Sparen am falschen Ende

Gerlinde Strasdeit, Fraktionsvorsitzende

Steuerflüchtlinge verschieben ungestört Hunderte Milliarden Euro in Steuer-Paradiese. In Schulen, Kitas und Pflegeheimen dagegen wird jeder Euro zweimal rumgedreht. Die Stadtverwaltung Tübingen denkt erstmals nach über einen Einstieg in die Gebührenfreiheit bei Kitas, aber leider noch ohne Konsequenzen. Eltern mit Niedrigeinkommen werden zukünftig bei der Gebührenstaffelung noch mehr belastet. Ein kommunales Übergangsmodell könnte sein: 25 Stunden pro Kind und Monat sind frei, zuerst werden Familien mit geringen und mittleren Einkommen begünstigt.

Die hohen Kitagebühren in Baden-Württemberg sind eine Art Elternsteuer auf die Vorschulerziehung. Jedes sechste Kind in Tübingen ist auf die Kindercard angewiesen. Bildung darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein. SPD und CDU haben mehrmals versprochen, die Kitagebühren schrittweise abzuschaffen. Nur die Grünen im Land halten eisern daran fest und verhindern ein gebührenfreies Kitajahr. Das Mindeste in Tübingen wäre, dass Kitas ausgenommen werden vom städtischen Einsparprogramm. Aber das steht nicht auf dem Zettel der Beraterfirma, die für Kostendämpfungsmaßnahmen 50.000 Euro kassiert.

Bei der neuen Gestaltung der Öffnungszeiten hätten wir den Gesamtelternbeirat mit seinen offenen Fragen gerne mehr zu Wort kommen lassen, deshalb haben wir einen Vertagungsantrag gestellt. Immerhin geht es für viele Familien und Alleinerziehende um die Vereinbarkeit von Kinder und Beruf. Was heißt, die Erzieherinnen sollen „effizienter“ eingesetzt werden? Mit dem angeblichen „Chillen von 7 Uhr bis 7.30 Uhr“ bis das erste Kind kommt, soll es vorbei sein, sagt OB Palmer. Fakt ist: die Beschäftigten werden noch mehr ausgepresst. Jetzt sollen sie auch noch Ansprechpartner sein für Ansprüche auf behördliche Sozialleistungen der Eltern. Wir hatten deshalb einen Initiativantrag zur Entlastung der Erzieherinnen eingebracht um mehr praxisintegrierte (PiA) Auszubildende zusätzlich in diesem Jahr einzustellen. In den Kitas müssen Hauswirtschaftskräfte für Essen, Wäsche waschen eingestellt werden, nicht erst ab zwei Ganztagesgruppen. Die seit 2009 gekürzten Verfügungszeiten müssen zurückgenommen werden.

Hier sind Städte, die keine Gebühren bzw. Ermäßigungen im Kitabereich machen aufgelistet (aus dem Internet – ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
In Wiesbaden kostet die Betreuung ab drei Jahren bis zur Einschulung für fünf Stunden ohne Mittagessen keine Gebühr, für eine Betreuung von höchstens neun Stunden am Tag werden 160 Euro fällig. In Rheinland-Pfalz haben alle Kinder vom zweiten Lebensjahr Anspruch auf einen kostenfreien Kitaplatz. In Hamburg ist eine fünfstündige Betreuung von der Geburt bis zur Einschulung beitragsfrei. Bayern gibt einen Zuschuss monatlich von 100 Euro für Kinder ein Jahr vor der Einschulung. Im reichen Baden-Württemberg grün-schwarz regiert, rührt sich nichts. Die Stadt Heilbronn ist einsame Spitze. Seit 2008 werden keine Gebühren verlangt. Geringverdiener mit einem Kind können in Städten wie Hanau, Kassel, Kaiserlautern, Trier, Ingolstadt, Würzburg, Stuttgart und Villingen-Schwenningen ganz kostenfrei in die Kita, mit zwei Kindern ist zudem auch in Oldenburg, Wilhelmshaven, Rostock, Schwerin, Chemnitz, Dresden, Karlsruhe und Fürth der Kindergartenplatz kostenlos.

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