Haushaltsrede im Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Soehlke,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Schäfer-Vogel,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
liebe Gäste!

Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat

Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat

Hört man die Stellungnahmen und Aussagen, insbesondere unseres OB zum Haushalt 2024, dann stehen uns finanziell schwierigste Zeiten bevor. Wir sehen dies durchaus, wir sehen aber auch, dass das, was aktuell als Krise verkauft wird, zum Teil selbstverschuldete Ursachen hat. Wir dürfen kommunal die Suppe auslöffeln, die uns Bund und Land eingebrockt haben. Mit dem notwendigen politischen Willen wären unsere Finanznöte sehr schnell zu beheben, ich sage nur als Stichwort „Reichensteuer“.

Aber natürlich wollen wir, dass die Stadt Tübingen finanzielle Spielräume behält für einige große kommunale Aufgaben, die in den kommenden Jahren anstehen. Unsere Änderungswünsche sehen gegenüber dem Haushaltsentwurf der Verwaltung deutliche Einsparungen vor. Wir vermeiden mit einigen Anträgen gezielt unsinnige Ausgaben, und wir schlagen vor den Hebesatz zur Gewerbesteuer, der im Vergleich zu anderen vergleichbaren Gemeinden sehr niedrig liegt, moderat zu erhöhen.

Bei den Ausgaben haben wir uns wie im vergangenen Jahr bewusst auf eine überschaubare Anzahl von Anträgen beschränkt. In den meisten Fällen geht es darum, die sinnvolle Weiterarbeit einiger Institutionen, Vereine oder Initiativen durch leicht erhöhte Zuschüsse oder bescheidene Stellenerweiterungen zu ermöglichen. Im Einzelnen

  • 50%-Stelle für Adis e.V.
  • Die Anlaufstelle für sexualisierte Gewalt soll etwas besser gestellt werden.
  • Förderung öffentlicher WLAN-Zugänge („Freifunk„).
  • Etwas mehr Geld fürs Masckara Theater.
  • Förderung des Schulabsentismusprojekts für alle Schularten.
  • Eine 50%-Schulkrankenschwester für die Hans-Küng-Gemeinschaftsschule.
  • KIT Jugendhilfe:
    • 50%-Verwaltungsstelle für Stadtteiltreffs NaSe und Brückenhaus
    • Personalanpassung mit 20% Aufstockung für K.I.O.S.K., so dass der gestiegene Bedarf gedeckt werden kann
  • Zuschussanpassung für den Drogenkontaktladen.
  • Prävention von Wohnungslosigkeit: Entfristung einer 50%-Stelle.
  • In der Verwaltung sind laut Personalvertretung 2 zusätzliche Stellen für die Personalverwaltung dringend erforderlich.

Ein wichtiger Bereich sind für uns die Kitas, die wir attraktiver machen wollen.
Deshalb wollen wir mehr Personal für den Heilpädagogischen Fachdienst.

 

Unser Augenmerk gilt auch einfachen Dingen, die den Alltag der Bürgerinnen und Bürger erschweren oder vereinfachen können. Wir wollen Fußgängern und Radfahrenden das Leben erleichtern und beantragen ein Programm zur Absenkung der Bordsteinübergänge an Straßen, Geh- und Fahrradwegen.

 

Insgesamt sehen unsere Anträge im Saldo Einsparungen von fast 3,6 Mio. € vor. Dies soll den notwendigen Spielraum für die wichtigsten Aufgaben der Zukunft schaffen.
Da liegen auch unsere politischen Schwerpunkte.

 

1. Wohnungspolitik
Aufgabe der nächsten Jahre ist der Erhalt und die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums. Die Stadt muss selber Akteur sein und in diesem Bereich finanziell handlungsfähig sein.

Dass die Mieten in Tübingen für viele Menschen nicht mehr bezahlbar sind, ist inzwischen schon eine Binsenweisheit. Mieter müssen entlastet werden. Die Stadt kann dazu beitragen, indem die Grundsteuer gesenkt wird, die als Mietnebenkosten von den Mietern getragen werden muss. Sie trifft auch Eigentümer, die ihre Eigentumswohnung oder ihr „Häusle“ selber bewohnen und die Kredite dafür über Jahre abbezahlen müssen. Tübingen belegt einen Spitzenplatz beim Hebesatz zur Grundsteuer. Wir fordern die Senkung des Hebesatzes zur Grundsteuer B auf immer noch hohe 610%.

 

2. Klimaschutz im Verkehr
Um 2030 klimaneutral zu sein, bedarf es erheblicher zusätzlicher Anstrengungen. Ein ganz wesentlicher Bereich, in dem noch viel erreicht werden könnte, ist der Verkehr. Es funktioniert nicht, zu versuchen Autofahrer zu vergrämen. Wir müssen den Menschen ein Angebot machen, das ihnen ermöglicht ihre Wege einfach und sozialverträglich zu erledigen. Dazu gehört die Verlässlichkeit der ÖPNV. Und es muss einfach gehen: einsteigen und losfahren. Ohne Fahrschein lösen und Ticketautomaten bezwingen zu müssen. Wie gut das geht, sehen wir jeden Samstag.

Öffentlicher Nahverkehr ist Teil der Daseinsvorsorge. Machen wir den Bürgerinnen und Bürger endlich ein Angebot, das sie nicht ausschlagen können: ticketfreier TüBus jeden Tag! Klima und Umwelt werden es uns danken. Das Beste: eine Sozialmaßnahme ohne jede Bürokratie.

 

Für Tübingen als Stadt der Wissenschaft, mit einer Verwaltungsspitze, die großen Wert auf Ansiedlung innovativer Betriebe legt, scheint es geradezu unerlässlich auch beim ÖPNV auf innovative Konzepte zu setzen. Tübingen ist auf der Suche nach sinnvollen Alternativen zur abgelehnten Innenstadtstrecke. Wir sollten uns nicht verschließen auch in diesem Bereich innovative Konzepte in Erwägung zu ziehen, auch wenn sie derzeit noch nicht in jeder Hinsicht ausgereift sind. Sind sie einmal umsetzungsreif, wären sie durch die Feinerschließung vieler Ziele in der Stadt ein gewaltiger Schub für die Attraktivität des ÖPNV.
Wir stellen deshalb den Antrag ein solches Konzept mit fahrerlosen koppelbaren elektrischen Kleinbussen mit einem Forschungsauftrag zu erproben.

 

3. Die Bürger entlasten (Grundsteuer)
In Zeiten wie diesen, wenn Sozialleistungen gekürzt (Wohngeld, BAföG, Elterngeld), in denen die Inflation und steigende Energiekosten bis in die Mittelschicht durchschlägt, ist es uns als LINKE besonders wichtig, die Menschen in Tübingen zu entlasten.

Die Senkung der Grundsteuer und die Einführung des ticketfreien TüBus könnten auf kommunaler Ebene wichtige Beiträge zum sozialen Ausgleich sein. Das wäre unsere Antwort auf die Krise!

 

Wir hoffen, dass unsere Ideen auch bei den anderen Fraktionen Anklang finden, genauso wie wir gute Anträge anderer Fraktionen gerne unterstützen, so dass wir mit diesem Haushalt einen beherzten Schritt fürs Klima und die Menschen in Tübingen tun können.

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