Archiv für Kreisecke

Landkreis für alle

Gisela Kehrer-Bleicher

Gisela Kehrer-Bleicher, Linke-Kreisrätin

Im Dezember wurde der Kreishaushalt 2024 auch mit unseren Stimmen beschlossen. Die Debatte stand schon im Zeichen der Sparbeschlüsse der Bundesregierung. Unser Antrag auf Einführung eines Kreissozialtickets und auf Senkung der Eigenanteile für die Schülerfahrten zur Entlastung der Familien fand leider keine Mehrheit. Eine Erhöhung der Kreisumlage wurde notwendig.

Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen schränkt die Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden ein. Der finanzielle Druck wird nach unten weitergereicht. Die Menschen vor Ort, die auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen sind, werden getroffen. Wie in Ammerbuch werden dann Ausgaben für Freibad, Musikschule und Bücherei gekürzt.

Im Kreistag streiten wir uns um wenige Prozentpunkte Kreisumlage zu Lasten von wichtigen Sozial- und Präventionsprojekten, während wir eine nie dagewesene Konzentration von großen Vermögen bei gleichzeitigen Steuerentlastungen erleben. Rekordausschüttungen an Aktionäre der deutschen Konzerne belaufen sich auf 60 Milliarden Euro. Der gleiche Betrag steht als Loch in der Kasse im Bundeshaushalt.

Die soziale Schieflage belastet nicht nur die einzelnen Bürger, sondern schlägt auch voll auf die Kommunen durch. Die Milliarden, die in Waffenlieferungen und in Aufrüstung fließen, fehlen im Sozialhaushalt. Statt „kriegstüchtig“ müssen wir „friedenstüchtig“ werden. Wir brauchen Sondervermögen für die Daseinsfürsorge und nicht für die Bundeswehr.

Weil die Inflation die Einkommen auffrisst, streiken aktuell nicht nur Gewerkschafter bei der DB. Bauern gehen gegen die vom Bund beschlossenen Kürzungen auf die Straße. Auch bei ihnen sind nicht alle gleichermaßen betroffen. Agrarflächen werden von Konzernen und Finanzinvestoren als Anlageobjekte aufgekauft. Schon lange werden die Kleinen und die Mittleren ruiniert, die großen Betriebe profitieren. Solidarität mit den Bauern ist angesagt.

Soziale Kälte und allgemeine Verunsicherung machen anfällig für rechte und demagogische Krisenlösungen. Nationalistische Ideologien schaffen vermeintliche Sündenböcke und lenken von den tatsächlichen Ursachen, der Kluft zwischen Arm und Reich ab. Wir dürfen uns nicht spalten lassen, Menschen mit und ohne deutschen Pass nicht gegeneinander ausspielen. Gerechte Sozialpolitik und Umverteilung von oben nach unten hilft gegen rechts.

Sondervermögen für alle!

Margrit Paal, Kreistagsfraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreisvorstands

Margrit Paal, Kreistagsfraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreisvorstands

Geld. In Zeiten der Inflation haben viele Menschen, nicht nur Arme, diese Sorgen: wie zahle ich die Miete, die Lebensmittel, dringend benötigte Kleidung oder das Busfahrticket für die Kinder?

Ähnlich zu geht es in der Haushaltsberatung des Kreistags : Was kann an „Freiwilligkeitsleistungen“ finanziert werden? Wir als Linke sehen jeden Euro in Sozialprojekte als richtig angelegt.

Wenn Ausgaben für soziale Daseinsfürsorge gekürzt werden sollen, wird häufig die „Ideologie der Leistung“ als große Erzählung bemüht. Warum sollen Menschen ohne Arbeit oder mit Niedriglohn, ohne Wohnung, ohne deutsche Staatsangehörigkeit etwas vom Staat bekommen – obwohl sie (gefühlt) nichts dafür tun?

Die richtige Frage ist: Warum werden wenige immer reicher und viele immer ärmer? Die Tafeln wurden zur Rettung von Lebensmitteln gegründet. Inzwischen sind sie eine Art Abteilung des Sozialministeriums – ohne sie wäre vielen das Überleben nicht möglich. Dabei soll nicht das ehrenamtliche Engagement kritisiert werden, aber eine Zivilgesellschaft kann nicht das Problem von Armut lösen.

Wir brauchen ganz dringend den großen Wurf zur Verbesserung der Lebenssituation von vielen. Nicht „Reförmchen“ von ein paar Euro mehr – mal fürs Wohngeld, mal fürs Bürgergeld, mal fürs Kindergeld. Es braucht einen Mietendeckel, Stabilisierung von Lebensmittelpreisen, eine starke Tarifbindung, Verbot von Niedriglöhnen. Der Lohn muss immer zum Leben reichen!

Unserem Staat gelingt es nicht bei unverschämt hohen Einzelvermögen und Großkonzernen eine gerechte Steuergesetzgebung durchzusetzen. Selbst bei Steuerbetrug wie Cum-Ex ist er zahnloser Tiger – ein politischer Bankrott!

Sozialausgaben werden in Zeiten knapper Kassen gerne gekürzt, das verschärft die Lebenssituation der Menschen, die darauf angewiesen sind. Für Ausgaben macht der Staat unter neuem Namen Schulden. Niemand fragt, woher das 100 Milliarden € „Sondervermögen“ für die Bundeswehr herkommt. Wir investieren in den Tod, nicht in das Leben.

Zum Glück gibt es das Fach „Staatsfinanzen“ nicht in der Schule. Wir würden verstehen, dass Geld da ist, wenn Geld da sein soll.

Diese destruktive Politik zermürbt die Menschen. Alle vier Jahre die Strafe an der Wahlurne anzukreuzen ist allerdings keine Lösung. Eine andere Welt und ein gutes Leben für alle sind möglich – dafür braucht es Hoffnung, und die kostet nichts.

Integration kann gelingen

Andreas-Linder

Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Im Kreistag berichteten Landrat Walter und Finanzdezernent Walz im April – nur mündlich – angesichts der hohen Flüchtlingszahlen über den aktuellen Stand bei der Unterbringung und Integration von Geflüchteten im Landkreis. Tenor: Die Situation ist angespannt, aber es gibt noch Plätze. Wir müssen keine Hallen belegen. Die haupt- und ehrenamtlich Tätigen haben viel zu tun, aber insgesamt läuft es gut und ja, „wir schaffen das“. Beifall vom gesamten Kreistag.

Wenige Wochen später stehen dann politische Maximalforderungen in einer Resolution und Pressekampagne des Landkreistags BW „zur Steuerung und Begrenzung der Fluchtmigration und zur finanziellen Unterstützung der Kommunen“. Dieses am 22. Juli veröffentlichte Papier sehen wir nicht als Sommerloch-Füllstoff, sondern als massives politisches Statement – dem deutlich widersprochen werden muss. Obwohl Landrat Walter in seiner Funktion als Landkreistagspräsident beteuert, dass „wir Landkreise zu unserer humanitären Verantwortung stehen“, sprechen die Forderungen eine andere Sprache. Die EU-Pläne zur verstärkten Abwehr an den Außengrenzen sollen „rasch und vollständig“ umgesetzt werden. Das Asylrecht soll „überprüft“ werden. Sozialrechtliche Standards sollen abgebaut werden, auch für die Ukrainer und Ukrainerinnen. Eine Arbeitspflicht soll eingeführt werden.

Was würde die Umsetzung dieser Forderungen zur Überwindung der Probleme der Kommunen helfen? Was hilft es gegen Fluchtursachen? Klimakollaps und Fluchtursachen sind zwei Seiten derselben Medaille. Das wollen viele noch nicht wahrhaben. Der altbekannte „Abschotten-Ablehnen-Abschieben“-Ansatz und das Sägen an menschenrechtlichen Standards wird bei den nächsten Wahlen vielleicht ein paar Leute, die zur AfD neigen, das Kreuzchen woanders machen lassen – ansonsten aber der AfD auf den Leim gehen.

Wir brauchen sachliche und pragmatische Maßnahmen für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Doch dazu hat der Landkreistag nichts zu bieten. Eine gleichzeitig veröffentlichte Studie zu diesem Thema, an der sogar Mitarbeiter des Kreises beteiligt waren, findet keine Erwähnung. Tenor der Studie: Die Kommunen können viel, wenn sie wollen. Zum Beispiel eine Beschäftigungsoffensive starten. Ein Abbau bestehender Arbeitsverbote würde dafür mehr helfen als eine Arbeitspflicht und das Infragestellen von Bleiberechtsgesetzen.

Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Massive Investitionen

Isabelle Groschke, Linke-Fraktion im Kreistag

Isabelle Groschke, Linke-Fraktion im Kreistag

Kreisecke unserer Kreisrätin Isabelle Groschke

Der Sozialbericht zur Pflege, welcher im Kreistag präsentiert wurde, verdeutlicht die Hilflosigkeit sämtlicher beteiligten Parteien. Niemand scheint wirklich die Verantwortung für diese gesellschaftliche Katastrophe übernehmen zu wollen. Seit der Einführung der Pflegeversicherung vor 30 Jahren hat sich die Situation kaum verbessert.

Die pflegenden Angehörigen sind die größte Pflegeeinrichtung in unserem Land. Über 5 Millionen Menschen kümmern sich um pflegebedürftige Familienmitglieder. Mehr als 80 Prozent der Pflegebedürftigen leben zu Hause, da viele Menschen den Wunsch haben, im Alter und bei Pflegebedarf so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu bleiben.

Die Kurzzeitpflege ist sowohl für pflegende Angehörige als auch für Kliniken und Altenhilfeträger ein enormes Problem. In Krisenzeiten sind Kurzzeitpflegeplätze eine wichtige Entlastung für die Familien.

Leider gibt es zahlreiche Probleme bei der Kurzzeitpflege. Die Nachfrage steigt, aber es gibt zu wenige verfügbare Plätze im Land, und der Ausbau geht nur schleppend voran. Es ist nicht ungewöhnlich, dass erfolglos in bis zu 30 Einrichtungen nach einem Platz gesucht wird. Weiterlesen

Graue Tonne, grüne Arroganz

Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag

Bernhard Strasdeit, Linke-Fraktion im Kreistag

Die Tübinger Müllabfuhr muss in öffentlicher Hand bleiben. Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Landkreis bei der Entsorgung hat sich bewährt. Wohin Privatisierung führt, sieht man an der zunehmenden Vermüllung der Gehwege mit nicht abgeholten gelben Säcken. Dafür sind im Dualen System private Anbieter verantwortlich, nicht der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises. Nach dem Willen der Grün geführten Stadtverwaltung wird die öffentlich-rechtliche Müllvereinbarung mit dem Landkreis zum 30. Juni gekündigt, aus „wirtschaftlichen Gründen“, wie es in der Vorlage heißt. Die Entscheidung soll im Mai fallen. Was die Stadtverwaltung plant, bedeutet Fremdvergabe und eine weitere Zerschlagung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dafür werden Selbstverständlichkeiten angeführt: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden älter und seien zuweilen krank; neue Investitionen in den veralteten Fuhrpark und die verrotteten Gebäude wären notwendig und, man lese und staune: in einer wachsenden Stadt bräuchte man zukünftig mehr Mülltonnen als bisher! Die arbeitnehmerfeindlichen Begründungen gehören eher in ein Schwarzbuch der Internationalen Arbeitsorganisation als in die Rathausvorlage einer mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Universitätsstadt.
Die Erfahrung lautet: mit Privaten wird die Abfallentsorgung auf Dauer teurer. Die Leute werden schlechter bezahlt. Und wenn der Gewinn nicht mehr stimmt, wird der Geschäftszweig durch die Unternehmen wieder eingestellt. Mangels Verlässlichkeit gab es an manchen Orten Rekommunalisierungen. Schon einmal, im Jahr 2010, wurde die Privatisierung der Müllabfuhr in Tübingen verhindert. Wir wenden uns auch jetzt dagegen, dass die zukünftigen Beschäftigten ihre harte Arbeit unter schlechteren Arbeitsbedingungen verrichten müssen. Keine Tarifflucht! Die Pläne der Stadtverwaltung sehen wir als Angriff auf den Flächentarifvertrag der Kommunen.
Auch bei Finanzierungsfragen zur Regionalstadtbahn Neckar-Alb sollte die Tübinger Rathausspitze langsam wieder herabsteigen vom hohen Ross der medialen Arroganz gegenüber den anderen Kreisgemeinden und den Fortgang des Gesamtprojektes nicht weiter gefährden. Tübingen profitiert mit elf Haltepunkten und mit einem Berufsverkehr, der sehr viel Gewerbesteuer in die Stadtkasse spült, am edelsten von den Zuschüssen zu diesem wichtigsten Verkehrsprojekt in der Region.

Die Jungen im Mittelpunkt?

Gisela Kehrer-Bleicher, Linke-Kreisrätin

Gisela Kehrer-Bleicher, Linke-Kreisrätin

Sie sind die Zukunft unserer Gesellschaft, aber wir lassen zu, dass sie am härtesten von Krisenfolgen getroffen werden. Mit der Corona-, Energiekrise und steigenden Preisen ist die soziale Ungleichheit rasant gewachsen. Rund 4,5 Millionen Kinder und junge Erwachsene sind durch Armut ausgegrenzt. Vesperkirchen, Tafeln und ehrenamtliche Hilfe können die Not nur punktuell lindern. Armut muss strukturell verhindert und zur politischen Priorität werden. In Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen für die Daseinsfürsorge der Bevölkerung sind. Bei wachsendem Hilfebedarf und steigenden Kosten geraten sie selbst in Schieflage. Personalmangel verschärft die Belastung der Beschäftigten und führt zum Abbau von Standards in Bildung und Jugendhilfe.

In Tübinger Kitas wurden Betreuungszeiten drastisch gekürzt. Der Jugendhilfeausschuss beschloss für den Kreis eine Erhöhung der Betreuungsvergütung für Tageseltern. Ein wichtiger Schritt, der aber nicht reicht. Unsere Fraktion unterstützt die Forderung der IG Tagespflege für weitere Erhöhungen. In der Jugendhilfe erfordert der dramatische Mangel an Plätzen für die Unterbringung und Betreuung weiteren Ausbau und gefährdet den Erhalt bisheriger Standards.

Krisenfolgen treffen auf kaputtgesparte Infrastruktur. Vermehrte psychische Leiden, fehlende Klinikplätze und Ärzte, seit Jahren absehbarer Lehrermangel durch ein unterfinanziertes Bildungssystem, notwendige Investitionen in Kitas, Schulen, Krankenhäusern treffen auf unzureichende Finanzausstattung von Kommunen und Kreisen.

Notwendig sind Umsteuern und Umverteilung von oben nach unten: Statt weitere Steuermilliarden zur „Rettung“ von Unternehmen und hunderte Milliarden für todbringende Waffen zu verbrennen, müssen die Krisengewinner bei den Energie- und Rüstungskonzernen endlich ihren Beitrag leisten. Die Dax-Unternehmen haben 2022 Rekordgewinne von 129 Milliarden Euro eingefahren. Wenn nur ein Teil davon durch Vermögens- und Übergewinnsteuer zurückgeholt wird, können Kommunen und Kreise ihren Beschäftigten ordentliche Löhne zahlen. Die Tarifforderungen von Verdi sind absolut berechtigt: Lohnerhöhungen von 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr, 200 Euro für Auszubildende. Damit kann der Öffentliche Dienst gestärkt und Personal gewonnen werden.

Teilen statt Herrschen

Margrit Paal, Fraktionsvorsitzende im Kreistag

Margrit Paal, Fraktionsvorsitzende im Kreistag

Mir gäbbet nix – sonst muss die kommunale Familie Flöte auf dem Marktplatz spielen, um finanziell über die Runden zu kommen! Die Freien Wähler waren bei der Haushaltsberatung in Endzeitstimmung. Die Kreisumlage wurde wie der Ring des Golum gehegt und gepflegt.
Anträge der Tübinger Linken wurden links liegen gelassen. Kein Notfalltopf für Energieschulden, kein Schülerticket für 20 Euro, nix Zuschuss für das Mensaessen in den Berufsschulen. Laut SPD ist die Essensqualität zu schlecht, um sie als Kreistag zu fördern. So isch’s recht, die Azubis sollen das schlechte Essen ruhig selber zahlen! Dafür bleibt uns die grüne Energieberatung für arme Menschen erspart: woran sollen sie denn noch sparen? Besser als ein „Beratungsangebot“ wäre, das Wohnen im Passivhaus zum Standard für alle zu machen und im Bedarfsfall den dringend benötigten Kühlschrank direkt zu finanzieren.
2007 auf dem Finanzmarkt eingeläutet ist der Krisenmodus Dauerzustand: Eurokrise, Flüchtlingskrise, Klimakrise, Coronakrise und nun Krieg und Energiekrise. Die politischen Rezepte dagegen sind die Gleichen: den Gürtel enger schnallen, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, anderen geht es viel schlechter und neuerdings modern „Verzicht ist gelebte Solidarität“. Aber Achtung: hier gilt das Matthäus-Prinzip „Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat.“ Zwar gibt es einen Flickenteppich von Sozialleistungen, aber auch daran verdienen so manche: das Wohngeld subventioniert hohe Mieten und das „Aufstocken“ subventioniert Niedriglöhne. Das sind kapitalistische Parallelwelten zwischen Wohngeldantrag, Tafelschlange und Villa mit beheiztem Swimmingpool sowie Kurztrip ins Weltall. Es ist an der Zeit, dass wir von den Reichen nicht das Sparen lernen – sondern sie das Teilen lehren. Wie handlungsfähig ein Staat ist, zeigt sich an der Fähigkeit, ein gerechtes und ehrliches Steuersystem einzuführen.
Sogar im Krieg ist die kapitalistische Konstante gewahrt. Die einen verdienen an Waffenlieferungen und sonstigen Geschäften, die anderen bezahlen es durch erschwerte Lebensbedingungen oder gar mit ihrem Leben an der Front. Auch deswegen müssen wir den Frieden gewinnen, nicht den Krieg.
Zur Besinnung auf humanistische Werte eignen sich die geruhsame Weihnachtszeit und die guten Vorsätze für das Neue Jahr. Soviel Zeit muss sein.

Die Fahrpreise senken

Kreisecke im Schwäbischen Tagblatt am Dienstag, 9. August 2022
von Isabelle Groschke, Linke-Fraktion im Kreistag

Isabelle Groschke, Linke-Fraktion im Kreistag

Isabelle Groschke, Linke-Fraktion im Kreistag

Die Fahrpreise im regionalen Verkehrsverbund Naldo werden bereits im Herbst durchschnittlich um 6,3 Prozent in die Höhe schießen. Würden die Kommunen und der Landkreis nicht zusätzlich kräftig subventionieren, müssten die Erhöhungen doppelt so hoch ausfallen. Die Lufthansa und der Gaskonzern Uniper werden aus dem grünen Wirtschaftsministerium mit Milliarden ausgestattet, „systemgerecht“, wie es heißt, damit die Börsengewinne weiter sprudeln. Dagegen lassen Land und Bund die Unternehmen und Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs in der Energiekrise im Stich. Das nennt sich dann Verkehrswende. Wer wirklich will, dass die Leute vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen, muss in der jetzigen Krise ganz anders handeln: das Neun-Euro Ticket fortsetzen, die Fahrpreise senken und zumindest die Schülerfahrten endlich freistellen. Erfolgreiches Vorbild ist Luxemburg, dort ist der Öffentliche Nahverkehr ganz frei. Bei uns soll der nächste Kreishaushalt ein Sparhaushalt werden. Darauf wurden wir in der letzten Kreistagssitzung vor der Sommerpause schon mal eingestimmt.

Wir Linken werden eine Abkehr von sozialen Standards nicht mittragen. Solange Rheinmetall mit Rüstungsgütern vier Milliarden Euro Extraprofite macht und die Mehrgewinne der Stromkonzerne RWE und Eon rund fünf Milliarden betragen, klingt jeder Frier- und Spar-Appell von MP Kretschmann an Schulen, Kitas und Familien mit Kindern wie blanker Zynismus. Warum werden diese kriegs- und krisenbedingten Übergewinne nicht abgeschöpft wie in anderen EU-Ländern? Der scheidende italienische Ministerpräsident schlägt genau das vor. Echte staatspolitische Verantwortung wäre es, die sozialen Folgen der Energiekrise und der Inflation für die Ärmsten und für die Mitte der Gesellschaft abzufedern. Statt mit einem Entlastungspaket bis 2023 zu warten, fordern wir sofort einen wirksamen Schutz für kommunale Versorgungsbetriebe und einen staatlichen Gaspreisdeckel. Statt Habecks „Gasumlage“ braucht es für jeden Haushalt ein bezahlbares Grundkontingent für Strom und Gas. Erst über dem Basisverbrauch hinaus sollte der Energiepreis teurer werden dürfen. Strom- und Gassperren sind gesetzlich zu verbieten. Die gesamten Sozialleistungen und das Wohngeld müssen der aktuellen Situation angepasst werden, damit eine weitere Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich vermieden wird.

Kehrseite sind Sozialkürzungen

Bernhard Strasdeit

Bernhard Strasdeit, Linke-Kreisrat

Die Sonderschulden von 100 Milliarden Euro für militärische Aufrüstung sind kein „Sondervermögen“, sondern Kredite. Und der tägliche Ruf nach immer mehr Waffenexporten wird den mörderischen Krieg Russlands in der Ukraine nicht beenden. Aber der Landkreistag wird es zukünftig noch schwerer haben, wenn es um Mittel für Krankenhäuser, Bildung und Verkehr geht. Das Konstrukt lautet: Alle zivilen Staatsausgaben stehen ab 2023 wieder unter dem Vorbehalt der Schuldenbremse. Nur die Rüstungsprofite nicht; die haben seit Freitag Verfassungsrang.

Die Hofreiterisierung der deutschen Politik schreitet voran: Statt wie versprochen für eine neue Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau zu streiten und kommunale Akteure wie die Kreisbau zu fördern, begeistern sich grüne Think-Tanks für Panzerhaubitzen und die Digitalisierung der Kriegsführung. Als ehemaliger Obergefreiter der Bundeswehr (W 15) mahne ich die ehemaligen Pazifisten zur Mäßigung: Kriegsanleihen sind keine Spaßveranstaltung. Es gab sie schon im Mittelalter; Goethe thematisierte sie im Faust II, 1914 führten sie in den Ersten Weltkrieg und zur Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung.

Die Kehrseite von Rüstungsschulden sind Sozialkürzungen. Für rund ein Drittel der Bevölkerung wirkt die derzeitige Inflation existenzbedrohend. Skandalös deshalb, dass die Ampel den Top-Verdienern und Ministern mit Dienstwagen als Entlastung 300 € Energiepauschale zukommen lässt. Studierende und Rentnerinnen gehen leer aus.

Da bleibt noch das beliebte 9-Euro-Ticket als Trost. Endlich keine Wabenbindung mehr im ÖPNV! Leider wirkt das Angebot nur als Strohfeuer. Die Schülertickets werden im September wieder so teuer wie zuvor. Eine dauerhafte Entlastung für Familien wäre der richtige Weg. Aber die Landesregierung scheut die Freistellung von Schülerfahrten wie der Teufel das Weihwasser. Daran ändert auch das landesweite 360-Euro-Jugendticket nichts, das es 2023 geben soll. Im Kreistag haben wir einer Bezuschussung des geplanten Jugendtickets durch den Landkreis zugestimmt, weil es das Mobilitätsangebot für Jugendliche über die Naldo-Grenzen hinaus verbessert. Aber die Tickets für Azubis und Schüler bleiben teuer. Wir halten am Ziel fest, den Zugang zu Ausbildung und Schule kostenfrei zu stellen. Das Land darf sich nicht länger mit Mogelpackungen aus der Verantwortung stehlen.

Verkehrswende: ÖPNV kostenlos!

Gisela Kehrer-Bleicher, Linke-Kreisrätin

Seit Freitag läuft der Verkehr auf der neuen B 28. Endlich Entlastung für die Gemeinden zwischen Rottenburg und Tübingen! Doch mit der neuen Straße, die 56 Millionen Euro kostet, entsteht weiterer Flächenverbrauch und Zubetonieren von Ackerland und Wiesen. Wird diese schädliche Entwicklung nun beendet oder zieht diese Trasse nicht noch mehr Pkw- und Lkw-Verkehr an? Angesichts der Klimakrise und steigender Energiepreise muss jetzt eine echte Verkehrswende auf der Tagesordnung stehen, der Umstieg vom Auto aufs Rad und in den ÖPNV.

Der Radverkehr soll durch den Bau von Radschnellwegen gefördert werden. Könnten dafür nicht die vom Durchgangsverkehr freiwerdenden Straßen genutzt werden? Doch das RP plant neue Trassen, erste Varianten wurden im Kreistag vorgestellt, alle mit zusätzlichem Flächenverbrauch und Asphaltierung. Die Planung läuft, erste Kostenschätzungen liegen bei über 20 Millionen Euro für die Strecke Rottenburg-Tübingen. Ob dadurch tatsächlich mehr Pendler vom Auto aufs Rad umsteigen werden?

Deutlich mehr für die Verkehrswende bringt der Ausbau und die Förderung des ÖPNV. Mit neuen Linien und verbesserten Taktzeiten geht es im Kreis Tübingen voran. Am besten wird der ÖPNV gefördert, wenn er auch finanziell attraktiver wird. Das vom Bund vorgesehene 9 Euro-Ticket für drei Monate kommt als Entlastung für die Menschen, die von der hohen Inflation in existenzielle Probleme getrieben werden, zu spät. Die Umsetzung ist zu bürokratisch und verursacht hohe Verwaltungskosten, die vielleicht an den Ländern und Kommunen hängen bleiben. Wir stimmen Verkehrsminister Winfried Hermann zu, der einen Nulltarif statt des 9-Euro-Tickets fordert. Doch die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen brauchen nicht nur für drei Monate Entlastung. Nulltarif im ÖPNV jetzt, als Einstieg in einen dauerhaften ticketfreien Nahverkehr!

Das vom Land beschlossene landesweite 365 Euro-Jugendticket wird wohl erst im nächsten März kommen – zu spät, um Schülerinnen, Schüler und ihre Familien jetzt wirksam zu entlasten. Auch wenn die Jugendlichen (in ihrer Freizeit) damit im ganzen Land fahren können – das Ticket für die täglich notwendigen Fahrten zur Schule und Ausbildung bleibt weiter teuer. Das Thema Schulgeldfreiheit und unsere Forderung nach kostenfreien Fahrten zur Schule und Ausbildung bleiben auf der Tagesordnung.

Solidarität statt Autorität

Margrit Paal, Kreistagsfraktionsvorsitzende

Der Staat ist mächtiger denn je. Regiert wird mit geringer Parlamentsbeteiligung und mit Verordnungen. Die Schuldenbremse ist ausgesetzt, Milliarden werden für die Wirtschaft bereitgestellt. Sogar zum strategischen Einkauf in „systemrelevante“ Unternehmen ist der Staat bereit – nur nicht zur Finanzierung seiner Daseinsvorsorge. Im Landkreis ist das zu spüren: pandemiebedingte Mehrarbeit führt zur Überlastung der Beschäftigten. Die Kontaktnachverfolgung ist personell nicht mehr zu leisten. Dafür kommt die neue Aufgabe, die „einrichtungsbezogene Impfnachweispflicht“ ab 16. März umzusetzen. Bald darf das Gesundheitsamt Betretungsverbote für Beschäftigte von Kliniken und Pflegeheimen aussprechen, wenn diese nicht geimpft sind. Doch wie umsetzen, wenn es überall an Personal mangelt? Weiterlesen

Solidarität lokal und global

Andreas-Linder
Andreas Linder, Linke-Kreisrat

Global denken, lokal handeln. Dieses altehrwürdige Motto der Solidaritätsbewegung könnte auch ein Maßstab für kommunalpolitisches Handeln sein. Doch häufig setzen sich dominierende Interessen durch, wer keine Lobby hat, zieht den Kürzeren. Die Corona-Pandemie, der sogenannte Klimawandel, die Fluchtursachen, die extrem ungleiche Verteilung von Ressourcen und Wohlstand – all das sind globale Probleme, die von „uns“ mitverursacht sind und die nicht durch nationalen Egoismus zu lösen sind. Progressive Kommunalpolitik sollte diese globalen Probleme zumindest in den Blick nehmen.

Weiterlesen

Der große CO2-Schwindel

Dr. Emanuel Peter, Linke-Kreisrat

Trotz niedriger Ölpreise ist der Benzinpreis in Deutschland auf ein Achtjahres-Hoch gestiegen – ein Ende ist nicht in Sicht. Hauptursache ist der neue Preis für CO2-Zertifikate von 25 Euro/Tonne ab Januar 2021, er wird jedes Jahr um weitere fünf Euro erhöht. Gestiegene Energiepreise (Gas, Heizöl, Benzin) wirken besonders auf niedrige Einkommen und auf alle Branchen! Allein fürs Tanken und Heizen zahlen Verbraucher über 12 Prozent mehr als im letzten Jahr. Obwohl Mieter keinen Einfluss auf die Wärmedämmung haben, müssen sie die Belastung allein tragen.

Weiterlesen

Drumherum ist besser

Bernhard Strasdeit, Linke-Kreisrat

Hagellocher Weg, Tübingen, Arbeitstag, 8 Uhr früh. Autokolonnen aus dem Ammertal, dem Neckar- und Steinlachtal rollen über die Weststadt in Richtung Schnarrenberg und WHO. Ich frage mich, warum fährt die zukünftige Regionalstadtbahn nicht durch den Schlossberg und ebenso um die enge Tübinger Altstadt herum? Tausende neue Arbeitsplätze sollen auf der Höhe hinzukommen. Warum muss der gesamte ÖPNV-Pendelstrom Richtung Kliniken und Technologiepark zukünftig durch das Nadelöhr Karlstraße-Mühlstraße gepresst werden? Antwort: Das veraltete Bewertungssystem des Bundes generiert keine Förderung für die Schienen-Tangentiale, obwohl die Fahrgastzahlen zunehmen.

Weiterlesen