Wir dokumentieren den Redebeitrag unserer Kreisrätin Gisela Kehrer-Bleicher für die VVN-BdA Tübingen zur Kundgebung zum Prozessbeginn gegen den ehemaligen Kommandeur der Bundeswehreinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK) am 2.2.2024 um 8.30 Uhr vor dem Landgericht Tübingen.
Der ehemalige KSK-Kommandeut Markus Kreitmayr hatte 2021 Soldat*innen, die gestohlene Munition zurückgeben, Straffreiheit versprochen, wodurch eine Aufklärung der Munitionsdiebstähle im großen Stil beim KSK erschwert wurde.
Hintergrund ist, dass das KSK schon seit seiner Gründung 1996 immer wieder durch rechte Skandale auffällt. In letzter Zeit waren KSK-Soldaten immer wieder in Neonazi-Netzwerke verstrickt, die Waffendepots anlegten und die Ermordung politischer Gegner*innen planten (u.a. in das Hannibal-Netzwerk und die Reichsbürgertruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß).
Gleichzeitig wurde beim KSK im großen Stil Munition und Sprengstoff gestohlen. Bis heute sind beim KSK 12.000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Militärsprengstoff angeblich spurlos verschwunden. Wir befürchten, dass sich die Munition und der Sprengstoff in den Waffendepots von militanten Neonazis befinden – eine brandgefährliche Situation.
Das KSK muss aufgelöst werden. Neonazis müssen aus der Bundeswehr ausgeschlossen und konsequent entwaffnet werden.
Braune Kontinuität in der Bundeswehr – Redebeitrag bei der Kundgebung zum KSK-Prozess
Die Aufdeckung der Netzwerke von Neonazis in der Bundeswehr hat viele Menschen geschockt. Mit dem Blick auf die Geschichte allerdings nicht sehr überraschend, denn faschistische Ideologie und Tradition hatten Kontinuität und blieben auch in der Bundeswehr fest verwurzelt. Sie wurde von ehemaligen Nazi-Generälen geplant, aufgebaut und in den ersten Jahrzehnten auch geleitet.
Sofort nach Kriegsende begannen führende Generäle der Hitlerwehrmacht Pläne für die Remilitarisierung in Westdeutschland auszuarbeiten. NS-Zielsetzung und Strategie wurden übernommen und blieben somit unverändert gegen die Sowjetunion gerichtet. Rund 300 ehemalige Generäle und Chefs von Hitlers Generalstab werteten bis 1947 im Auftrag der USA ihre Kriegserfahrungen aus und nutzten dies für eigene Pläne zum Aufbau einer westdeutschen Armee.
Nach der Gründung der BRD wurden sie zu offiziellen Beratern der Regierung. Das sogenannte „Amt Blank“ wurde 1950 als getarntes Kriegsministerium geschaffen. Experten des faschistischen Generalstabs besetzten die Schlüsselrollen. Die Wehrmachtsgeneräle Speidel und Heusinger wurden zu Adenauers Generalstäblern. Mit der Aufnahme Westdeutschlands in die NATO 1955 wurden Gründung und Aufbau der Bundeswehr möglich und nach den Plänen der Hitlergeneräle umgesetzt. Sie strebten nach atomarer Verfügungsgewalt und nahmen entscheidenden Einfluss auf die Zielsetzung und strategische Planungen der NATO, so etwa die aggressive „Vorwärtsstrategie“, die den unmittelbaren Aufmarsch von NATO- und Bundeswehrtruppen direkt an den Staatsgrenzen zur DDR und CSSR vorsah, die Vorbereitung des „verdeckten Krieges“ und einen Atomminengürtel an den Ost-Grenzen.
Mit Hitlers ehemaligen Generälen standen Kriegsverbrecher an der Spitze der Bundeswehr. Der Generalstab hatte die Strategie des Blitzkriegs ausgearbeitet. Sie planten und organisierten Kriegsverbrechen, Völkermord und den Massenmord an Hunderttausenden Kriegsgefangenen. In engem Zusammenwirken mit der SS waren sie mit verantwortlich für millionenfache Morde an Zivilisten in ganz Europa.
Beispielhaft seien hier genannt: Heinz Trettner , hochdekorierter Nazi-Kriegsverbrecher. Er bombardierte als Staffelkapitän Guernica, befahl den barbarischen Bombenangriff auf Rotterdam während einer Waffenruhe. Seine Fallschirmjägerdivision hinterließ in Italien eine tote Zone zerstörter Dörfer und Städte, verheerende Zerstörungen in Florenz.
Trotzdem wurde er zum Generalinspekteur und Chef des Führungsstabes der Bundeswehr ernannt. Nach seinem Ruhestand 1966 trat er immer wieder mit Publikationen in rechten und völkischen Medien in Erscheinung, so noch 2005 in einem Aufruf des neurechten Instituts für Staatspolitik. Anlässlich der Wehrmachtsausstellung meldete er sich mit geschichtsrevisionistischen Äußerungen zu Wort:
„Es dürfte heute erwiesen sein, dass der Krieg gegen die Sowjetunion – anders als die Umerziehungspropaganda behauptet – in erster Linie ein nur schweren Herzens begonnener, aufgezwungener Präventivkrieg war.“
Hans Speidel Er war Leiter der Abteilung Fremde Heere West, verantwortlich für Vorbereitung und Durchführung des Überfalls auf Frankreich, Chef des Generalstabs beim Militärbefehlshaber in Frankreich und mitschuldig an barbarischen „Sühnemaßnahmen“ gegen die französische Zivilbevölkerung, an Deportationen von Tausenden Kommunisten und Juden. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion war er dort Hauptplaner und Vollstrecker der „Taktik verbrannte Erde“.
In der Bundesrepublik wurde er Leiter der „Abteilung Streitkräfte“ des Verteidigungsministeriums. Danach und bis 1964 Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa-Mitte. Nach seiner Pensionierung arbeitete er als Sonderberater der Bundesregierung in NATO-Fragen.
Adolf Heusinger war Chef der Operationsabteilung des Generalstabes des Oberkommandos des Heeres und stellvertretender Chef des Generalstabes des Heeres. Unter seiner Leitung wurden die Überfallspläne auf die Länder Europas ausgearbeitet und die Angriffsoperationen in vielen „Geheimen Kommandosachen“ bis ins Einzelne festgelegt. Er leitete Wehrmachtseinsätze gegen Zivilisten und „Vergeltungsmaßnahmen“ bei der Anwendung der „Taktik der verbrannten Erde“. 1944 verfasste er die „Denkschrift für den Endsieg“ und empfahl Hitler die Aufstellung des Volkssturms.
1952 wurde er Chef der Militärabteilung im Amt Blank, ab 1957 Erster Generalinspekteur der Bundeswehr und bis 1964 Vorsitzender des Ständigen Ausschusses der NATO in Washington (also wieder Generalstabschef).
Nach seiner Pensionierung ging er als militärischer Berater zur CDU/CSU.
Noch 1965 waren von allen 189 Generälen und Admiralen der Bundeswehr mehr als die Hälfte ehemalige Generalstabsoffiziere der Hitlerwehrmacht, auch alle übrigen waren zuvor Offiziere der faschistischen Wehrmacht gewesen.
Bei einer anonymen Befragung gab jeder 4.Soldat und jeder 2.Offizier an, Wähler der NPD zu sein.
Sie prägten Ausbildung und politische Einstellung der nachfolgenden Generationen in der Bundeswehr. Rechte Netzwerke in der Bundeswehr haben also eine lange Geschichte und ununterbrochene Tradition.
Gisela Kehrer-Bleicher, VVN-BdA Tübingen