Fragen zur Vergabe eines Knotens für Clara Zetkin

Ein Geschäftsordnungsantrag der Linke-Fraktion im Ausschuss für Kunst, Bildung und Kultur des Gemeinderats hat die erforderliche Zustimmung erreicht. Die Entscheidung über die Knotenvergabe wurde verwiesen an den Gemeinderat. Das heißt: Nicht der Fachausschuss hat über die „Knoten“ abgestimmt, sondern der Gemeinderat wird am 26. Oktober entscheiden. Im Ausschuss waren nach einem langen Vortrag der Verwaltung nur Fragen zugelassen. Hier die Fragen, die unsere Fraktionsvorsitzende Gerlinde Strasdeit im Ausschuss an die Verwaltung stellte.

Sehr geehrte Frau Dr. Harsch, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Ich habe drei Fragen. Vorab gestatten Sie mir den Hinweis: Wir Linken haben nichts gegen eine kritische Würdigung von Clara Zetkin. Wir verlangen von niemandem, nachträglich ihre politischen Positionen zu teilen. Aber wir protestieren dagegen, sie per Knotenvergabe auf eine Stufe mit Nazis und Rassisten zu heben.

Frage 1: Warum gibt es ein Riesendurcheinander bei den Kriterien für eine Knotenmarkierung? Über das Konzept „Dauerknoten“ wurde noch nie abgestimmt. Zuerst ging es um vorübergehende Kennzeichnungen für Straßennamen, die später vom Gemeinderat geändert werden sollten. Dann wurden daraus „haptische“ Dauerknoten für Persönlichkeiten mit widersprüchlicher Biographie. Dann wurden daraus Knoten für auserlesene Persönlichkeiten, die in der Tabelle der Kommission als Demokratiefeinde und Beteiligte an Verbrechen genannt sind. Inzwischen erhalten – außer Clara Zetkin – nur noch Demokratiefeinde, Antisemiten und Rassisten einen Knoten; darunter aktive Nazis wie Brennenstuhl, bei denen eine Straßenumbenennung nicht durchsetzbar war. Ich frage: Was hat dieses Vorgehen bitte mit aufklärerischer Absicht und Wirkung zu tun?

Frage 2: Bismarck: Warum scheute sich die Verwaltung, die Bismarckstraße mit einem Knoten zu versehen?
Dr. Grewe aus der Geschichtskommission hatte das auf unserer Veranstaltung im März auf Nachfrage befürwortet. Angesichts der Kritischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte, die derzeit mit Unterstützung des Auswärtigen Amts und der Außenministerin persönlich vorgenommen wird, müsste das diskutiert werden. Die Bismarckstraße ist eine der längsten in Tübingen. An Bismarcks Händen klebt Blut. Darin unterscheidet er sich von seiner Zeitgenossin und politischen Gegnerin Clara Zetkin. Die Liste der Demokratiefeindlichkeit ist lang: Niederschlagung der demokratischen Revolution, Verteidigung der Fürstenherrschaft, verantwortlich für kolonialistische Raubkriege und Verbrechen, Kanzler in Tradition des preußischen Militarismus, Eroberungskriege u.a. gegen Frankreich, Judenfeindlichkeit, Ablehnung des Parlamentarismus, Sozialistengesetze. Noch heute erheben Bismarck-Erben Rechtsansprüche auf Raubgüter aus der deutschen Kolonialzeit.

Frage 3: Sind Sie sich bewusst Frau Dr. Harsch, dass ein Knoten für Zetkin und ein politischer Freispruch für Bismarck eine skandalöse Verknüpfung wäre, die auch im benachbarten Frankreich aufstoßen würde? Clara Zetkin lebte und arbeitete als sozialdemokratische Emigrantin zeitweise in Paris und war engstens mit französischen Sozialisten befreundet. Bismarck trat in Frankreich 1871 als preußischer Kriegsherr und Eroberer auf.

Gerlinde Strasdeit (für die Linke-Fraktion im Tübinger Gemeinderat)

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