Stellungnahme zur Situation in den Kitas

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Tübingen, 6.2.2023.

Stellungnahme zur Tübinger Situation in Kitas; Auswirkung des Fachkräftemangels auf die Öffnungszeiten der Kinderhäuser in städtischer Trägerschaft – Anpassung der reduzierten Öffnungszeiten

Vorlage 6c/2023 vom 26.1.2023

„Der Mangel ist hausgemacht. Wir unterstützen Eltern und Erzieher:innen“

Gerlinde Strasdeit

Gerlinde Strasdeit, Linke-Fraktion im Gemeinderat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Frau Mohr, sehr geehrter Herr Niewöhner, liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 12. Januar hatten wir im KuBiS diese Vorlage mit den weitreichenden Maßnahmen und Auswirkungen auf die Kinder und Familien in Tübingen!
Vielen Dank an die Eltern, die sich die Vorlage sehr gut angeschaut hatten und viele Fragen stellten! Wir fanden gut, dass auch der Dachverband der Kleinen Freien Kita-Träger sich eingemischt hat, da es um eine grundsätzliche Aufgabe von Land und Stadt Tübingen handelt und zwar: das Sicherstellen des Bildungsauftrags der Kinder U 3 und Ü 3.

Heute ist die 3. Eltern- und Kinderaktion innerhalb knapp 2 ½ Wochen und die Großveranstaltung zum Thema in der Hepperhalle war am letzten Freitag. Dass der Gesamtelternbeitrag innerhalb von vier Wochen eine Umfrage mit breiter Teilnahme hinbekommen hat, finden wir super. Auch dafür vielen Dank!

Wichtig auch, dass die Gleichstellungsbeauftragten des Uniklinikums und der Universität und zwar die der nichtwissenschaftlich und der wissenschaftlich Beschäftigten zusammen, – eine Stellungnahme geschickt haben. Ja, es geht bei vielen Beschäftigten um nicht weniger als die Vereinbarung von Familie und Beruf. Und wer ist am meisten benachteiligt beim Vergabeverfahren? Das sind Eltern bzw. Kinder mit Inklusionsbedarf.

Der Wegfall von Kinderbetreuungsmöglichkeiten muss wesentlich von Frauen kompensiert werden, mit Folgen: Minderung der späteren Altersversorgung bis hin zur Altersarmut. 70% der Frauen am UKT haben ihre Kinder bei städtischen Kitas. Alle reden von Fachkräftemangel in der Pflege. Die Einschränkungen in Kitas wirken sich direkt aus im Pflegebereich und bei anderen Jobs am UKT. Die Gleichstellungsziele an der Uni und am Uniklinikum können so nicht erreicht werden. In diesem Bereich ist Schluss mit der Exzellenzförderung!! Ganz wichtig – die Aussage in dem Brief – eine sichere und umfassende Kinderbetreuung ist systemrelevant! Das zeigen Untersuchungen zur Corona-Pandemie.

Die Kita am Uniklinikum hat insgesamt 147 Plätze, davon 30 Schulkinder und 47 U 3 Kinder, – das sage ich heute so deutlich, weil Anfang der 90er Jahre diese Kita hätte geschlossen werden sollen – damals um die 20 Plätze – und wir – die Belegschaft mit Personalrat und Gewerkschaft haben für ein Fortbestehen mit deutlicher Erweiterung gekämpft. Da von der Stadtspitze Frau Dr. Harsch – immer wieder Uni, Studentenwerk und UKT zusammengeworfen wurde, will ich das hiermit mal klarstellen.

Stichwort Bildungsauftrag:
Millionen Euro werden in Tü vom Land und von der Stadt jährlich für künstliche Intelligenz ausgegeben. Und die Förderung menschlicher Intelligenz bleibt seit Jahren auf der Strecke. Notstand bei Kitas und Schulen haben wir nicht erst seit Corona.
Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in den letzten Jahren in jedem Haushalt auf den Mangel hingewiesen haben. Herr Palmer hat in seinem letzten OB-Wahlkampf übertarifliche Leistungen für die Erzieher:innen versprochen! Die 100 Tage sind vorbei. Die Leistungen müssen jetzt auch kommen. Die Gewerkschaft fordert 10,5% Lohnerhöhungen für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, das ist als Inflationsausgleich dringend notwendig, denn alle, auch die Beschäftigten in der Müllabfuhr und in der Verwaltung, brauchen mehr und gute Löhne.

Immer wenn es um die Beschäftigten geht, die den Laden am Laufen halten – ist kein Geld da. Aber im Haushaltsentwurf stehen nur 3% und nichts von übertariflichen Leistungen.

Jetzt ist es an der Zeit, das Versprechen einzulösen. Wir unterstützen jeden kleinen Schritt der Verwaltung in diese Richtung.

Wir stehen hinter den Eltern, dem Gesamtelternbeirat, wir stehen auch hinter den Beschäftigten, dass die Belastungen runtergefahren werden. Das scheint in der jetzigen Notsituation als Widerspruch, ist aber keiner, weil die Politik insgesamt versagt hat!! Die Politik im Land, aber leider auch hier bei der Stadt Tübingen!

Den Erzieher:innen wurden 2010 die Verfügungszeiten von 9,5 auf 7,5 Stunden gekürzt. Dadurch wurden damals die Summe von 10 Stellen eingespart, wie verrückt war das? – darauf hatten wir auch hingewiesen. Das war eine Todsünde. Dass der Erzieherinnenbereich auch noch in das Kostendämpfungsprogramm mit Effizienzbegriff mit aufgenommen wurde, war der Gipfel dessen, was die Rathausspitze und die Mehrheit des Gemeinderats falsch gemacht haben.
Den Vorwurf kann ich Ihnen heute nicht ersparen.

Die letzten PiA Azubi-Stellen aus 2013 wurden erst 2016 umgesetzt. Schon 2016 war bekannt, dass in Ba-Wü 5000 Erzieher:innen fehlen!
2017 hatten wir im Juli einen Initiativantrag im Gemeinderat für Personalgewinnung und Personalbindung im Erzieherinnenbereich eingebracht.
Die Matthilde-Weber-Schule hatte noch 10 Plätze frei. Mit einer 20% Arbeitsmarktzulage und 20 € monatlichem Mobilitätszuschuss! Trotzdem: Nichts ging. Dafür waren keine Mehrheiten drin und es sei kein Geld da!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir können dieser Beschlussvorlage nicht zustimmen.

Die massive Kürzung der Öffnungszeiten ist faktisch das Ende der Ganztageskitas für die meisten Kinder und Eltern! Fast 60% aller Kita-Gruppen würden um 13.15 Uhr oder 14:30 Uhr schließen! Nur noch 30% der Gruppen hätten 8 Stunden pro Tag oder länger geöffnet.

Was die Stadtverwaltung hier umsetzen möchte, ist keine Lösung des Fachkräftemangels. Wir können nicht mittragen, dass die Öffnungszeiten so massiv, so drastisch gekürzt werden – auf dem Rücken der Eltern. Das bedeutet in der Regel auf dem Rücken der berufstätigen Mütter.

Die gekürzte Öffnungszeitenstruktur bedeutet, dass Mütter oder Väter ihre Arbeitszeiten kürzen müssen. Die Folge ist eine Verschärfung des Fachkräftemangels in allen Berufsfeldern und langfristig begünstigt das Altersarmut überwiegend der Mütter. Wir wollen kein Zurück in die 60er und 70er Jahre!

Nochmal: Im aktuellen Haushalt 23 werden „nur“ 3% Lohnerhöhung für die städtischen Beschäftigten eingestellt. – Die Gewerkschaft verdi kämpft aber aus genannten Gründen für 10,5%; d.h. für uns: der Kommunale Arbeitgeberverband im Land, leider auch bundesweit, hat noch nicht begriffen, wo es hingeht!! Sie Herr Oberbürgermeister sind öfters bundesweit unterwegs. Sie könnten mit ihrer Bekanntheit entsprechend öffentlichen Einfluss ausüben auf den kommunalen Arbeitgeberverband.

Aus all diesen Gründen können wir auch dem SPD–Ergänzungsantrag nicht zustimmen, obwohl dort richtige Forderungen drin sind, die von den Eltern kommen.

Wir, die Linke befürchten: – heute – sollen diese strukturellen Öffnungszeiten durchgesetzt werden. Das heisst: Das passiert. Und das war’s dann. Hier wird eine Lösung präsentiert, die real keine ist. Wir wollen den Druck erhöhen, dass endlich mehr ausgebildet – und mehr beworben – und mehr bezahlt wird. Die beste Werbung wäre es, die Verfügungszeiten wieder zu erhöhen.

Dafür braucht man keine Werbeagentur.

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