Rede zur Abstimmung des Haushalts am 08.02.24

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Soehlke,
sehr geehrte Sozialbürgermeisterin Frau Dr. Schäfer-Vogel,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
liebe Bürger:innen!

Erstmal von unserer Seite ein Dankeschön an die Kämmerei – Frau Günthner und Frau Geiss – und auch Danke an Kollegin Asli Kücük und die AL/Grünen-Fraktionsgeschäftsführung Frau Vogler für die Organisation der interfraktionellen Haushaltsverhandlungen.

Bedanken möchte ich mich auch für die Stellungnahme des Personalrats zum Haushalt. Die Sicht der Beschäftigten in der Verwaltung, bei der Feuerwehr und im pädagogischen Bereich ist uns wichtig. Ich weiß wie wichtig gute Arbeitsbedingungen sind. Und wer dringend Fachkräfte sucht, muss wissen: die beste Werbung nach außen ist, wenn Beschäftigte sagen können, unser Laden läuft gut, es herrscht eine gute Arbeitsatmosphäre und ein fairer Umgang. Siehe auch das laufende Projekt Mitarbeitende finden und binden. Der Öffentliche Dienst darf nicht weiter an Anziehungskraft verlieren, sondern muss sich in der Krise als stabil erweisen. Deshalb sind wir Linken bei Tarifkämpfen solidarisch mit den Forderungen der Gewerkschaften.

Es ist schon bemerkenswert, dass gerade die LINKE bei den diesjährigen Haushaltsverhandlungen immer wieder davor gewarnt hat, dass die beschlossenen Ausgaben auch finanziert werden müssen. War uns doch in der Vergangenheit von anderen Fraktionen gerne vorgeworfen worden, wir würden Dinge beschließen wollen ohne Rücksicht, ob die Stadt sich dies auch leisten kann.

Offensichtlich haben sich die Verhältnisse verkehrt. Die Mehrheitsfraktionen in diesem Gemeinderat wollen einen Haushalt beschließen, der durch und durch unsolide ist und Gefahr läuft vom Regierungspräsidium nicht genehmigt zu werden. Im Gegensatz dazu hat die LINKE mit ihren Anträgen zum Haushalt im Saldo eine Entlastung in Höhe von 3,6 Mio. Euro vorgeschlagen. Wir wollten damit die finanziellen Spielräume behalten, um auf die großen Zukunftsaufgaben bezahlbares Wohnen und Klimaneutralität reagieren zu können.

Das Ärgerlichste ist aber, dieser Haushalt ist sozial unausgewogen und keineswegs zukunftsorientiert.

So wurde unser Antrag für mehr heilpädagogische Fachkräfte abgelehnt – notwendig für Kindern mit Inklusionsbedarf. Es gibt nicht genug freie Therapieplätze und Plätze im Schulkindergarten.
Auch innovative Ansätze und wichtige Zukunftsprojekte, welche die LINKE vorgeschlagen hat, wurden rundheraus abgelehnt.
Unser Antrag, ein Konzept mit fahrerlosen koppelbaren elektrischen Kleinbussen mit einem Forschungsauftrag zu erproben, wurde nicht einmal in Erwägung gezogen.
Für unseren Vorschlag zum ticketfreien TüBus, der endlich eine echte Verkehrswende einläuten und einen wirklichen Beitrag zum Klima leisten könnte, wurden keine Mittel zur Planung eingesetzt.

In Zeiten wie diesen, in denen Inflation und steigende Energiekosten bis in die Mittelschicht durchschlagen, ist es uns als LINKE besonders wichtig, die Menschen in Tübingen zu entlasten. Stichwort Mietnebenkosten.
Es ist eine Binsenweisheit, dass die Mieten in Tübingen für viele Menschen nicht mehr bezahlbar sind. Mieter müssen entlastet und die Mieten gedeckelt werden. Die Stadt könnte dazu beitragen, indem die Grundsteuer gesenkt wird. Denn die Grundsteuer wird in der Nebenkostenabrechnung 1:1 an die Mieter weitergereicht.

Sie trifft auch Eigentümer, die ihre Eigentumswohnung oder ihr „Häusle“ selber bewohnen und die Kredite dafür über Jahre abbezahlen müssen. Tübingen belegt einen Spitzenplatz beim Hebesatz zur Grundsteuer. Wir haben die Senkung des 2021 massiv angehobenen Hebesatzes zur Grundsteuer B von 660 auf immer noch hohe 610% gefordert. Das wurde abgelehnt. Das ist ein wesentlicher Punkt, warum wir dem Haushalt so nicht zustimmen werden.

Natürlich kostet dies Geld und wir wollen ja, dass die Stadt Tübingen finanziell handlungsfähig bleibt. Wir haben deshalb auch Anträge zu deutlichen Einsparungen gemacht. Und wir haben gefordert, den Hebesatz zur Gewerbesteuer, der im Vergleich zu anderen vergleichbaren Gemeinden extrem niedrig ist, moderat zu erhöhen. Auch dies wurde mit Hinweis, die Wirtschaft nicht zu sehr belasten zu wollen, abgelehnt.
In anderen vergleichbaren Kommunen scheint die Wirtschaft nicht so stark belastet zu sein, oder ist es vielmehr so, dass die Kommunen sich gegenseitig unterbieten, um ja noch mehr Gewerbe bei sich ansiedeln zu können. Tübingen sollte sich an diesem unsinnigen Rennen nicht beteiligen, Tübingen ist als Standort für Betriebe auch so attraktiv genug.

Für Menschen mit kleineren und mittleren Einkommen dagegen ist Tübingen inzwischen kaum noch zu bezahlen. Und hier liegt die soziale Schieflage dieses Haushalts: Es kann nicht sein, dass nur die „kleinen Leute“ für die Krise zahlen sollen.

Niedrige Steuersätze für Betriebe – hohe Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger, das passt uns nicht !


Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die kommunalen Spitzenverbände beschweren sich lauter denn je über die Finanzschwäche von Städten und Gemeinden.
Ja – die Kommunen sind überfordert. Diesen Protest unterstützen wir. Aber wir fragen uns, warum fordern der Städtetag und der Landkreistag nicht endlich lautstark, dass die Krisengewinne der Rüstungsunternehmen und Energiekonzerne abgeschöpft werden? Warum werden die großen Vermögen der Superreichen nicht besteuert? Warum häufen die 237 Milliardärsfamilien im Land weiter ihren Reichtum an und werden nicht angemessen besteuert? Warum schieben Sie – Herr Oberbürgermeister Palmer – in ihrer Neujahrsrede im Festsaal der Universität – da hab ich genau hingehört: die Schuld an der allgemeinen Misere und der Finanznot der Kommunen auf Geflüchtete und Bürgergeldberechtigte? Warum hacken Sie immer auf den Schwächsten rum? Warum sagen sie nicht, dass die Sozialausgaben im Land deshalb so massiv ansteigen, weil immer mehr abhängig Beschäftigte nicht von den zu niedrigen Löhnen leben können, nicht ohne Wohngeld zu beantragen ihre Miete bezahlen können und nicht die steigenden Lebensmittelpreise. Viele müssen aufstockende Leistungen beantragen – nicht weil sie faul in der Hängematte liegen, sondern weil ein Großteil der Unternehmen keine ordentlichen Tariflöhne zahlt. Und weil man vom Mindestlohn nicht leben kann. Sie schaffen neue Sündenböcke. Sie treten nach unten statt nach oben und das ist gefährlich und das ist Wasser auf die Mühlen der AfD.

Deshalb meine Bitte: regen Sie sich nicht darüber auf, dass das Bürgergeld um ein paar Euro steigt oder das Wohngeld erhöht wird oder die Tariflöhne an die Inflation angepasst werden. Setzen Sie sich besser dafür ein dass die Schere zwischen Arm und Reich im Land nicht immer weiter auseinanderklafft.

Wir stimmen dem Haushalt nicht zu.

Wir wollen einen Haushalt:

  • mit sozialen Entlastungen für die Menschen,
  • mit echten Beiträgen für Zukunftsaufgaben, für Klima und Umwelt,
  • solide finanziert, bei dem auch die Wirtschaft einen angemessenen Beitrag zum Gemeinwesen erbringt.

Ganz zum Schluss hab‘ ich noch eine Bitte an unsere neugewählte Sozialbürgermeisterin Frau Dr. Schäfer Vogel: Tübingen ist eine Universitätsstadt – bekannt für viele Exzellenzinitiativen. Aber Bildung fängt in der Kita an und da haben wir gerade einen Notstand. Das ist Ihnen bekannt. Nutzen Sie ihr Amt und nutzen Sie ihren Vertrauensvorschuss in der Stadt, um diesen Notstand zu beenden und eine Exzellenzinitiative zu starten für ausreichend Erziehungskräfte an den Kitas. Bei jedem Schritt in diese Richtung haben Sie unsere Unterstützung.
Danke!

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