Zur Resolution zum Schindhaubasistunnel

Gerlinde Strasdeit (Linke) zur Abstimmung über die Resolution zum Schindhaubasistunnel am 24. Juli 2023 im Tübinger Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Aktivistinnen und Aktivisten aus der Klimabewegung.

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Wir haben diese Resolution in unserer Fraktion ausführlich beraten, auch mit unseren Ortsbeirätinnen und mit Mitgliedern. Die Meinungen zu einem Stopp der Schindhautunnel-Planungen gehen auch bei uns auseinander und voraussichtlich werden wir nachher nicht einheitlich abstimmen.

Wir Linken teilen alle das Argument, dass man die Klimaziele nicht erfolgreich umsetzen wird, wenn wir immer neue Straßen und Tunnel bauen – statt eine Verkehrswende zu organisieren weg vom PKW-Verkehr. Deshalb unser voller Respekt für alle diejenigen, die eine Verkehrswende nicht nur in Sonntagsreden fordern, sondern auch bei konkreten Bauprojekten wie dem Schindhautunnel einklagen. Wir sagen aber auch: Wer die Mehrheit der Gesellschaft für diese Ziele gewinnen will, darf nicht bei den Ärmeren in der Gesellschaft die Kosten abladen und dazuhin noch den meisten Dreck des motorisierten Verkehrs.

In unserem Wahlprogramm 2019 haben wir uns ausdrücklich aus ökologischen und städtebaulichen Gründen erneut für den Bau des Schindhaubasistunnels ausgesprochen. Die Bürgerinitiative Südstadt hatte sich zuvor jahrelang und mit breiter Unterstützung der Bevölkerung für die Verkehrsentlastung der Menschen in der Südstadt eingesetzt. Eine zunächst vom Regierungspräsidium favorisierte offene vierspurige Trasse wurde abgelehnt, wegen Flächenverbrauch und Zerstörung des Waldgebiets.

  • Die jetzige B27-Trasse verläuft voll durch die Südstadt und direkt an der Gartenstadt entlang. Das sind hochverdichtete Stadtteile und mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Bewohnerinnen und Bewohnern mit sozialen Problemlagen. Diesen Leuten fühlen wir uns verpflichtet.
  • Den dort wohnenden Einwohner:innen sowie Einrichtungen wie Schulen, Kitas, Betrieben und Werkstätten wird seit Jahrzehnten eine Entlastung und Verkehrsberuhigung versprochen.
  • Zweimal täglich bis zu vier Stunden Stau am Morgen und am Abend in beiden Richtungen – das ist eine immense Belastung für die anwohnende Bevölkerung.
  • Lärm, Abgase, Reifenabrieb, Dreck, hohe Unfallgefahr in der Stuttgarter Straße. Die gesundheitlichen Belastungen insbesondere für Kinder werden schon seit Jahren thematisiert.
  • Eine mögliche Begrenzung auf Tempo 20 oder Pförtnerampeln schaffen selbstverständlich keine Erleichterung. Das ist keine Lösung, wenn die Autos sowieso ständig im Stau stehen oder nur noch im Stop & Go vorankommen.
  • Auch Elektro-Mobilität ist nicht per se umweltfreundlich, sondern verbraucht massiv Energie und löst die Probleme der Südstadt nicht.
  • Ohne Umgehungsangebot ist eine Verkehrsberuhigung mit Rückbaugestaltung oder gar die Schaffung autofreier Zonen in diesem Stadtteil nicht möglich; mit Umgehung wäre das sehr wohl möglich. Auch ein Teil des jetzigen innerstädtischen Ziel- und Quellverkehrs würde auf die neue Umgehung geleitet.
  • Die Umnutzung der jetzigen Betonpisten in der Südstadt und eine Teil-Renaturierung der Straßenflächen würde dazu beitragen, den gesamten Stadtteil ökologisch, sozial und verkehrlich aufzuwerten.  Diese Chance sollte man nicht leichtfertig verpassen. Das ist ein Umweltgesichtspunkt gegen diese Resolution.
  • Ein Umgehungsangebot ist auch klimapolitisch zu rechtfertigen. In eine qualifizierte CO2-Gesamtbilanz darf man nicht nur den Baubeton und die Emissionen des Tunnelbaus einrechnen. Das wäre nicht ehrlich.
  • Neue Straßen ziehen neuen Verkehr. Ja! Dieses Argument stimmt. Aber ein Teil des jetzigen Verkehrs auf der Bodenseeautobahn zwischen Rottweil und Großraum Stuttgart fährt derzeit lange unnötige Umwege – zum Beispiel in Richtung München. Auch diese jetzige Belastung gehört in eine Klimabilanz.
  • Die vorliegende Resolution beantwortet uns leider nicht die Frage: Was wären mögliche Alternativlösungen für die Südstadt, wenn wir auf den Tunnel verzichten? Allein der Hinweis auf die Regionalstadtbahn behebt das Problem nicht. Bis wir alle Strecken perfekt haben, dauert das auch noch 15-20 Jahre.
  • Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hingewiesen haben, dass nicht nur neue Straßen zu mehr Autoverkehr und mehr Klimabelastung beitragen, sondern auch neue Parkhäuser. Da kam von unseren Mitgliedern die Frage, warum ein relativ sinnvolles Straßenprojekt wie der Schindhautunnel zu solch einer Resolution führt – aber die neu entstandenen Beton-Parkhauswüsten in bester Höhenlage auf der Oberen Viehweide für Amazon & Co bislang nie Gegenstand einer solchen Resolution geworden sind.
  • Und: Warum gibt es keinen Aufschrei unseres OB bei Lanz, wenn hier in Tübingen mögliche Windräder verhindert werden sollen, damit Bundeswehrhubschrauber ihre klimaschädlichen Kriegsübungen veranstalten können? Das würden wir sofort befürworten.

Zusammenfassend möchte ich für uns zur Schindhau-Diskussion sagen. Die Argumente und Gründe für diese Resolution sind gewichtig. Aber die Gründe dafür, den Bau nicht weiter zu verzögern, sind es auch – und sie überwiegen.

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