Kreistag

Bezahlkarte ist Rechtspopulismus

Andreas Linder, Kreisrat
Andreas Linder, Kreisrat

Die „Bezahlkarte“ ist das lokalpolitische Sinnbild einer Flüchtlingspolitik, die in die völlig falsche Richtung läuft. Statt eine Politik zu betreiben, die die Ursachen von Flucht (Kriege, Ausbeutung, Umweltzerstörung…) und damit auch die Zahl der Flüchtlinge tatsächlich reduzieren kann, überbietet sich die Politik in Anti-Flüchtlings-Rhetorik, Grenzabschottung, verschärften Asylgesetzen und „Abschieben im großen Stil“. Was früher mal Rechtspopulismus war, ist jetzt Mainstream. Je mehr den Schwächsten dieser Welt die Solidarität entzogen wird und je mehr die eigene Verantwortung weggeschoben wird, desto mehr klatscht das eigene Wahlvolk. Soll das eine „Brandmauer“ sein?

Jetzt soll vor Ort die „Bezahlkarte“ eingeführt werden. Diese braucht es angeblich zur „Bekämpfung der illegalen Migration“ und des „Schlepperwesens“. Die Betroffenen sollen gegängelt werden, damit andere von der Flucht abgeschreckt werden. Wer glaubt das wirklich? Sicher ist aber, dass die Menschen aus der Verwaltung und der Flüchtlingshilfe, die mit den Geflüchteten im Alltag zu tun haben, einen umfangreichen, lästigen und komplett unnötigen Aufwand haben werden.

Wird die Umsetzung halbwegs vernünftig und „diskriminierungsarm“ erfolgen? Wird der Kreistag etwas zu entscheiden haben? Wenn es nach der Landesregierung geht, soll das nicht passieren. Aus der Antwort (17/7132) auf eine Anfrage von Dorothea Kliche-Behnke (MdL, SPD) geht hervor, dass die Landesregierung beabsichtigt, die „Bezahlkarte“ „flächendeckend“ und „für alle“ einzuführen. Es soll ein monatlicher Barbetrag von 50 Euro gewährt werden. Die Einführung soll durch die unteren Verwaltungsbehörden erfolgen. Schon beim Antrag von CDU und FWV (die Bezahlkarte soll möglichst schnell eingeführt werden) und zuletzt bei der ersten Sitzung des neuen Kreistags Ende Juli vertrat auch Landrat Walter die Position, dass der Kreistag nichts zu entscheiden habe. Dies gefällt uns als Kreistagsfraktion nicht. Wenn „von oben“ etwas kommt, was der Verwaltung nicht gefällt, gibt es auch Spielräume. Beispiel: Bundesteilhabegesetz. Das BuGrenzabschottungndesgesetz zwingt nicht zur Einführung der „Bezahlkarte“ und lässt zu, dass die Kommunen entscheiden. Das zivilgesellschaftliche Bündnis aus 25 Organisationen hat detaillierte Vorschläge für eine möglichst diskriminierungsarme Umsetzung der „Bezahlkarte“ eingereicht. Sollen diese nicht mal ignoriert werden?

Andreas Linder, Kreisrat

Sozialtüchtig bleiben

letzte Kreisecke unseres bisherigen Kreisrats Bernhard Strasdeit vom 18. Juni im Schwäbischen Tagblatt

Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag
Bernhard Strasdeit

Danke im Namen meiner Fraktion an alle, die uns bei den Wahlen ihr Vertrauen gegeben haben. Mit dem Ergebnis werden wir dazu beitragen, dass Die Linke im Land wieder aus dem Tal herauskommt. Dem Kreistag werde ich zukünftig nicht mehr angehören. Der Kommunalpolitik im Landkreis bleibe ich weiter verbunden. Denn lebenswerte Kommunen und das vielfältige Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger in Organen der Selbstverwaltung, in Vereinen und Initiativen sind das Antriebsrad einer solidarischen Gesellschaft.

Das Grundgesetz hebt das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung in Artikel 28 ausdrücklich hervor. Alle Probleme der „Großen Politik“ kommen unten an vor unserer Haustür und bei vielen Leuten auch dahinter. Unseren Mitgliedern empfehle ich deshalb die Mitarbeit in kommunalen Gremien. Die ist manchmal anstrengend, aber man befindet sich auf dem Boden der Tatsachen und lernt mit anderen über Lösungen zu streiten und trotzdem kollegial zu arbeiten. Die kommunalen Haushalte stehen derzeit mächtig unter Druck. Sie dürfen nicht kriegstüchtig gemacht werden, sondern müssen sozialtüchtig bleiben und sich den Herausforderungen der Energie- und Verkehrswende stellen. Dafür wird sich die Linke-Fraktion im neuen Kreistag weiter einsetzen.

Internationale Solidarität, Weltoffenheit, soziale Gerechtigkeit und ein humaner Umgang mit Geflüchteten dürfen nicht unter die Räder kommen. Deshalb braucht es im nächsten Kreistag eine entschiedene Abgrenzung aller demokratischen Fraktionen gegen die nationalistische und integrationsfeindliche Stimmungsmache der AfD.

Ein aktuelles Anliegen noch: Um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu begegnen, diskutiert die Bundesregierung endlich über eine Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit. Teile der Ampel blockieren oder verwässern das Vorhaben. Wir Linke unterstützen es, dauerhaft einen nicht profitorientierten Sektor auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen. Die Neue Wohngemeinnützigkeit darf kein Nischenprodukt werden für nur wenige alternative Projekte, sondern muss auch kommunale Träger wie die Kreisbaugesellschaft hier im Landkreis beim Kauf, Umbau und Neubau unterstützen. Ein Landesgesetz sollte die Gemeinwohlorientierung von Wohnprojekten zusätzlich fördern und dauerhaften Leerstand verhindern. Dafür sammeln wir Unterschriften für einen „Volksantrag“ nach Landesverfassung. Wir bitten Sie, diese Initiative zu unterstützen.

Antrag: Leistungen weiterhin aufs Konto

Tübingen, 23.04.2024

An den Kreistag des Landkreises Tübingen

Antrag der Fraktion Die Linke:

Der Kreistag spricht sich dafür aus, dass die Grundleistungen an Leistungsberechtigte nach Asylbewerberleistungsgesetz auch nach der Einführung der Möglichkeit einer „Bezahlkarte“ weiterhin als Geldleistungen ausgezahlt werden.

Begründung:
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Nicht mit Bezahlkarte

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Leider glaubt die CDU, dass sich mit der Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete die „illegale Migration“ bekämpfen ließe. Das ist schon politisch armselig genug. Der CDU und den Freien Wählern im Landkreis kann es anscheinend nicht schnell genug damit gehen. Ein entsprechender Antrag bei der Kreisverwaltung wurde gestellt. Die AfD findet das natürlich verlogen, weil sie für sich selbst das Original auf richtige „Remigration“ proklamiert und die CDU „die letzten Jahre die illegale Migration zugelassen“ hat.

Solch dummes und rassistisches Geschwätz ist der Einstieg in einen Wahlkampf auf dem Rücken von Menschen, die vor den Kriegen, dem Terror, dem Unrecht und der Naturzerstörung auf dieser Welt Zuflucht in den Reichtumszonen dieser Welt suchen. Zur Erinnerung: Erstens: Wer einen Asylantrag stellt, nimmt die Genfer Flüchtlingskonvention und die Erklärung der Menschenrechte der UNO in Anspruch. Das ist legal. Zweitens: Schon im Jahr 2012 hat das Bundesverfassungsgericht erklärt, dass das Existenzminimum nicht migrationspolitisch relativiert werden darf. Diesen Satz verstanden? Drittens: Die Fluchtursachen dieser Welt lassen sich nicht mit einer Bezahlkarte aufhalten.

Andreas Linder, Kreisrat

Tax the Dax

Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag
Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag

Im Kreistag steht morgen das Thema Verkehrsverbund Naldo auf der Tagesordnung. Die kleinteiligen Strukturen in Südwürttemberg und die Verbundgrenzen zum VVS im Stuttgarter Raum entsprechen nicht mehr den Anforderungen in einer Metropolregion. Die Neubewertung und kreative Weiterentwicklung der Verbandsstruktur ist dringend notwendig. Die Bildung eines landesweiten und leistungsfähigen Verkehrsverbundes in Baden-Württemberg sollte dabei eine Option sein.

Ein kreisweites Sozialticket für Berechtigte der Kreisbonuscard, also Leute mit Niedrigeinkommen, war bei den Haushaltsberatungen im Kreistag nicht durchsetzbar. Unser Antrag scheiterte auch an Kollegen und Kolleginnen, die diese Forderung jetzt in ihr Wahlprogramm schreiben. Wir bleiben dran. Auch für Azubis, Schüler und Studierende muss der Öffentliche Nahverkehr im Landkreis preisgünstiger und in Perspektive kostenfrei gestellt werden. Das Land hat sich aus der Verantwortung gestohlen. Jetzt sollten die Landkreise handeln. Zwar ist das neue Jugendticket BW ein prima Angebot für junge Leute, die gerne reisen. Als Schülerticket ist es zu teuer. Wer die soziale Komponente bei der Verkehrswende ausblendet, behindert den Umstieg auf Bus und Bahn. Viele Eltern fordern zu Recht, dass die Schülerverkehre attraktiver werden und kein Kind aufs Elterntaxi ausweichen muss.

Am Ende wird es am Geld liegen, ob sich die Kommunen ein gutes Nahverkehrsangebot in unserer Region noch leisten können, ob genug Fachpersonal gewonnen und modernes Wagenmaterial vorgehalten werden kann. Denn nicht einmal die versprochenen Zuschüsse der Landesregierung für die Regionalstadtbahn sind bisher endgültig sicher. Es braucht mehr Durchsetzungskraft der Kommunen. Wir leben in Zeiten, in denen alle staatlichen Ausgaben der Kriegswirtschaft und dem Waffenexport untergeordnet werden. Sicher sind nur die maßlosen Managergehälter bei der Bahn oder beim Daimler. Die Jahresbezüge für den Mercedes-Chef erhöhten sich 2023 um 86 Prozent auf 12,2 Millionen Euro. Die Aktienwerte des Rüstungskonzerns Rheinmetall steigen auf ein Rekordhoch.

Deshalb: Tax the Dax! Besteuert die Vermögen und Krisengewinne der Superreichen. Das wäre einträglicher als das Streikrecht der Gewerkschaften zu bejammern. Noch ein Tipp zu Ostern: Beteiligen Sie sich an den Ostermärschen; stoppt endlich das Töten und gebt der Diplomatie eine Chance.

Bernhard Strasdeit, Kreisrat

Landkreis für alle

Gisela Kehrer-Bleicher
Gisela Kehrer-Bleicher, Linke-Kreisrätin

Im Dezember wurde der Kreishaushalt 2024 auch mit unseren Stimmen beschlossen. Die Debatte stand schon im Zeichen der Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Unser Antrag auf Einführung eines Kreissozialtickets und auf Senkung der Eigenanteile für die Schülerfahrten zur Entlastung der Familien fand leider keine Mehrheit. Eine Erhöhung der Kreisumlage wurde notwendig.

Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen schränkt die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden ein. Der finanzielle Druck wird nach unten weitergereicht. Die Menschen vor Ort, die auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen sind, werden getroffen. Wie in Ammerbuch werden dann Ausgaben für Freibad, Musikschule und Bücherei gekürzt.

Im Kreistag streiten wir uns um wenige Prozentpunkte Kreisumlage zu Lasten von wichtigen Sozial- und Präventionsprojekten, während wir eine nie dagewesene Konzentration von großen Vermögen bei gleichzeitigen Steuerentlastungen erleben. Rekordausschüttungen an Aktionäre der deutschen Konzerne belaufen sich auf 60 Milliarden Euro. Der gleiche Betrag steht als Loch in der Kasse im Bundeshaushalt.

Die soziale Schieflage belastet nicht nur die einzelnen Bürger, sondern schlägt auch voll auf die Kommunen durch. Die Milliarden, die in Waffenlieferungen und in Aufrüstung fließen, fehlen im Sozialhaushalt. Statt „kriegstüchtig“ müssen wir „friedenstüchtig“ werden. Wir brauchen Sondervermögen für die Daseinsfürsorge und nicht für die Bundeswehr.

Weil die Inflation die Einkommen auffrisst, streiken aktuell nicht nur Gewerkschafter bei der DB. Bauern gehen gegen die vom Bund beschlossenen Kürzungen auf die Straße. Auch bei ihnen sind nicht alle gleichermaßen betroffen. Agrarflächen werden von Konzernen und Finanzinvestoren als Anlageobjekte aufgekauft. Schon lange werden die Kleinen und die Mittleren ruiniert, die großen Betriebe profitieren. Solidarität mit den Bauern ist angesagt.

Soziale Kälte und allgemeine Verunsicherung machen anfällig für rechte und demagogische Krisenlösungen. Nationalistische Ideologien schaffen vermeintliche Sündenböcke und lenken von den tatsächlichen Ursachen, der Kluft zwischen Arm und Reich ab. Wir dürfen uns nicht spalten lassen, Menschen mit und ohne deutschen Pass nicht gegeneinander ausspielen. Gerechte Sozialpolitik und Umverteilung von oben nach unten hilft gegen rechts.

Sondervermögen für alle!

Margrit Paal, Kreistagsfraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreisvorstands
Margrit Paal, Kreistagsfraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreisvorstands

Geld. In Zeiten der Inflation haben viele Menschen, nicht nur Arme, diese Sorgen: wie zahle ich die Miete, die Lebensmittel, dringend benötigte Kleidung oder das Busfahrticket für die Kinder?

Ähnlich zu geht es in der Haushaltsberatung des Kreistags : Was kann an „Freiwilligkeitsleistungen“ finanziert werden? Wir als Linke sehen jeden Euro in Sozialprojekte als richtig angelegt.

Wenn Ausgaben für soziale Daseinsfürsorge gekürzt werden sollen, wird häufig die „Ideologie der Leistung“ als große Erzählung bemüht. Warum sollen Menschen ohne Arbeit oder mit Niedriglohn, ohne Wohnung, ohne deutsche Staatsangehörigkeit etwas vom Staat bekommen – obwohl sie (gefühlt) nichts dafür tun?

Die richtige Frage ist: Warum werden wenige immer reicher und viele immer ärmer? Die Tafeln wurden zur Rettung von Lebensmitteln gegründet. Inzwischen sind sie eine Art Abteilung des Sozialministeriums – ohne sie wäre vielen das Überleben nicht möglich. Dabei soll nicht das ehrenamtliche Engagement kritisiert werden, aber eine Zivilgesellschaft kann nicht das Problem von Armut lösen.

Wir brauchen ganz dringend den großen Wurf zur Verbesserung der Lebenssituation von vielen. Nicht „Reförmchen“ von ein paar Euro mehr – mal fürs Wohngeld, mal fürs Bürgergeld, mal fürs Kindergeld. Es braucht einen Mietendeckel, Stabilisierung von Lebensmittelpreisen, eine starke Tarifbindung, Verbot von Niedriglöhnen. Der Lohn muss immer zum Leben reichen!

Unserem Staat gelingt es nicht bei unverschämt hohen Einzelvermögen und Großkonzernen eine gerechte Steuergesetzgebung durchzusetzen. Selbst bei Steuerbetrug wie Cum-Ex ist er zahnloser Tiger – ein politischer Bankrott!

Sozialausgaben werden in Zeiten knapper Kassen gerne gekürzt, das verschärft die Lebenssituation der Menschen, die darauf angewiesen sind. Für Ausgaben macht der Staat unter neuem Namen Schulden. Niemand fragt, woher das 100 Milliarden € „Sondervermögen“ für die Bundeswehr herkommt. Wir investieren in den Tod, nicht in das Leben.

Zum Glück gibt es das Fach „Staatsfinanzen“ nicht in der Schule. Wir würden verstehen, dass Geld da ist, wenn Geld da sein soll.

Diese destruktive Politik zermürbt die Menschen. Alle vier Jahre die Strafe an der Wahlurne anzukreuzen ist allerdings keine Lösung. Eine andere Welt und ein gutes Leben für alle sind möglich – dafür braucht es Hoffnung, und die kostet nichts.

Integration kann gelingen

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Im Kreistag berichteten Landrat Walter und Finanzdezernent Walz im April – nur mündlich – angesichts der hohen Flüchtlingszahlen über den aktuellen Stand bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten im Landkreis. Tenor: Die Situation ist angespannt, aber es gibt noch Plätze. Wir müssen keine Hallen belegen. Die haupt- und ehrenamtlich Tätigen haben viel zu tun, aber insgesamt läuft es gut und ja, „wir schaffen das“. Beifall vom gesamten Kreistag.

Wenige Wochen später stehen dann politische Maximalforderungen in einer Resolution und Pressekampagne des Landkreistags BW „zur Steuerung und Begrenzung der Fluchtmigration und zur finanziellen Unterstützung der Kommunen“. Dieses am 22. Juli veröffentlichte Papier sehen wir nicht als Sommerloch-Füllstoff, sondern als massives politisches Statement – dem deutlich widersprochen werden muss. Obwohl Landrat Walter in seiner Funktion als Landkreistagspräsident beteuert, dass „wir Landkreise zu unserer humanitären Verantwortung stehen“, sprechen die Forderungen eine andere Sprache. Die EU-Pläne zur verstärkten Abwehr an den Außengrenzen sollen „rasch und vollständig“ umgesetzt werden. Das Asylrecht soll „überprüft“ werden. Sozialrechtliche Standards sollen abgebaut werden, auch für die Ukrainer und Ukrainerinnen. Eine Arbeitspflicht soll eingeführt werden.

Was würde die Umsetzung dieser Forderungen zur Überwindung der Probleme der Kommunen helfen? Was hilft es gegen Fluchtursachen? Klimakollaps und Fluchtursachen sind zwei Seiten derselben Medaille. Das wollen viele noch nicht wahrhaben. Der altbekannte „Abschotten-Ablehnen-Abschieben“-Ansatz und das Sägen an menschenrechtlichen Standards wird bei den nächsten Wahlen vielleicht ein paar Leute, die zur AfD neigen, das Kreuzchen woanders machen lassen – ansonsten aber der AfD auf den Leim gehen.

Wir brauchen sachliche und pragmatische Maßnahmen für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Doch dazu hat der Landkreistag nichts zu bieten. Eine gleichzeitig veröffentlichte Studie zu diesem Thema, an der sogar Mitarbeiter des Kreises beteiligt waren, findet keine Erwähnung. Tenor der Studie: Die Kommunen können viel, wenn sie wollen. Zum Beispiel eine Beschäftigungsoffensive starten. Ein Abbau bestehender Arbeitsverbote würde dafür mehr helfen als eine Arbeitspflicht und das Infragestellen von Bleiberechtsgesetzen.

Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Massive Investitionen

Isabelle Groschke, Linke-Fraktion im Kreistag
Isabelle Groschke, Linke-Fraktion im Kreistag

Kreisecke unserer Kreisrätin Isabelle Groschke

Der Sozialbericht zur Pflege, welcher im Kreistag präsentiert wurde, verdeutlicht die Hilflosigkeit sämtlicher beteiligten Parteien. Niemand scheint wirklich die Verantwortung für diese gesellschaftliche Katastrophe übernehmen zu wollen. Seit der Einführung der Pflegeversicherung vor 30 Jahren hat sich die Situation kaum verbessert.

Die pflegenden Angehörigen sind die größte Pflegeeinrichtung in unserem Land. Über 5 Millionen Menschen kümmern sich um pflegebedürftige Familienmitglieder. Mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen leben zu Hause, da viele Menschen den Wunsch haben, im Alter und bei Pflegebedarf so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben.

Die Kurzzeitpflege ist sowohl für pflegende Angehörige als auch für Kliniken und Altenhilfeträger ein enormes Problem. In Krisenzeiten sind Kurzzeitpflegeplätze eine wichtige Entlastung für die Familien.

Leider gibt es zahlreiche Probleme bei der Kurzzeitpflege. Die Nachfrage steigt, aber es gibt zu wenige verfügbare Plätze im Land, und der Ausbau geht nur schleppend voran. Es ist nicht ungewöhnlich, dass erfolglos in bis zu 30 Einrichtungen nach einem Platz gesucht wird. Mehr erfahren

Dafür ein Kasten Bier

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Leserbrief unseres Kreisrats Andreas Linder am Donnerstag, 4. Mai 2023 im Schwäbischen Tagblatt

Boris Palmer hätte schon längst die nötigen Konsequenzen aus seinen immer wiederkehrenden rassistischen Äußerungen und seinen weit rechts stehenden Positionen zur Flüchtlingspolitik ziehen müssen.

Seit Jahren vergiftete er die Migrationsdebatte mit Stimmungsmache statt vernünftiger Politik und verunmöglichte auch in Tübingen einen guten Umgang mit Geflüchteten und Menschen anderer Hautfarbe.

Das jüngste Beispiel waren seine Äußerungen zu dem Tötungsdelikt an dem Gambier Basiru Jallow. In Querdenker-Manier haftete er sich jetzt in Frankfurt den Judenstern an, und siehe da, auf einmal scheint er selbst zu erkennen, dass er sich verrannt hat. Es ist gut, dass er sich jetzt eine „Auszeit“ (auch vom Amt und von Facebook?) nehmen will. Dass er diese aber damit begründet, dass er falsch auf „grob ungerechte“ Provokationen reagiert habe, verkennt, von wem die Provokationen ausgegangen sind.
Dabei haben Leitmedien und jetzt auch noch ein Uni-Institut mitgespielt, indem sie Palmer als Migrationsexperte gehandelt und immer wieder zu diesem Thema auf einen Thron gesetzt haben. Gut, dass sich der Asta in Frankfurt auf die Straße gestellt und protestiert hat. Dafür einen Kasten Bio-Bier!

Andreas Linder, Kreisrat

Graue Tonne, grüne Arroganz

Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag
Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag

Die Tübinger Müllabfuhr muss in öffentlicher Hand bleiben. Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Landkreis bei der Entsorgung hat sich bewährt. Wohin Privatisierung führt, sieht man an der zunehmenden Vermüllung der Gehwege mit nicht abgeholten gelben Säcken. Dafür sind im Dualen System private Anbieter verantwortlich, nicht der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises. Nach dem Willen der Grün geführten Stadtverwaltung wird die öffentlich-rechtliche Müllvereinbarung mit dem Landkreis zum 30. Juni gekündigt, aus „wirtschaftlichen Gründen“, wie es in der Vorlage heißt. Die Entscheidung soll im Mai fallen. Was die Stadtverwaltung plant, bedeutet Fremdvergabe und eine weitere Zerschlagung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dafür werden Selbstverständlichkeiten angeführt: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden älter und seien zuweilen krank; neue Investitionen in den veralteten Fuhrpark und die verrotteten Gebäude wären notwendig und, man lese und staune: in einer wachsenden Stadt bräuchte man zukünftig mehr Mülltonnen als bisher! Die arbeitnehmerfeindlichen Begründungen gehören eher in ein Schwarzbuch der Internationalen Arbeitsorganisation als in die Rathausvorlage einer mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Universitätsstadt.
Die Erfahrung lautet: mit Privaten wird die Abfallentsorgung auf Dauer teurer. Die Leute werden schlechter bezahlt. Und wenn der Gewinn nicht mehr stimmt, wird der Geschäftszweig durch die Unternehmen wieder eingestellt. Mangels Verlässlichkeit gab es an manchen Orten Rekommunalisierungen. Schon einmal, im Jahr 2010, wurde die Privatisierung der Müllabfuhr in Tübingen verhindert. Wir wenden uns auch jetzt dagegen, dass die zukünftigen Beschäftigten ihre harte Arbeit unter schlechteren Arbeitsbedingungen verrichten müssen. Keine Tarifflucht! Die Pläne der Stadtverwaltung sehen wir als Angriff auf den Flächentarifvertrag der Kommunen.
Auch bei Finanzierungsfragen zur Regionalstadtbahn Neckar-Alb sollte die Tübinger Rathausspitze langsam wieder herabsteigen vom hohen Ross der medialen Arroganz gegenüber den anderen Kreisgemeinden und den Fortgang des Gesamtprojektes nicht weiter gefährden. Tübingen profitiert mit elf Haltepunkten und mit einem Berufsverkehr, der sehr viel Gewerbesteuer in die Stadtkasse spült, am edelsten von den Zuschüssen zu diesem wichtigsten Verkehrsprojekt in der Region.

Reicht nicht

Leserbrief unseres Kreisrats Andreas Linder am Donnerstag, 6. April 2023 im Schwäbischen Tagblatt

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Mit einer starken Kundgebung haben sich die Betroffenen und viele Organisationen vom neuerlichen Facebook-Rassismus des OB Palmer nach dem Tötungsdelikt an Basiru Jallow distanziert. Und es gab es auch klare Positionierungen der Mehrheit des Gemeinderats und auch redaktionell im TAGBLATT.

Ja, richtig, Palmer ist ein Wiederholungstäter. Das hätte die Stadtgesellschaft aber auch schon vor der Wahl wissen können. Aber damals war Wegschauen angesagt. Gerade mal knapp 400 Leute machten mit ihrer Unterschrift öffentlich, dass sie Palmer wegen seinen rassistischen Eskapaden und seinen kruden Positionen zur Flüchtlingspolitik für nicht wählbar halten.

Es ist nicht das Problem, dass Palmer Probleme anspricht. Das Problem ist, wie er das macht und mit welchen Inhalten. Er glaubt offenbar, dass er damit verhindere, dass die Menschen „zur AfD gehen“. Durch seine Macht als grüner Medienstar ist er aber längst zum Sprachrohr der Rechten geworden und fällt seiner eigenen Partei in den Rücken. Bezüglich Jallow hat er sich nachträglich entschuldigt. Das reicht aber nicht. Er sollte jetzt genügend Anstand haben, um die Reißleine zu ziehen. Und sofort die Termine bei Lanz und Co. aus dem Kalender streichen!

Au weia

Leserbrief unseres Kreisrats Andreas Linder am Donnerstag, 23.02.2023 im Schwäbischen Tagblatt:

Falsch zitiert? Oder nicht wirklich die Wahrheit gesagt? In dem Artikel über die „Allgemeinverfügung“ mit der irreführenden Überschrift „Alle dürfen einfach bleiben“ wird eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde so zitiert: „Man kann jetzt Termine für Anfang März buchen.“

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Doch genau das ist nicht wahr. Seit ungefähr Ende Dezember können dort überhaupt keine Termine mehr gebucht werden, und zwar egal wofür. Das heißt: Die Ausländerbehörde ist offensichtlich nicht mehr arbeitsfähig. Vielen Menschen werden Rechte vorenthalten oder sie müssen bis zum Sankt Nimmerleinstag warten. Die Ausländerbehörde schafft es nicht mal mehr, sogenannte Fiktionsbescheinigungen auszustellen, und die Stadtspitze verkauft die deswegen erlassene „Allgemeinverfügung“ auch noch als Wohltat. Statt die ganzen Missstände und Probleme bei der Ausländerbehörde unter den Teppich zu kehren, sollten der OB und auch der Gemeinderat endlich handeln.

Doch statt sich darum zu kümmern, Minimalstandards bei der Ausländerbehörde zu schaffen und dem überlasteten Personal zu helfen, setzt sich der OB schon kurz nach der Wiederwahl wieder an den Stammtisch der Nation bei Markus Lanz und gründet eine grüne „Werteunion“. Au weia.

Die Jungen im Mittelpunkt?

Gisela Kehrer-Bleicher, Linke-Kreisrätin
Gisela Kehrer-Bleicher, Linke-Kreisrätin

Sie sind die Zukunft unserer Gesellschaft, aber wir lassen zu, dass sie am härtesten von Krisenfolgen getroffen werden. Mit der Corona-, Energiekrise und steigenden Preisen ist die soziale Ungleichheit rasant gewachsen. Rund 4,5 Millionen Kinder und junge Erwachsene sind durch Armut ausgegrenzt. Vesperkirchen, Tafeln und ehrenamtliche Hilfe können die Not nur punktuell lindern. Armut muss strukturell verhindert und zur politischen Priorität werden. In Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen für die Daseinsfürsorge der Bevölkerung sind. Bei wachsendem Hilfebedarf und steigenden Kosten geraten sie selbst in Schieflage. Personalmangel verschärft die Belastung der Beschäftigten und führt zum Abbau von Standards in Bildung und Jugendhilfe.

In Tübinger Kitas wurden Betreuungszeiten drastisch gekürzt. Der Jugendhilfeausschuss beschloss für den Kreis eine Erhöhung der Betreuungsvergütung für Tageseltern. Ein wichtiger Schritt, der aber nicht reicht. Unsere Fraktion unterstützt die Forderung der IG Tagespflege für weitere Erhöhungen. In der Jugendhilfe erfordert der dramatische Mangel an Plätzen für die Unterbringung und Betreuung weiteren Ausbau und gefährdet den Erhalt bisheriger Standards.

Krisenfolgen treffen auf kaputtgesparte Infrastruktur. Vermehrte psychische Leiden, fehlende Klinikplätze und Ärzte, seit Jahren absehbarer Lehrermangel durch ein unterfinanziertes Bildungssystem, notwendige Investitionen in Kitas, Schulen, Krankenhäusern treffen auf unzureichende Finanzausstattung von Kommunen und Kreisen.

Notwendig sind Umsteuern und Umverteilung von oben nach unten: Statt weitere Steuermilliarden zur „Rettung“ von Unternehmen und hunderte Milliarden für todbringende Waffen zu verbrennen, müssen die Krisengewinner bei den Energie- und Rüstungskonzernen endlich ihren Beitrag leisten. Die Dax-Unternehmen haben 2022 Rekordgewinne von 129 Milliarden Euro eingefahren. Wenn nur ein Teil davon durch Vermögens- und Übergewinnsteuer zurückgeholt wird, können Kommunen und Kreise ihren Beschäftigten ordentliche Löhne zahlen. Die Tarifforderungen von Verdi sind absolut berechtigt: Lohnerhöhungen von 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr, 200 Euro für Auszubildende. Damit kann der Öffentliche Dienst gestärkt und Personal gewonnen werden.