Gemeinderat

Diskussion um Bezahlkarte

Mittwochspalte im Schwäbischen Tagblatt unserer neu gewählten Gemeinderätin Sara da Piedade Gomes

Sara da Piedade Gomes, Gemeinderätin
Sara da Piedade Gomes, Gemeinderätin

Europa rückt nach rechts. Mikroaggressionen, Vorurteile und Rassismus nehmen zu, befeuert durch rassistische Gesetze. Das Bundesparlament hat der Bezahlkarte für Geflüchtete zugestimmt, nachdem es Geas verabschiedet hat – die größte Einschränkung des Asylrechts seit Jahrzehnten. Auch im Landkreis Tübingen wird über die Bezahlkarte diskutiert.

Die Bezahlkarte könnte bedeuten: keine Überweisungen, limitierte Bargeldabhebungen, Beschränkungen auf bestimmte Postleitzahlen und Ausschluss bestimmter Waren. Dies würde das Leben der Betroffenen drastisch einschränken. Alltägliche Dinge wie der Kauf einer Wasserflasche oder ein Handyvertrag wären nahezu unmöglich. Auch die Bezahlung rechtlicher Unterstützung könnte scheitern. Und warum sollten arme Menschen keine Überweisungen an ihre Familien im Ausland tätigen können?

In Zeiten knapper Haushaltskassen würde dies zudem mehr Steuergelder für sinnlose Verwaltungsaufgaben bedeuten. Diese Karte basiert auf Abschreckungspolitik, die die Anzahl der nach Deutschland fliehenden Menschen reduzieren soll. Es gibt jedoch keinerlei Evidenz dafür, dass Sozialleistungen ausschlaggebend dafür sind, wohin Menschen fliehen. Asylsuchende erhalten etwa 70 Prozent der üblichen Sozialleistungen, deutlich weniger als das Existenzminimum in Deutschland. Menschen mit einer noch prekäreren Lage abschrecken zu wollen, ist unmenschlich.

Die Bezahlkarte ist Symbolpolitik mit verheerenden Konsequenzen. Ich lehne sie ab, denn sie ist rassistischer Populismus! Wenn Politiker*innen eine Bezahlkarte einführen wollen, warum nicht eine Bezahlkarte für Superreiche, um sie daran zu hindern, uns jährlich 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung in Offshore-Konten zu stehlen? Die Ablenkung von den wahren Ursachen sozialer Ungerechtigkeit muss enden. Geflüchtete und Migrant*innen sind nicht für Armut verantwortlich. Die Verursacher sind Kapitalismus, Milliardäre und extreme Ungleichheiten. Es ist Zeit, den Fokus auf die wahren Ursachen zu richten, anstatt die Schwächsten in unserer Gesellschaft weiter zu marginalisieren und zu schikanieren.

Ein Hitzepol der Stadt

letzte Mittwochspalte unseres bisherigen Gemeinderats Wilhelm Bayer vom 19. Juni

Wilhelm Bayer
Wilhelm Bayer

Der neue Omnibusbahnhof ist fertig und in Betrieb. Durch die Verschiebung der Bahnsteige wurden Anlagenpark und -see ein ganzes Stück kleiner. Über die Fläche, auf der vorher Busbahnsteige waren, wurde bis zum Ergebnis einer Bürgerbeteiligung erst mal nur provisorisch entschieden. Dieses Provisorium hat einen schweren Makel: Es wird uns noch für Jahre erhalten bleiben, aber kein Quadratmeter der Fläche wird entsiegelt und Grün gibt es nur in ein paar Pflanzkübeln.

Die Bürgerbeteiligung zur Neugestaltung hat ein anderes Bild ergeben; eine klare Mehrheit will, dass der Platz entsiegelt und begrünt wird. Es gibt auch andere interessante Vorschläge, was auf der Fläche entstehen soll. Viele Ideen sind gut nachvollziehbar und wünschenswert. Alle haben aber einen entscheidenden Nachteil: Sie belasten das Klima. Und das nicht an irgendeiner Stelle, sondern gerade mitten in der Stadt an einem Brennpunkt, der durch Lärm und Abgase schon stark belastet ist. An einem Ort, der durch seine Funktion eine große, weitgehend schattenlose Verkehrsfläche sein muss, die sich im Sommer mächtig aufheizt.

Der verkleinerte Anlagenpark in der jetzigen Form kann da nur ungenügend Ausgleich schaffen, wir brauchen mehr Grün und Frischluft für die Stadt.

Dazu kommt, egal, ob eine Stadthalle, Wohn- oder gar Geschäftsräume gebaut werden, allein der Bau hinterlässt einen gewaltigen CO2-Fußabdruck. Auch mit Fassaden- und Dachbegrünung lässt sich dies nicht kompensieren, im Gegenteil solche Hausbegrünungen erfordern dauerhaft arbeitsintensive Pflege mit entsprechenden Folgekosten – nicht nur finanziellen, sondern wegen des Energieverbrauchs auch für die Umwelt. Und natürlich, wo bebaut wird, wird nicht entsiegelt. Die Starkregen der letzten Zeit zeigen, wie wichtig dies ist.

Noch ein Wort zum Vorschlag einer Wohnbebauung. Schwierig genug, Wohnungen in dieser Tag und Nacht durch Verkehr extrem belasteten Umgebung lebenswert zu gestalten. Aber wer könnte sich angesichts der Bau- und Grundstückspreise in dieser Lage die Miete einer solchen Wohnung leisten?

Wir haben hier die unwiederbringliche Chance, einen Hitzepol der Stadt klimawirksam zu gestalten. Das Jahr 2023 war das wärmste auf dem Planeten seit die globale Temperatur gemessen wird. Es ist höchste Zeit, etwas zu tun. Vor allem, wenn dies so problemlos möglich ist.

Deshalb auf dem alten ZOB: ein Park für alle – sonst nichts!

Antrag auf Machbarkeitsstudie

Antrag auf Machbarkeitsstudie für eine Parkfläche / Parkerweiterung auf dem Gelände des ehemaligen ZOB

13. Mai 2024

Wir beantragen eine Machbarkeitsstudie mehrerer Varianten in Auftrag zu geben, um die Möglichkeit eines Stadtparks mit vollständiger Entsiegelung, Begrünung und Bepflanzung der bisher asphaltierten Fläche des früheren ZOB (Europaplatz) darzustellen.

Die Varianten sollten Ideen wie urban forest, Stadtpanorama vom Bahnhof aus, Biodiversität, Aufenthaltserlebnis u.ä. aufzeigen.

 

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat
Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Begründung:
Das Areal des ehemaligen ZOB am Europaplatz ist mit seinen 6.000 qm eine städtebaulich enorm wichtige Freifläche. Die von der Stadt initiierte Bürgerbeteiligung hat klar einige wenige Favoriten der Bürgerschaft für die künftige Nutzung ergeben.

Die Umwandlung in eine bepflanzte Grünfläche bzw. eine Erweiterung des Anlagenparks erhielt dabei die meisten Unterstützungsstimmen. Während es für eine mögliche Bebauung des Areals bereits eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2012 gibt, ist die Option eines Parks bisher nicht entsprechend geprüft worden.

Mit Blick auf die Ende 2024 anstehende Entscheidung über die künftige Entwicklung der Fläche ist daher eine Machbarkeitsstudie für diese bei der Befragung der Bürgerschaft favorisierte Variante unerlässlich, um dem neu gewählten Gemeinderat eine fundierte Entscheidungsgrundlage zur Verfügung zu stellen.

Sie sollte folgende Aspekte zentral berücksichtigen:

  • Das Potenzial eines grünen Eingangstors zur Innenstadt sollte visualisiert und bewertet werden.
    Die Fläche war vor dem Bau des ZOB in den 1960ern Teil des städtebaulichen Gesamtkonzepts Anlagenpark und wurde bisher nie bebaut (siehe Stadtplan 1957 und historische Aufnahmen).
  • Die Verkleinerung des Anlagenparks: weniger Grünflächen, Baumbestand und Biodiversität im Zuge des ZOB-Neubaus – kann durch eine Parkerweiterung langfristig kompensiert werden.
  • Hinsichtlich der zu erwartenden starken Aufheizung des Gesamtareals Bahnhofsvorplatz / neuer ZOB / Europaplatz in den Sommermonaten und bisher fehlender Schattenflächen sollten die positiven Effekte von entsprechenden Gestaltungs- und Bepflanzungsvarianten eruiert werden, z.B. durch Vergleichsmessungen und Berücksichtigung einschlägiger Studien und Erfahrungen in anderen Städten.

Für die Fraktion

Gerlinde Strasdeit

Zusätzliche Ticketpreiserhöhung ist falsches Signal angesichts einer dringend benötigten sozialen und klimagerechten Verkehrswende

Frederico Elwing, Linke-Stadtrat
Frederico Elwing, Linke-Stadtrat

“Kurz- und mittelfristiges Ziel ist es, den ÖPNV durch eine deutliche Verbesserung des Angebots und spürbare Veränderungen im Tarif sowie zusätzliche innovative Elemente so attraktiv zu machen, dass er einen deutlichen Beitrag dazu liefern kann, den „Modal Split“ innerhalb der Universitätsstadt Tübingen weiter zugunsten des Umweltverbunds aus Fuß- und Radverkehren sowie dem ÖPNV zu verändern. Im Lichte der auf diesem Weg gemachten Erfahrungen und der dann zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Finanzierung, wird über die Einführung eines Nulltarifs in Tübingen zu entscheiden sein.”

So steht es im Klimaschutzprogramm der Stadt Tübingen. Wir unterstützen das weiterhin ausdrücklich.

Bei den Gelegenheitstickets gibt es seit dem Beschluss des Klimaschutzprogramms aber nur eine spürbare Veränderung: immer teurer, erst letzten Sommer wurden die Ticketpreise um 11,5% erhöht!

Deshalb waren wir positiv überrascht, als die Verwaltung 2022 eine Nullrunde vorgeschlagen hatte. Dem haben wir natürlich gerne zugestimmt.

Um so unverständlicher ist es für uns, mit welchen Begründungen die Verwaltung und fast alle anderen Fraktionen hier heute einer zusätzlichen Preiserhöhung zustimmen werden. Mehr erfahren

Wir sind keine Statisten

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat
Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Zu oft werden Berufstätige und Umweltaktive gegeneinander ausgespielt. Ich betone das Gemeinsame. Super, dass am letzten Freitag Klimabewegung und Gewerkschaft Verdi zusammen für eine soziale und klimagerechte Verkehrswende auf die Straße gingen! Wir unterstützen die Forderungen des Bündnisses „Tübingen fährt voraus!“, dem neben Fridays for Future und Verdi auch der Jugendgemeinderat angehört: Deutschland-Ticket zum Nulltarif für Schüler, Studierende, Azubis, Berechtigte der Kreisbonuscard und Rentner; Preissenkung auf 15 Euro für alle anderen. Es geht um attraktive Arbeitsbedingungen für das Buspersonal, höhere Löhne und bezahlte Pausen. Bustakt und Linienangebote dürfen nicht verschlechtert werden. Preiserhöhungen sind das falsche Signal. Landesverkehrsminister Winfried Hermann hat den Verkehrsverbund Stuttgart aufgefordert, die Teuerungen zu stoppen. Besser wäre, das Land würde den Verkehrsverbünden die Ausfälle ausgleichen, sofern die Ticketpreise stabil bleiben! Das wäre sozial und klimagerecht.

Auch bei Kitas und Schulen hakt es. Die Reduzierungen bei den Kitaöffnungszeiten müssen wieder weg, was heißt: mehr Erzieher ausbilden. Übermorgen ist Frauentag, da reden alle davon, dass Familie und Beruf vereinbar sein müssen. Dafür braucht es aber mehr und nicht weniger Ganztagesangebote.

Der Neubau der Köstlin-Grundschule, kombiniert mit dem Umbau der Musikschule, ist ein teures, aber notwendiges Projekt. Die Baumaßnahmen haben begonnen. Ich verstehe nicht, warum die integriert geplante Gymnastikhalle jetzt plötzlich aus der Verwaltung torpediert wird. Sollen Kinder einer zweizügigen Grundschule mit Ganztagskonzept ohne Sportunterricht auskommen und das in einem Schulbezirk, der wächst? Der Gemeinderat sollte an der Sporthalle festhalten. Wir sind keine Statisten, sondern Entscheidungsorgan der kommunalen Selbstverwaltung.

So hat der Gemeinderat letztes Jahr abgelehnt, das Straßenschild der sozialistischen Frauenrechtlerin Clara Zetkin mit einem Knotensymbol zu versehen und sie so auf eine Stufe zu stellen mit Naziverbrechern. Dafür wurde beschlossen, bei der Bismarckstraße einen Hinweis anzubringen, der die Schandtaten des „eisernen“ Reichskanzlers nicht verschweigt: Demokratiefeindlichkeit, Militarismus, koloniale Ausbeutung, Rassismus und Antisemitismus. Das Kulturamt hat den Ratsbeschluss bislang nicht umgesetzt.

Rede zur Abstimmung des Haushalts am 08.02.24

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat
Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Soehlke,
sehr geehrte Sozialbürgermeisterin Frau Dr. Schäfer-Vogel,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
liebe Bürger:innen!

Erstmal von unserer Seite ein Dankeschön an die Kämmerei – Frau Günthner und Frau Geiss – und auch Danke an Kollegin Asli Kücük und die AL/Grünen-Fraktionsgeschäftsführung Frau Vogler für die Organisation der interfraktionellen Haushaltsverhandlungen.

Bedanken möchte ich mich auch für die Stellungnahme des Personalrats zum Haushalt. Die Sicht der Beschäftigten in der Verwaltung, bei der Feuerwehr und im pädagogischen Bereich ist uns wichtig. Ich weiß wie wichtig gute Arbeitsbedingungen sind. Und wer dringend Fachkräfte sucht, muss wissen: die beste Werbung nach außen ist, wenn Beschäftigte sagen können, unser Laden läuft gut, es herrscht eine gute Arbeitsatmosphäre und ein fairer Umgang. Siehe auch das laufende Projekt Mitarbeitende finden und binden. Der Öffentliche Dienst darf nicht weiter an Anziehungskraft verlieren, sondern muss sich in der Krise als stabil erweisen. Deshalb sind wir Linken bei Tarifkämpfen solidarisch mit den Forderungen der Gewerkschaften.

Es ist schon bemerkenswert, dass gerade die LINKE bei den diesjährigen Haushaltsverhandlungen immer wieder davor gewarnt hat, dass die beschlossenen Ausgaben auch finanziert werden müssen. War uns doch in der Vergangenheit von anderen Fraktionen gerne vorgeworfen worden, wir würden Dinge beschließen wollen ohne Rücksicht, ob die Stadt sich dies auch leisten kann.

Offensichtlich haben sich die Verhältnisse verkehrt. Die Mehrheitsfraktionen in diesem Gemeinderat wollen einen Haushalt beschließen, der durch und durch unsolide ist und Gefahr läuft vom Regierungspräsidium nicht genehmigt zu werden. Im Gegensatz dazu hat die LINKE mit ihren Anträgen zum Haushalt im Saldo eine Entlastung in Höhe von 3,6 Mio. Euro vorgeschlagen. Wir wollten damit die finanziellen Spielräume behalten, um auf die großen Zukunftsaufgaben bezahlbares Wohnen und Klimaneutralität reagieren zu können.

Das Ärgerlichste ist aber, dieser Haushalt ist sozial unausgewogen und keineswegs zukunftsorientiert.

So wurde unser Antrag für mehr heilpädagogische Fachkräfte abgelehnt – notwendig für Kindern mit Inklusionsbedarf. Es gibt nicht genug freie Therapieplätze und Plätze im Schulkindergarten.
Auch innovative Ansätze und wichtige Zukunftsprojekte, welche die LINKE vorgeschlagen hat, wurden rundheraus abgelehnt.
Unser Antrag, ein Konzept mit fahrerlosen koppelbaren elektrischen Kleinbussen mit einem Forschungsauftrag zu erproben, wurde nicht einmal in Erwägung gezogen.
Für unseren Vorschlag zum ticketfreien TüBus, der endlich eine echte Verkehrswende einläuten und einen wirklichen Beitrag zum Klima leisten könnte, wurden keine Mittel zur Planung eingesetzt.

In Zeiten wie diesen, in denen Inflation und steigende Energiekosten bis in die Mittelschicht durchschlagen, ist es uns als LINKE besonders wichtig, die Menschen in Tübingen zu entlasten. Stichwort Mietnebenkosten.
Es ist eine Binsenweisheit, dass die Mieten in Tübingen für viele Menschen nicht mehr bezahlbar sind. Mieter müssen entlastet und die Mieten gedeckelt werden. Die Stadt könnte dazu beitragen, indem die Grundsteuer gesenkt wird. Denn die Grundsteuer wird in der Nebenkostenabrechnung 1:1 an die Mieter weitergereicht.

Sie trifft auch Eigentümer, die ihre Eigentumswohnung oder ihr „Häusle“ selber bewohnen und die Kredite dafür über Jahre abbezahlen müssen. Tübingen belegt einen Spitzenplatz beim Hebesatz zur Grundsteuer. Wir haben die Senkung des 2021 massiv angehobenen Hebesatzes zur Grundsteuer B von 660 auf immer noch hohe 610% gefordert. Das wurde abgelehnt. Das ist ein wesentlicher Punkt, warum wir dem Haushalt so nicht zustimmen werden.

Natürlich kostet dies Geld und wir wollen ja, dass die Stadt Tübingen finanziell handlungsfähig bleibt. Wir haben deshalb auch Anträge zu deutlichen Einsparungen gemacht. Und wir haben gefordert, den Hebesatz zur Gewerbesteuer, der im Vergleich zu anderen vergleichbaren Gemeinden extrem niedrig ist, moderat zu erhöhen. Auch dies wurde mit Hinweis, die Wirtschaft nicht zu sehr belasten zu wollen, abgelehnt.
In anderen vergleichbaren Kommunen scheint die Wirtschaft nicht so stark belastet zu sein, oder ist es vielmehr so, dass die Kommunen sich gegenseitig unterbieten, um ja noch mehr Gewerbe bei sich ansiedeln zu können. Tübingen sollte sich an diesem unsinnigen Rennen nicht beteiligen, Tübingen ist als Standort für Betriebe auch so attraktiv genug.

Für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen dagegen ist Tübingen inzwischen kaum noch zu bezahlen. Und hier liegt die soziale Schieflage dieses Haushalts: Es kann nicht sein, dass nur die „kleinen Leute“ für die Krise zahlen sollen.

Niedrige Steuersätze für Betriebe – hohe Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger, das passt uns nicht ! Mehr erfahren

Haushaltsrede im Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Soehlke,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Schäfer-Vogel,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
liebe Gäste!

Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat
Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat

Hört man die Stellungnahmen und Aussagen, insbesondere unseres OB zum Haushalt 2024, dann stehen uns finanziell schwierigste Zeiten bevor. Wir sehen dies durchaus, wir sehen aber auch, dass das, was aktuell als Krise verkauft wird, zum Teil selbstverschuldete Ursachen hat. Wir dürfen kommunal die Suppe auslöffeln, die uns Bund und Land eingebrockt haben. Mit dem notwendigen politischen Willen wären unsere Finanznöte sehr schnell zu beheben, ich sage nur als Stichwort „Reichensteuer“.

Aber natürlich wollen wir, dass die Stadt Tübingen finanzielle Spielräume behält für einige große kommunale Aufgaben, die in den kommenden Jahren anstehen. Unsere Änderungswünsche sehen gegenüber dem Haushaltsentwurf der Verwaltung deutliche Einsparungen vor. Wir vermeiden mit einigen Anträgen gezielt unsinnige Ausgaben, und wir schlagen vor den Hebesatz zur Gewerbesteuer, der im Vergleich zu anderen vergleichbaren Gemeinden sehr niedrig liegt, moderat zu erhöhen.

Bei den Ausgaben haben wir uns wie im vergangenen Jahr bewusst auf eine überschaubare Anzahl von Anträgen beschränkt. In den meisten Fällen geht es darum, die sinnvolle Weiterarbeit einiger Institutionen, Vereine oder Initiativen durch leicht erhöhte Zuschüsse oder bescheidene Stellenerweiterungen zu ermöglichen. Im Einzelnen

  • 50%-Stelle für Adis e.V.
  • Die Anlaufstelle für sexualisierte Gewalt soll etwas besser gestellt werden.
  • Förderung öffentlicher WLAN-Zugänge („Freifunk„).
  • Etwas mehr Geld fürs Masckara Theater.
  • Förderung des Schulabsentismusprojekts für alle Schularten.
  • Eine 50%-Schulkrankenschwester für die Hans-Küng-Gemeinschaftsschule.
  • KIT Jugendhilfe:
    • 50%-Verwaltungsstelle für Stadtteiltreffs NaSe und Brückenhaus
    • Personalanpassung mit 20% Aufstockung für K.I.O.S.K., so dass der gestiegene Bedarf gedeckt werden kann
  • Zuschussanpassung für den Drogenkontaktladen.
  • Prävention von Wohnungslosigkeit: Entfristung einer 50%-Stelle.
  • In der Verwaltung sind laut Personalvertretung 2 zusätzliche Stellen für die Personalverwaltung dringend erforderlich.

Ein wichtiger Bereich sind für uns die Kitas, die wir attraktiver machen wollen.
Deshalb wollen wir mehr Personal für den Heilpädagogischen Fachdienst.

 

Unser Augenmerk gilt auch einfachen Dingen, die den Alltag der Bürgerinnen und Bürger erschweren oder vereinfachen können. Wir wollen Fußgängern und Radfahrenden das Leben erleichtern und beantragen ein Programm zur Absenkung der Bordsteinübergänge an Straßen, Geh- und Fahrradwegen.

 

Insgesamt sehen unsere Anträge im Saldo Einsparungen von fast 3,6 Mio. € vor. Dies soll den notwendigen Spielraum für die wichtigsten Aufgaben der Zukunft schaffen.
Da liegen auch unsere politischen Schwerpunkte.

 

1. Wohnungspolitik
Aufgabe der nächsten Jahre ist der Erhalt und die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. Die Stadt muss selber Akteur sein und in diesem Bereich finanziell handlungsfähig sein.

Dass die Mieten in Tübingen für viele Menschen nicht mehr bezahlbar sind, ist inzwischen schon eine Binsenweisheit. Mieter müssen entlastet werden. Die Stadt kann dazu beitragen, indem die Grundsteuer gesenkt wird, die als Mietnebenkosten von den Mietern getragen werden muss. Sie trifft auch Eigentümer, die ihre Eigentumswohnung oder ihr „Häusle“ selber bewohnen und die Kredite dafür über Jahre abbezahlen müssen. Tübingen belegt einen Spitzenplatz beim Hebesatz zur Grundsteuer. Wir fordern die Senkung des Hebesatzes zur Grundsteuer B auf immer noch hohe 610%.

 

2. Klimaschutz im Verkehr
Um 2030 klimaneutral zu sein, bedarf es erheblicher zusätzlicher Anstrengungen. Ein ganz wesentlicher Bereich, in dem noch viel erreicht werden könnte, ist der Verkehr. Es funktioniert nicht, zu versuchen Autofahrer zu vergrämen. Wir müssen den Menschen ein Angebot machen, das ihnen ermöglicht ihre Wege einfach und sozialverträglich zu erledigen. Dazu gehört die Verlässlichkeit der ÖPNV. Und es muss einfach gehen: einsteigen und losfahren. Ohne Fahrschein lösen und Ticketautomaten bezwingen zu müssen. Wie gut das geht, sehen wir jeden Samstag.

Öffentlicher Nahverkehr ist Teil der Daseinsvorsorge. Machen wir den Bürgerinnen und Bürger endlich ein Angebot, das sie nicht ausschlagen können: ticketfreier TüBus jeden Tag! Klima und Umwelt werden es uns danken. Das Beste: eine Sozialmaßnahme ohne jede Bürokratie.

 

Für Tübingen als Stadt der Wissenschaft, mit einer Verwaltungsspitze, die großen Wert auf Ansiedlung innovativer Betriebe legt, scheint es geradezu unerlässlich auch beim ÖPNV auf innovative Konzepte zu setzen. Tübingen ist auf der Suche nach sinnvollen Alternativen zur abgelehnten Innenstadtstrecke. Wir sollten uns nicht verschließen auch in diesem Bereich innovative Konzepte in Erwägung zu ziehen, auch wenn sie derzeit noch nicht in jeder Hinsicht ausgereift sind. Sind sie einmal umsetzungsreif, wären sie durch die Feinerschließung vieler Ziele in der Stadt ein gewaltiger Schub für die Attraktivität des ÖPNV.
Wir stellen deshalb den Antrag ein solches Konzept mit fahrerlosen koppelbaren elektrischen Kleinbussen mit einem Forschungsauftrag zu erproben.

 

3. Die Bürger entlasten (Grundsteuer)
In Zeiten wie diesen, wenn Sozialleistungen gekürzt (Wohngeld, BAföG, Elterngeld), in denen die Inflation und steigende Energiekosten bis in die Mittelschicht durchschlägt, ist es uns als LINKE besonders wichtig, die Menschen in Tübingen zu entlasten.

Die Senkung der Grundsteuer und die Einführung des ticketfreien TüBus könnten auf kommunaler Ebene wichtige Beiträge zum sozialen Ausgleich sein. Das wäre unsere Antwort auf die Krise!

 

Wir hoffen, dass unsere Ideen auch bei den anderen Fraktionen Anklang finden, genauso wie wir gute Anträge anderer Fraktionen gerne unterstützen, so dass wir mit diesem Haushalt einen beherzten Schritt fürs Klima und die Menschen in Tübingen tun können.

Steuer für große Vermögen

Frederico Elwing, Linke-Stadtrat
Frederico Elwing, Linke-Stadtrat

Bei den letzten Haushaltsverhandlungen konnten wir erreichen, dass Deutschlandtickets für Tübinger:innen auf 34 Euro und – was uns besonders wichtig war – für Menschen mit Kreisbonuscard auf 15 Euro rabattiert werden. Leider wird letzteres erst zum März 2024 umgesetzt. Umso unverständlicher, dass diese einstimmig vom Gemeinderat beschlossene Ermäßigung für Menschen mit Kreisbonuscard in der letzten Gemeinderatssitzung von der FDP in Frage gestellt wurde. In der Begründung ihres Antrags wurden Menschen mit und ohne Erwerbsarbeit gegeneinander ausgespielt. Es wurde der Eindruck erweckt, wer die Ermäßigung bekomme, sei grundsätzlich nicht erwerbstätig.

Das ist falsch: Zum einen gibt es Bürgergeld-Beziehende, die arbeiten und aufstocken, zum anderen solche, die schlicht und einfach nicht arbeitsfähig sind. Mit der „Kreisbonuscard extra“ kommen zudem all jene Menschen hinzu, deren Einkommen bis zu 20 Prozent über dem Regelsatz für das Bürgergeld liegen. Ich finde es schäbig, dass die FDP im Gemeinderat und der OB auf Facebook (mittels einer Berechnung, das Jobcenter würde eine Miete von über 2 000 Euro übernehmen) eine Neiddebatte ausgerechnet gegen Menschen anfachen, die über nur sehr wenig Geld verfügen.

Anstatt auf diejenigen zu schauen, die wenig haben, sollten wir mal dorthin schauen, wo der Gesellschaft jedes Jahr hunderte Milliarden an Euro entgehen: Allein die sechs reichsten Milliardär:innen in Deutschland besitzen so viel wie die unteren 40 Prozent. Eine Vermögensteuer für große Vermögen von über 1 Million Euro brächte Einnahmen von über 100 Milliarden Euro pro Jahr. Außerdem verliert Deutschland Schätzungen zufolge jährlich rund 100 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch Steuerhinterziehung. Für die Kommunen braucht es dringend eine Verbesserung ihrer Finanzsituation: einen höheren Anteil am Steueraufkommen und die volle Übernahme der Kosten durch Bund und Länder für Aufgaben, die sie den Kommunen übertragen haben. Das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Bundeshaushalt hat gezeigt: für eine klimagerechte Verkehrswende und einen klimagerechten Umbau der Wirtschaft muss die sogenannte „Schuldenbremse“ abgeschafft werden. Wir brauchen eine Reform, die die nötigen Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur ermöglicht. So könnte 2024 ein besseres Jahr für das Klima und die Menschen werden.

Nicht bei Menschen mit wenig Geld sparen

Stellungnahme zum Deutschlandticket

Frederico Elwing, Linke-Stadtrat
Frederico Elwing, Linke-Stadtrat

Das Deutschlandticket Tübingen ist ein Erfolg, weil es deutlich günstiger als 49 € ist. Wir finden es bedauerlich, dass Bund und Land sich nicht auf einen günstigeren Preis verständigen konnten und dass es noch kein bundesweites Sozialticket gibt.

Die Rabattierung des Deutschlandtickets auf 34 € und die Rabattierung für Tübinger:innen mit Kreisbonuscard auf 15 € haben wir mit dem Haushalt 2023 einstimmig beschlossen. Und es ist echt bedauerlich, dass die Rabattierung für Menschen mit Kreisbonuscard erst zum März 2024 umgesetzt werden kann. Aber es ist gut und wichtig, dass wir es umsetzen.

Es wurde bereits gesagt, städtische Beschäftigte bekommen das Deutschlandticket für 14 €. Landesbeschäftigte und Landesbeamte bekommen das Deutschlandticket Tübingen als Jobticket sogar für 7,30 €. Da sind 15 € für Menschen mit Kreisbonuscard im Vergleich keinesfalls zu günstig.

Es ist auch falsch, den Eindruck zu erwecken, alle Bürgergeld-Beziehenden wären aus eigener Wahl nicht erwerbstätig. Erstens gibt es Aufstocker:innen, die arbeiten und dazu Bürgergeld beziehen und zweitens gibt es Bürgergeld-Beziehende, die (vorübergehend) nicht erwerbsfähig sind.

Wir als Linke wollen nicht bei Menschen mit wenig Geld und beim Klimaschutz sparen. Deshalb lehnen wir den Antrag der FDP ab und stimmen der Vorlage zu.

Stellungnahme Rahmenplan WHO

Redebeitrag unseres Stadtrats Frederico Elwing im Gemeinderat

Frederico Elwing, Linke-Stadtrat
Frederico Elwing, Linke-Stadtrat

Zunächst möchte ich mich ausdrücklich bedanken bei allen, die sich bisher so engagiert an der Erarbeitung und Diskussion des Rahmenplans WHO beteiligt haben, auch bei den Anwohner:innen, die sich zahlreich zu Wort gemeldet haben. Es ist gut, dass wir in Tübingen eine so diskussionsfreudige und engagierte Stadtgesellschaft haben. Leider waren manche Äußerungen oder Unmutsbekundungen einer sachlichen Auseinandersetzung nicht zuträglich. Da würde ich mir wünschen, dass solche Dinge im weiteren Prozess unterbleiben.

Es ist gut, dass es zum Rahmenplan eine breite Bürger:innenbeteiligung gab. Uns als Linke ist wichtig, dass die im Begleitkreis erarbeiteten Ergebnisse auch wirklich in die weiteren Planungen einfließen. Wir wünschen uns, dass auch Jugendliche und Kinder mehr in die weiteren Planungen gerade bei der Spiel-, Sport- und Freiflächengestaltung einbezogen werden.

Der Rahmenplan ist wichtig zur Erreichung der Ziele wie Schaffung bezahlbaren Wohnraums, Wohnraum für Studierende, die Neuordnung des Einkaufszentrums und dringend benötigtes Pflegewohnen.

Uns Linken ist am wichtigsten, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird. Deshalb finden wir es richtig, dass die Wohnungsbaugesellschaften auf ihren Grundstücken die Möglichkeit bekommen, neue bezahlbare Wohnungen zu bauen. Mehr erfahren

Antragsbegründung zu „Kein Knoten für Clara Zetkin“

Redebeitrag von Gerlinde Strasdeit, der Vorsitzenden der Gemeinderats-Fraktion der Tübinger Linken am Donnerstag, 26. Oktober 2023 im Gemeinderat:

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat
Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir haben ein heilloses Durcheinander bei den Knoten zu Straßennamen. Erst waren die Knoten gedacht als vorübergehende (!) Markierung von solchen Straßennamen, die geändert werden sollen. Dann wurden von der wissenschaftlichen Kommission mit Zustimmung der Verwaltung plötzlich Dauerknoten vergeben für solche Persönlichkeiten, die zwar unter der Rubrik „Demokratiefeindlichkeit und Justizverbrechen“ geführt wurden, deren Straßenname aber nicht geändert werden sollen. Dann wieder hieß es, die Knoten seien keine negative Markierung, sondern sollen lediglich historisch „ambivalente“ Persönlichkeiten bezeichnen. Und das könnten eigentlich viele oder alle sein. Unterm Strich bleiben jetzt wahrscheinlich Knoten für solche Nazis und Rassisten, deren Straßenumbenennung nicht durchsetzbar war.

Der aufklärerische Charakter von Knoten, der auch uns Linken grundsätzlich sympathisch erscheint, ist damit irgendwie verloren gegangen – ja inzwischen ist die Idee leider diskreditiert. Wir stimmen deshalb nicht gegen die Knotenidee, aber man muss an die Idee einen kritischen Knoten machen, zumal wir das Konzept im Kultur-Bildung- und Sozialausschuss oder im Gemeinderat noch nie entschieden haben. Mehr erfahren

Die Chance der Politik vor Ort

Mittwochspalte unserer Gemeinderätin Gitta Rosenkranz vom 25. Oktober 2023

Gitta Rosenkranz
Gitta Rosenkranz

Rechtspopulismus und Parteien am rechten Rand sind gesellschaftlich akzeptierter geworden. Das zeigen die Stimmengewinne der AfD bei den letzten Landtagswahlen und bei einigen Kommunalwahlen. Dies erfüllt uns mit tiefer Sorge und muss ernst genommen werden. Ein sogenannter Rechtsruck geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein schleichender Prozess. Die Konsequenzen daraus betreffen uns alle. Aktuell wird das Grundrecht auf Asyl zumindest in Frage gestellt, die Ursachen einiger Probleme, wie der Wohnungsmangel werden einer Gruppe von Menschen, nämlich den Geflüchteten zugeschrieben. Das ist nicht nur falsch, sondern versperrt auch den Blick auf die wirklichen Ursachen des Problems und damit die Chance auf politische Lösungen.

Der Mangel an bezahlbaren Wohnraum ist nicht neu. Das Wegfallen der Gemeinnützigkeit, die politische Akzeptanz Wohnraum als Spekulationsobjekt zu missbrauchen, der Verkauf von 22 000 Wohnungen durch das Land an einen Investor, um nur einige Gründe zu nennen.

Menschen brauchen politische Alternativen und gute Wege, damit Existenzängste reduziert werden und sie sich ernst genommen fühlen. Ein wichtiger Punkt in der Kommunalpolitik ist eine gute Daseinsfürsorge. Dazu gehört, dass die Menschen sich als Teil ihrer Stadt fühlen und partizipieren können. Armut zu reduzieren, durch Angebote wie die Kreisbonuscard sind hier ein wichtiges Instrument. Arbeit muss fair bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen müssen stimmen.

Deshalb keine Privatisierung von kommunalen Aufgaben in der Daseinsfürsorge wie Reinigungsdienste, Müllabfuhr etc. Menschen, die das Gefühl haben, fair behandelt zu werden, die Chance auf wirkliche Teilhabe zu bekommen, werden weniger den falschen und zum Teil menschenverachtenden Heilsversprechen rechter Parteien glauben. Die Kommunalpolitik hat eine große Chance, gute politische Wege gehen. Dazu gehört eine differenzierte Analyse der Probleme, Menschen in ihren Sorgen ernst nehmen und Alternativen aufzeigen. Vielleicht auch mal nicht gleich eine einfache Lösung parat haben, weil es die vielfach nicht gibt. Konkret heißt dies auch, Bündnisse einzugehen, um gemeinsam eine rechtspopulistische und diskriminierende Politik zu stoppen und keine Anbiederung an die Inhalte und Ziele der rechten Parteien.

Fragen zur Vergabe eines Knotens für Clara Zetkin

Ein Geschäftsordnungsantrag der Linke-Fraktion im Ausschuss für Kunst, Bildung und Kultur des Gemeinderats hat die erforderliche Zustimmung erreicht. Die Entscheidung über die Knotenvergabe wurde verwiesen an den Gemeinderat. Das heißt: Nicht der Fachausschuss hat über die „Knoten“ abgestimmt, sondern der Gemeinderat wird am 26. Oktober entscheiden. Im Ausschuss waren nach einem langen Vortrag der Verwaltung nur Fragen zugelassen. Hier die Fragen, die unsere Fraktionsvorsitzende Gerlinde Strasdeit im Ausschuss an die Verwaltung stellte.

Sehr geehrte Frau Dr. Harsch, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat
Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat
Ich habe drei Fragen. Vorab gestatten Sie mir den Hinweis: Wir Linken haben nichts gegen eine kritische Würdigung von Clara Zetkin. Wir verlangen von niemandem, nachträglich ihre politischen Positionen zu teilen. Aber wir protestieren dagegen, sie per Knotenvergabe auf eine Stufe mit Nazis und Rassisten zu heben.

Frage 1: Warum gibt es ein Riesendurcheinander bei den Kriterien für eine Knotenmarkierung? Über das Konzept „Dauerknoten“ wurde noch nie abgestimmt. Zuerst ging es um vorübergehende Kennzeichnungen für Straßennamen, die später vom Gemeinderat geändert werden sollten. Dann wurden daraus „haptische“ Dauerknoten für Persönlichkeiten mit widersprüchlicher Biographie. Dann wurden daraus Knoten für auserlesene Persönlichkeiten, die in der Tabelle der Kommission als Demokratiefeinde und Beteiligte an Verbrechen genannt sind. Inzwischen erhalten – außer Clara Zetkin – nur noch Demokratiefeinde, Antisemiten und Rassisten einen Knoten; darunter aktive Nazis wie Brennenstuhl, bei denen eine Straßenumbenennung nicht durchsetzbar war. Ich frage: Was hat dieses Vorgehen bitte mit aufklärerischer Absicht und Wirkung zu tun?

Frage 2: Bismarck: Warum scheute sich die Verwaltung, die Bismarckstraße mit einem Knoten zu versehen?
Dr. Grewe aus der Geschichtskommission hatte das auf unserer Veranstaltung im März auf Nachfrage befürwortet. Angesichts der Kritischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte, die derzeit mit Unterstützung des Auswärtigen Amts und der Außenministerin persönlich vorgenommen wird, müsste das diskutiert werden. Die Bismarckstraße ist eine der längsten in Tübingen. An Bismarcks Händen klebt Blut. Darin unterscheidet er sich von seiner Zeitgenossin und politischen Gegnerin Clara Zetkin. Die Liste der Demokratiefeindlichkeit ist lang: Niederschlagung der demokratischen Revolution, Verteidigung der Fürstenherrschaft, verantwortlich für kolonialistische Raubkriege und Verbrechen, Kanzler in Tradition des preußischen Militarismus, Eroberungskriege u.a. gegen Frankreich, Judenfeindlichkeit, Ablehnung des Parlamentarismus, Sozialistengesetze. Noch heute erheben Bismarck-Erben Rechtsansprüche auf Raubgüter aus der deutschen Kolonialzeit.

Frage 3: Sind Sie sich bewusst Frau Dr. Harsch, dass ein Knoten für Zetkin und ein politischer Freispruch für Bismarck eine skandalöse Verknüpfung wäre, die auch im benachbarten Frankreich aufstoßen würde? Clara Zetkin lebte und arbeitete als sozialdemokratische Emigrantin zeitweise in Paris und war engstens mit französischen Sozialisten befreundet. Bismarck trat in Frankreich 1871 als preußischer Kriegsherr und Eroberer auf.

Gerlinde Strasdeit (für die Linke-Fraktion im Tübinger Gemeinderat)

Gegen die Kennzeichnung der Clara-Zetkin-Straße mit einem „Knoten“

Entgegen dem Antrag der Stadtverwaltung plädiert die Gemeinderatsfraktion der Tübinger Linken gegen die Kennzeichnung der Clara-Zetkin-Straße in Lustnau mit einem sogenannten „Knoten“. Dieser soll auf problematische Aspekte im politischen Wirken einer Person hinweisen, nach der eine Straße benannt ist. Neben zahlreichen Unterstützern des NS-Regimes soll nun auf Antrag der Stadtverwaltung auch die Sozialistin und Feministin Clara Zetkin mit einem solchen Knoten gekennzeichnet werden.

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat
Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

„Während das Andenken an Bismarck weiterhin ohne Knoten in der Bismarckstraße möglich sein soll, werden mögliche Verfehlungen von Clara Zetkin während der Revolution, die überdies unter Historikern umstritten sind, in den Vordergrund gestellt. Entweder brauchen wir deutlich mehr Knoten auch für andere Personen der Geschichte, oder aber dieser Knoten ist unangemessen und stellt Zetkin in eine Reihe mit Nazis“, ärgert sich Gerlinde Strasdeit von der Gemeinderatsfraktion der Tübinger Linken.

Daher hat die Linke Gemeinderatsfraktion am 19. September einen Antrag an den Gemeinderat formuliert, wonach die Clara-Zetkin-Straße „keine Knoten-Markierung am Straßenschild“ erhalten soll. Für den Fall, dass dieser Antrag erfolglos bleibt, hat die Fraktion einen weiteren Antrag vorbereitet: „Die Bismarckstraße erhält zusätzlich einen Markierungs-Knoten“.

Dieser Antrag endet mit der Begründung „Wenn die Stadt Tübingen einerseits Clara Zetkin mit einem Negativ-Knoten in die Nähe von Nazi-Verbrechen rückt und andererseits Bismarck historisch „freispricht“, wäre das mit zweierlei Maß gemessen und insofern auch ein politischer Skandal.“

Der Antrag im Original:
Zwei Änderungsanträge zur Vorlage 226/2023 vom 05.09.2023 (PDF)