Abfallwirtschaft muss in öffentlicher Hand bleiben

Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat

Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Qualität hat ihren Preis. Das gilt für Kleidung oder Lebensmittel, und natürlich ebenso für die Müllentsorgung. Die Tübinger Müllabfuhr funktioniert anerkanntermaßen ausgezeichnet. Sie ist ein Muster an Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Im Landkreis sieht dies anders aus, dort gibt es deutliche Defizite, wenn z.B. in der Vergangenheit Biotonnen tagelang stehen blieben.
Wer kann garantieren, dass wir bei privatisierter Müllabfuhr nicht irgendwann Verhältnisse wie jetzt beim gelben Sack haben werden, mit tagelang herumliegenden Müllbergen und z.T. aufgeplatzten Tüten. Oder Verhältnisse wie bei den überquellenden Glascontainern, neben denen sich Glas und Abfall türmen.

Dazu kommt, dass die Tübinger Müllabfuhr auch für weitere städtische Aufgaben eingesetzt werden kann: Meldung von Schäden, Einsatz bei Veranstaltungen, gegenseitige Aushilfe bei Krankheit, Unterstützung bei Katastrophenfällen.

Müllabfuhr ist eine öffentliche Aufgabe, wird als systemrelevant eingestuft, ebenso wie die Versorgung mit Strom und Wasser. Schon aus hygienischen und Gesundheitsgründen muss sie pünktlich und zuverlässig erfüllt werden.

Wir LINKE bekennen uns zur öffentlichen Daseinsfürsorge, dazu dass nicht nur das Allernotwendigste, sondern ein ordentlicher Service erbracht wird.
Nun haben wir das Problem, dass EU-Vorschriften und Rechtsprechung in neoliberaler Manier dafür gesorgt haben, dass immer weitere öffentliche Bereiche privatisiert werden sollen. Dies macht es für Landkreis und Kommunen schwierig, wichtige Bereiche der öffentlichen Versorgung als eigene Leistung durchzuführen. Dazu kommt ein schlecht formuliertes Landesgesetz, das eigentlich ermöglichen sollte, dass Kreise Aufgaben der Müllentsorgung an Kommunen abgeben können. Trotzdem wäre es durch den bestehenden Vertrag mit dem Landkreis für Tübingen möglich, die Müllabfuhr in eigener Regie weiterzuführen. Eigene Gebühren zu erheben, ist mit dem bestehenden Vertrag allerdings nicht möglich, d.h. höhere Kosten auf Grund besser Tarifregelungen können nicht einfach weitergegeben werden, sondern müssen durch Steuergelder ausgeglichen werden.

Ich bin überzeugt, den Tübinger Bürgerinnen und Bürgern ist ihre Müllabfuhr diese Kosten von 1 Euro pro Monat und Person wert. Egal, ob durch Steuern oder Gebühren, bezahlen werden am Ende doch die Tübinger Haushalte.
Die Tübinger LINKE wendet sich gegen die drohende Privatisierung der Müllabfuhr. Wir wollen die öffentlich-rechtliche Vereinbarung mit der Landkreis nicht kündigen, sondern auf einen möglichst langen Zeitraum verlängern, so dass notwendige Investitionen der Stadt geschützt sind. Das Risiko, dass eine längerfristige Vereinbarung angefochten würde, halten wir für denkbar gering. Ist der Vertrag aber gekündigt, gibt es kein zurück!

Wir schlagen vielmehr vor, den Vertrag mit dem Kreis weiter laufen zu lassen und in Ruhe weitere Möglichkeiten zu prüfen. Zumindest nach der Rechtsauffassung des Anwalts des DGB wäre auch ein neuer Vertrag mit dem Landkreis denkbar: § 25 des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit eröffnet die Möglichkeit einer Zweckvereinbarung, die nicht dem Vergaberecht unterliegt. Gemeinden und Landkreise können vereinbaren, dass eine der beteiligten Körperschaften bestimmte Aufgaben für alle Beteiligten erfüllt oder sich verpflichtet, bestimmte Aufgaben für die übrigen Beteiligten durchzuführen. Es kann auch vereinbart werden, dass eine Körperschaft den übrigen Beteiligten, Bedienstete zur Erfüllung und Durchführung ihrer Aufgaben zur Verfügung stellt. Es ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die Aufgabe der Müllentsorgung ganz oder teilweise auf die Stadt übergehen kann. Dies hätte für die Stadt den Vorteil, dass sie ggf. selbst eine Satzung erlässt, selbst die Gebühr kalkuliert und alle Kosten in diesem Zusammenhang im sog. Gebührenhaushalt geltend machen kann. Der Zuschuss aus dem allgemeinen Haushalt ist dann nicht mehr notwendig. In jedem Fall wird es sich lohnen, jenseits der juristischen Ebene, mit dem Kreis Möglichkeiten auszuloten und eventuell gemeinsam mit dem zuständigen Ministerium zu beraten.

Die beste Lösung wäre natürlich, wenn der Landkreis die Müllabfuhr wieder in eigener Regie durchführen würde, wir werden einen entsprechenden Antrag im Kreistag einbringen.

Wir wollen Arbeitsplätze bei der Kommune erhalten, Arbeitsplätze mit Tarifvertrag und ordentlichen Arbeitsbedingungen, für Menschen, die Steuern zahlen und damit öffentliche Aufgaben finanzieren, die mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen Renten und Krankenversicherung mittragen. Dies ist bei privaten Anbietern nicht gewährleistet. Nur zwei Firmen haben Haustarifverträge, mit wesentlich schlechteren Bedingungen als im öffentlichen Dienst. Viele Anbieter weigern sich einen Tarifvertrag abzuschließen. Prekäre Arbeitsplätze und Minijobs, daran zerbricht unser Sozialsystem. Wir setzen uns dafür ein, dass ein gesunder öffentlicher Sektor erhalten bleibt, der auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als stabilisierender Faktor wirkt.
Das alles sehen wir bei einem privaten Anbieter, wie z.B. ALBA mit offiziellem Firmensitz in Irland, nicht gewährleistet.

Und da wäre noch das Thema Klima. Kein privater Anbieter hat einen Betriebshof in Tübingen, d.h. täglich muss von außerhalb z.T. mehrfach nach Tübingen an- und abgefahren werden. Das würde Umwelt und Klima erheblich belasten, das sollten wir uns angesichts der hochgesteckten Klimaziele nicht leisten.

Mit eigenem Fuhrpark hätte die Stadt die Chance bald auf umweltfreundliche Elektrofahrzeuge umzustellen, bei Privaten ist dies weder zu erwarten, noch absehbar.

Die Kosten der Müllabfuhr sind gestiegen, aber das werden sie bei Privaten genauso.

Aus der Erfahrung anderer Kommunen wissen wir längst, dass die auf den ersten Blick vermeintlich günstigeren Angebote sich in der Praxis häufig als teurer erweisen, die Leistungen oft nicht vergleichbar sind.
Warum also Bewährtes des Geldes wegen aufgeben? Jede Leistung hat ihren Preis. Ob dieser über explizite Gebühren oder über Steuern erbracht wird, spielt eigentlich keine Rolle.

Was wir heute entscheiden, betrifft alle Tübinger Haushalte. Wenn man mit den Menschen dieser Stadt spricht, wird schnell klar: sie wollen ihre Müllabfuhr behalten, so wie sie ist. Ich zumindest habe bisher niemanden getroffen, der sich anders geäußert hätte. Mit Kundgebungen vor dem Rathaus, Leserbriefen und bei der Infoveranstaltung am Dienstag haben sie dies eindrucksvoll unterstrichen. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was gut für sie ist, wir sollten auf sie hören.

Diese Haltung hätte ich eigentlich von der Fraktion AL/Grüne erwartet, deren Ministerpräsident einst das Schlagwort der „Politik des Gehörtwerdens“ geprägt hat. Wenn ich an einige Entscheidungen der jüngeren Zeit denke, ist davon ja ohnehin nicht viel übrig geblieben.

Noch einmal: Qualität hat ihren Preis. Wer diesen nicht bereit ist zu zahlen, hat oft ein böses Erwachen. Um es mit Friedrich Schiller zu sagen „Der Wahn ist kurz, die Reue lang“ (Lied von der Glocke).

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