Redebeitrag zur Regionalbahn – Innenstadtstrecke

Gerlinde Strasdeit, Fraktionsvorsitzende im Gemeinderrat

Ich komme aus Karlsruhe und bin seit 1985 in Tübingen. Ich sage immer Karlsruh isch net Tübinga.
Da ischs flach und uff den Hausberg in Durlach fährt die Turmbergbahn. Des isch a Standseilbahn. Bei ner maximale Steigung von 36,2% und einer Strecke von 315 m.
Einige Contra- Argumente zur jetzigen Innenstadtstrecke (ich betone: nur darum geht es):

1. Abriss der jetzigen Neckarbrücke ohne Not. Wir halten es für unvorstellbar, dass die dann breitere Neckarbrücke gleichzeitig mit 2 Schienenstrecken, Busverkehr, vielen Fahrradfahrer*innen, vielen fahrradfahrenden Schüler*innen aus der Uhlandstraße, Fußgänger mit Kinderwagen, älteren Menschen mit Rollator und Menschen mit Rollstuhl ohne erhöhte Unfallgefahr nutzbar ist. Der barrierefreie Einstieg für Rollstuhlfahrer, Kinderwägen ist an den zwei Haupthaltestellen Neckarbrücke nur über den Mittelwagen möglich. Ist das „best practise“? Nein das ist Murx, sag ich.
Wir schätzen mit mindestens 5 Jahre Großbaustelle. Brückenabriss – gibt es eine Ersatzbrücke? Was machen die Fußgänger in der Übergangszeit? Wie kommen die Fußgänger u. Fahrradfahrer rüber über den Neckar? Die Läden auf dieser Strecke sind während und nach der Bauzeit dann tot.
Der meiste Verkehr läuft über Weststadt und Lustnau.

2. Es muss aufgehört werden mit dem Märchen, dass das Gesamtprojekt Regionalbahn mit der Tübinger Innenstadtstrecke steht und fällt.
Im Augenblick haben wir noch nicht einmal eine 100 Prozent sichere Finanzierung für das Modul 1. Erst im Juli 2018 wurde der Antrag vom Landesverkehrsminister weiter an die Bundesregierung gegeben. Die Module 1 und 2 sind dringend notwendige Elektrifizierung, Modernisierung und Ausbau der bestehenden Strecken.

3. Städteplanerisch setzt man auf eine Technik des letzten Jahrhunderts obwohl es Alternativen in vielen Städten schon gibt. Stichwort: Seilbahn / leichte Oberleitungsbusse / Schleifen für öffentliche Fahrzeuge. Ich höre sehr oft die Meinung, die Innenstadtstrecke passt nicht zu Tübingen und nicht in die heutige Zeit.

4. Argument der Befürworter: Das Umsteigen vom Auto auf ÖPNV nur wenn das umsteigefrei geht, z.B. von Urach bis zum UKT. Es gibt Studien, dass nicht die „Umsteigefreiheit“, sondern die Pünktlichkeit, die Zuverlässigkeit, die Taktung, der kurze Fußweg stimmen muss, dann wird z.B. auch eine Seilbahn angenommen.

5. Die Beschäftigten aus der Südstadt, die hoch zum Uniklinikum müssen, haben keinen Vorteil durch die Innenstadtstrecke, sondern im Gegenteil Nachteile und einen Umweg mit dem die Busfahrt zur CRONA länger dauert als bisher. Seit 2014 gibt es die Express X15 Linie, ein Bus in Spitzenzeiten vom Hauptbahnhof zu den Kliniken Berg+ BG Unfallklinik 7.00-8.30 u. 14.00-17.00 Uhr. Wird sehr gut angenommen.
Und: Busse sind leiser und kommen schneller zum Halten bei Unfallgefahr.
6. Wer mit der Ammertalbahn weiterfahren möchte z.B. nach Reutlingen und nicht zur Uniklinik, wird einen anderen Zug nehmen müssen, der durchfährt nach Reutlingen.

7. Die Lokführer müssen ihre Lok verlassen und auf das andere Ende wechseln. Wie wird mit Verspätungen der Züge umgegangen? Heute ist eine der Hauptkritiken an der Bahn die Unpünktlichkeit. Frage: Wie wirken sich in der Innenstadtstrecke verursachte Verspätungen aus? Durch Unfälle, Lieferverkehr, Reparaturen?

8.Das Argument der Befürworter „Busse sind an der Kapazitätsgrenze“ ist nicht stichhaltig. Es ist noch Platz für mehr Busse in der Mühlstraße. Es wäre aber auch möglich Expressbusse durch den Schlossbergtunnel und gegebenenfalls über den Hagellocher Weg fahren zu lassen.

9.Warum nicht über den Hagellocher Weg auf den Schnarrenberg? Wenn wir wie prognostiziert mit einer Ansiedelung von Brake Force One (BFO) und anderen Unternehmen hunderte neue Arbeitsplätze im Aischbach haben lohnt die Regiostadtbahnführung über die Weststadt.

10. Mein Eindruck: Die Forderung des Gemeinderats nach alternativen Planungen werden von den Befürwortern der Innenstadtstrecke nicht ernst genommen, werden blockiert und zeitlich hinausgezögert. Dringend wäre die Machbarkeitsstudie für den Bau einer Großkabinen-Standseilbahn zwischen Westbahnhof und CRONA-Kliniken und evtl. weiter hoch Richtung Obere Viehweide / WHO.

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