, Umweltzerstörung…) und damit auch die Zahl der Flüchtlinge tatsächlich reduzieren kann, überbietet sich die Politik in Anti-Flüchtlings-Rhetorik, Grenzabschottung, verschärften Asylgesetzen und „Abschieben im großen Stil“. Was früher mal Rechtspopulismus war, ist jetzt Mainstream. Je mehr den Schwächsten dieser Welt die Solidarität entzogen wird und je mehr die eigene Verantwortung weggeschoben wird, desto mehr klatscht das eigene Wahlvolk. Soll das eine „Brandmauer“ sein?

Jetzt soll vor Ort die „Bezahlkarte“ eingeführt werden. Diese braucht es angeblich zur „Bekämpfung der illegalen Migration“ und des „Schlepperwesens“. Die Betroffenen sollen gegängelt werden, damit andere von der Flucht abgeschreckt werden. Wer glaubt das wirklich? Sicher ist aber, dass die Menschen aus der Verwaltung und der Flüchtlingshilfe, die mit den Geflüchteten im Alltag zu tun haben, einen umfangreichen, lästigen und komplett unnötigen Aufwand haben werden.

Wird die Umsetzung halbwegs vernünftig und „diskriminierungsarm“ erfolgen? Wird der Kreistag etwas zu entscheiden haben? Wenn es nach der Landesregierung geht, soll das nicht passieren. Aus der Antwort (17/7132) auf eine Anfrage von Dorothea Kliche-Behnke (MdL, SPD) geht hervor, dass die Landesregierung beabsichtigt, die „Bezahlkarte“ „flächendeckend“ und „für alle“ einzuführen. Es soll ein monatlicher Barbetrag von 50 Euro gewährt werden. Die Einführung soll durch die unteren Verwaltungsbehörden erfolgen. Schon beim Antrag von CDU und FWV (die Bezahlkarte soll möglichst schnell eingeführt werden) und zuletzt bei der ersten Sitzung des neuen Kreistags Ende Juli vertrat auch Landrat Walter die Position, dass der Kreistag nichts zu entscheiden habe. Dies gefällt uns als Kreistagsfraktion nicht. Wenn „von oben“ etwas kommt, was der Verwaltung nicht gefällt, gibt es auch Spielräume. Beispiel: Bundesteilhabegesetz. Das BuGrenzabschottungndesgesetz zwingt nicht zur Einführung der „Bezahlkarte“ und lässt zu, dass die Kommunen entscheiden. Das zivilgesellschaftliche Bündnis aus 25 Organisationen hat detaillierte Vorschläge für eine möglichst diskriminierungsarme Umsetzung der „Bezahlkarte“ eingereicht. Sollen diese nicht mal ignoriert werden?

Andreas Linder, Kreisrat

Diskussion um Bezahlkarte

Mittwochspalte im Schwäbischen Tagblatt unserer neu gewählten Gemeinderätin Sara da Piedade Gomes

Sara da Piedade Gomes, Gemeinderätin
Sara da Piedade Gomes, Gemeinderätin

Europa rückt nach rechts. Mikroaggressionen, Vorurteile und Rassismus nehmen zu, befeuert durch rassistische Gesetze. Das Bundesparlament hat der Bezahlkarte für Geflüchtete zugestimmt, nachdem es Geas verabschiedet hat – die größte Einschränkung des Asylrechts seit Jahrzehnten. Auch im Landkreis Tübingen wird über die Bezahlkarte diskutiert.

Die Bezahlkarte könnte bedeuten: keine Überweisungen, limitierte Bargeldabhebungen, Beschränkungen auf bestimmte Postleitzahlen und Ausschluss bestimmter Waren. Dies würde das Leben der Betroffenen drastisch einschränken. Alltägliche Dinge wie der Kauf einer Wasserflasche oder ein Handyvertrag wären nahezu unmöglich. Auch die Bezahlung rechtlicher Unterstützung könnte scheitern. Und warum sollten arme Menschen keine Überweisungen an ihre Familien im Ausland tätigen können?

In Zeiten knapper Haushaltskassen würde dies zudem mehr Steuergelder für sinnlose Verwaltungsaufgaben bedeuten. Diese Karte basiert auf Abschreckungspolitik, die die Anzahl der nach Deutschland fliehenden Menschen reduzieren soll. Es gibt jedoch keinerlei Evidenz dafür, dass Sozialleistungen ausschlaggebend dafür sind, wohin Menschen fliehen. Asylsuchende erhalten etwa 70 Prozent der üblichen Sozialleistungen, deutlich weniger als das Existenzminimum in Deutschland. Menschen mit einer noch prekäreren Lage abschrecken zu wollen, ist unmenschlich.

Die Bezahlkarte ist Symbolpolitik mit verheerenden Konsequenzen. Ich lehne sie ab, denn sie ist rassistischer Populismus! Wenn Politiker*innen eine Bezahlkarte einführen wollen, warum nicht eine Bezahlkarte für Superreiche, um sie daran zu hindern, uns jährlich 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung in Offshore-Konten zu stehlen? Die Ablenkung von den wahren Ursachen sozialer Ungerechtigkeit muss enden. Geflüchtete und Migrant*innen sind nicht für Armut verantwortlich. Die Verursacher sind Kapitalismus, Milliardäre und extreme Ungleichheiten. Es ist Zeit, den Fokus auf die wahren Ursachen zu richten, anstatt die Schwächsten in unserer Gesellschaft weiter zu marginalisieren und zu schikanieren.

Antrag: Leistungen weiterhin aufs Konto

Tübingen, 23.04.2024

An den Kreistag des Landkreises Tübingen

Antrag der Fraktion Die Linke:

Der Kreistag spricht sich dafür aus, dass die Grundleistungen an Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz auch nach der Einführung der Möglichkeit einer „Bezahlkarte“ weiterhin als Geldleistungen ausgezahlt werden.

Begründung:
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Nicht mit Bezahlkarte

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Leider glaubt die CDU, dass sich mit der Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete die „illegale Migration“ bekämpfen ließe. Das ist schon politisch armselig genug. Der CDU und den Freien Wählern im Landkreis kann es anscheinend nicht schnell genug damit gehen. Ein entsprechender Antrag bei der Kreisverwaltung wurde gestellt. Die AfD findet das natürlich verlogen, weil sie für sich selbst das Original auf richtige „Remigration“ proklamiert und die CDU „die letzten Jahre die illegale Migration zugelassen“ hat.

Solch dummes und rassistisches Geschwätz ist der Einstieg in einen Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen, die vor den Kriegen, dem Terror, dem Unrecht und der Naturzerstörung auf dieser Welt Zuflucht in den Reichtumszonen dieser Welt suchen. Zur Erinnerung: Erstens: Wer einen Asylantrag stellt, nimmt die Genfer Flüchtlingskonvention und die Erklärung der Menschenrechte der UNO in Anspruch. Das ist legal. Zweitens: Schon im Jahr 2012 hat das Bundesverfassungsgericht erklärt, dass das Existenzminimum nicht migrationspolitisch relativiert werden darf. Diesen Satz verstanden? Drittens: Die Fluchtursachen dieser Welt lassen sich nicht mit einer Bezahlkarte aufhalten.

Andreas Linder, Kreisrat