Gewerkschaften, Bildungsverbände, Eltern- und Schülervertretungen fordern ein „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro gegen die Bildungsmisere an Kitas und Schulen. Enormer Personalmangel trifft dort auf ein unterfinanziertes und sozial ungerechtes Bildungssystem. Es gibt sechzehn Kultusbürokratien in Deutschland – aber kein funktionierendes Konzept, um genug Lehrkräfte und Erzieherinnen auszubilden. Die Kürzungen bei den Tübinger Kitazeiten zeigen das. Es ist gut, dass Eltern und Erzieherinnen das nicht hinnehmen, sondern gemeinsam Dampf in die Diskussion im Rathaus gebracht haben. Denn es braucht beides: Gute Arbeit und Klasse Kitas. Werbeaktionen für Erziehungsberufe sind wichtig; aber warum wartet die Verwaltung damit bis Herbst und warum überlässt man das einer hippen Werbeagentur namens „Kavallerie“ statt jetzt in die Abschlussklassen zu gehen? Kavallerie klingt mehr nach reitender Gebirgsmarine als nach Berufsausbildung. Als Mutter und Großmutter erlaube ich mir den Vorwurf: für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist die Situation ein Rückfall ins letzte Jahrtausend, besonders für Alleinerziehende.
Statt alle Hebel in Bewegung zu setzen, stigmatisiert die Verwaltung die sozialdemokratische und später kommunistische Frauenrechtlerin und Antifaschistin Clara Zetkin als Antidemokratin auf einer Liste mit Naziverbrechern. Die nach ihr benannte Straße soll einen „Dauerknoten“ erhalten. Ein Zeitgenosse Zetkins war Otto von Bismarck, ein erklärter Gegner des Parlamentarismus, Erfinder der Sozialistengesetze, Militarist, Antisemit und Kolonialherrscher. Noch heute streiten seine Erben um koloniale Beutestücke. Nach dem „eisernen Kanzler“ ist die längste Straße Tübingens benannt. Sie bleibt knotenfrei. Unsere französischen Freunde in Aix-en-Provence staunten nicht schlecht, als sie davon erfuhren.
Ein Wort in eigener Sache: Wenn es aus unserer Bundestagsfraktion heraus zu einer Ausgründung zur Europawahl kommt, hätte das auch kommunal für die Tübinger Linke zerstörerische Folgen. Davor warne ich. Ich bin keine „Lifestyle-Linke“ und habe mich seit 1999 im Gemeinderat immer zuerst für soziale Belange eingesetzt. Aber eine Abspaltung, die nichts mit Klimapolitik und Verkehrswende, nichts mit Feminismus, Antirassismus und humaner Flüchtlingspolitik zu tun haben will, wäre kein unterstützenswertes Angebot.