Tübingen, 23.04.2024
An den Kreistag des Landkreises Tübingen
Antrag der Fraktion Die Linke:
Der Kreistag spricht sich dafür aus, dass die Grundleistungen an Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz auch nach der Einführung der Möglichkeit einer „Bezahlkarte“ weiterhin als Geldleistungen ausgezahlt werden.
Begründung:
Die beste Bezahlkarte ist die Kontokarte. Aus unserer Sicht bewirkt die Einführung einer „Bezahlkarte“ für Leistungsbezieher:innen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz eine unnötige Diskriminierung und Schikanierung der Betroffenen. Mit der Einführung der Bezahlkarte verspricht sich die Bundesregierung eine Eindämmung der „illegalen Migration“, eine Maßnahme zur Verhinderung von Zahlungen an „Schlepper“ oder Familien im Herkunftsland und eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands für die zuständigen Kommunen. Nichts davon wird durch die „Bezahlkarte“ effektiv bewirkt werden. Was den Verwaltungsaufwand für die kommunalen Behörden angeht, ist zu erwarten, dass dieser mit der Einführung der „Bezahlkarte“ deutlich höher werden wird.
Mit der bundesgesetzlichen Neuregelung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 11.04.2024 (Bundestags-Drucksache 20/11006 [PDF]) wird der Vorrang von Geldleistungen aufgehoben und die Verwendung von z.B. „Bezahlkarten“ den Geldleistungen gleichgestellt. Der Gesetzgeber stellt es den ausführenden Bundesländern und Kommunen aber grundsätzlich frei, ob die „Bezahlkarte“ als Form der Gewährung der Leistungen angewandt wird oder nicht. Ein Zwang zur Einführung der „Bezahlkarte“ besteht nicht. Dies macht es möglich, ohne weitere Änderungen und ohne extra Verwaltungsaufwand die bestehende Praxis weiterzuführen.
Die Argumentation des Landratsamts in der Kreistagsdrucksache Nr. 043/24 („staatliche Weisungsaufgabe“) ist aus unserer Sicht daher unzutreffend. Die Verwaltung hat den Entscheidungsspielraum, die Einführung der „Bezahlkarte“ nach Abschluss der bundesgesetzlichen Vorgänge (möglichst schnell) umzusetzen wie im Antrag der Fraktionen CDU und FWV gefordert wird, oder die Einführung zu unterlassen wie von uns mit diesem Antrag gefordert wird. Die Verwaltung könnte sich daher auch – sofern der Kreistag unserem Antrag folgt – auf Landesebene dafür aussprechen, dass die „Bezahlkarte“ in ganz Baden-Württemberg nicht eingeführt wird.
Für die Übergangszeit bis zur Eröffnung eines eigenen (Guthaben-)Kontos in der Anfangszeit sowie im tatsächlichen nachgewiesenen Missbrauchsfall könnte die „Bezahlkarte“ Sinn machen, sonst nicht. Die Einführung der „Bezahlkarte“ würde mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass sich (noch) mehr Asylsuchende verschulden oder gar strafbar machen, weil sie erforderliche Zahlungen nicht leisten können (Mobilfunk, Deutschlandticket, Miete…). Stattdessen sollten auf der kommunalen Ebene die Angebote und Strukturen weiter ausgebaut werden, die die nachhaltige Integration von Geflüchteten fördern: Verbesserung der Deutschkursangebote und vielfältige Maßnahmen der Integration in den Arbeitsmarkt werden die Zahl derer vergrößern, die (schneller) unabhängig von Sozialleistungen werden. Statt Bezahlkarten, Arbeitsverboten, Leistungskürzungen und Dublin-Verfahren braucht es von Anfang gezielte Förderung und sozialarbeiterische Begleitung.
Hinweise:
12.04.2024: Der Paritätische: Bezahlkarte für Geflüchtete: Paritätischer kritisiert das
heute verabschiedete Gesetz und appelliert an Länder und Kommunen