Sozial wirtschaften in der Kommune

Kommunen in Deutschland sind chronisch unterfinanziert. Weil der Bund die militärische Aufrüstung, Bankenrettung und Hilfen für die Autoindustrie für vorrangig hält, verbleiben den Städten und Gemeinden kaum genügend Mittel für die Instandhaltung ihrer Infrastruktur, geschweige denn für Zukunftsaufgaben und Wirtschaftsentwicklung. Deshalb hat die Lebensqualität in ganzen Landstrichen abgenommen, und die Binnenwanderung in derzeit prosperierende Ballungsräume und Universitätsstädte wurde verstärkt. Die Folgen sind gravierend: Wachstumsorte kommen mit dem Ausbau der Infrastruktur kaum hinterher, die Landschaft wird durch Flächenverbrauch für neue Gewerbe- und Wohngebiete zerstört.

Städte und Gemeinden brauchen ausreichende Mittel, um ihre Aufgaben auch in Zukunft erfüllen zu können. Der gesellschaftliche Reichtum muss gerechter verteilt werden, wir brauchen eine höhere Steuer auf Millioneneinkommen. Und die Kommunen müssen einen weit größeren Anteil am Steueraufkommen erhalten.

Wir wollen die bisherige Gewerbesteuer umwandeln in eine Gemeindewirtschaftssteuer, die auch gutverdienende Freiberufler und Selbständige einbezieht. Damit könnten die Kommunen in Deutschland voraussichtlich rund 15 Milliarden Euro mehr einnehmen. Überfällige Sanierungen könnten finanziert und der Unterbietungswettbewerb der Gemeinden bei der Gewerbeansiedlung beendet werden.

Privatisierungen öffentlicher Aufgaben haben bisher über kurz oder lang zu schlechteren Leistungen und/oder höheren Gebühren geführt. Wir wenden uns entschieden gegen jede Form der Privatisierung öffentlicher Aufgaben. In vielen Fällen hat sich diese als Bumerang erwiesen, weil wichtige Erhaltungsmaßnahmen von den privaten Investoren versäumt wurden und der Rückkauf die Kommunen teuer zu stehen kam. Wir lehnen auch so genannte „Public-Private-Partnership“-Projekte (PPP) ab, bei denen sich Gemeinden gegenüber Investoren auf Jahrzehnte hinaus zu hohen Geldzahlungen verpflichten. Wir wenden uns daher auch gegen Handelsabkommen wie TTiP, durch die Kommunen gezwungen werden, Dienste zu privatisieren und Rechte z.B. bei der öffentlichen Auftragsvergabe oder beim Umweltschutz verlieren. Am Ende zahlen Bürgerinnen und Bürger die Zeche durch höhere Gebühren.

Der Vertrag mit der L-Bank zum „Technologie-park“/TTR auf der Oberen Viehweide ist nach 15 Jahren 2018 endlich ausgelaufen. Die Tübinger ha-ben rund 15 Millionen Euro aus dem städtischen Haushalt für die Mietgarantie bezahlt. Weitere Kostenübernahmen aus Steuergeldern lehnen wir entschieden ab.

Die Kommune als Arbeit- /Auftraggeber

Ob in der Kita, in der Verwaltung, bei der Müllabfuhr – Städte, Gemeinden und Landkreise sind auch Arbeitgeber. Sie müssen ihren Beschäftigten auskömmliche Lebensbedingungen sichern: Tarifverträge und Mindestlohn dürfen nicht unterlaufen werden. Wir wollen keine geringfügigen Beschäftigungen, die nur zu Altersarmut führen, sondern sozialversicherungspflichtige, tariflich abgesicherte Arbeitsplätze.

Die kommunale Vergabe von Aufträgen sollte möglichst regional und nach präzisen sozialen, ökologischen und ethischen Kriterien erfolgen. Dies sichert Firmen, die ihre Produktion an nachhaltigen Gesichtspunkten ausrichten, ihre Mitarbeiter nach Tarif bezahlen und Sozialversicherung abführen. Das hilft den Beschäftigten und der Region.

Unsere Forderungen:

• Gemeindefinanzreform: Kommunen benötigen bessere finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten.

• Verkehr, Gesundheit, Wasser, Energie, Bildung und sozialer Wohnungsbau sind Teil der Daseinsfürsorge und gehören in öffentliche Hand.

• Keine Verlagerung der Politik hinter verschlossene Türen, keine Doppelstrukturen: Rückzug aus der Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH Tübingen (WIT).

• Bürgerentscheide bei kostenintensiven Großprojekten: Die Einwohnerschaft soll selbst ent-scheiden, welche Vorhaben sinnvoll sind und welches finanzielle Risiko eingegangen wird.

• Bürgerbeteiligung ist gut. Sie muss aber fair gestaltet werden: Wir wollen nicht bei Versammlungen von ‚Experten‘ stundenlang müde geredet werden, sondern schriftliche Informationen im Vorfeld und ausreichende Redezeit für Bürgerinnen und Bürger.

• Aufträge sind nur an Unternehmen zu vergeben, die soziale und ökologische Mindeststandards, z.B. Tarifbindung, erfüllen bzw. sich an Gemeinschaftsaufgaben beteiligen (z.B. Jobticket).

• Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe.

• Die Verwaltung in Stadt und Kreis soll auf Open-source-Software umsteigen. Dies ermöglicht nicht nur Kosteneinsparungen, sondern bietet auch hohe Sicherheitsstandards und schafft Un-abhängigkeit von globalen Konzernen.

• Sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse statt Billigjobs! Keine Auslagerung von kommunalen Aufgaben an externe Firmen, deren Arbeitsbedingungen nicht mindestens städtischen Standards entsprechen.

• Die Stadt Tübingen muss sich als gute Arbeitgeberin verhalten, die ihren Beschäftigten auskömmliche Lebensbedingungen sichert: Tarifverträgen und Mindestlohn dürfen nicht unterlaufen werden. Wir wollen keine geringfügigen Beschäftigungen, die nur zu Altersarmut führen, sondern sozialversicherungspflichtige tariflich abgesicherte Arbeitsplätze.

• Schluss mit sachgrundlosen Befristungen in Arbeitsverträgen!

• Praktikantenstellen sind tariflich zu vergüten.

• Volle Rekommunalisierung der Reinigungsdienste bei Stadt und Landkreis in den Gültigkeitsbereich des kommunalen Tarifvertrages (TVÖD).

• Zukunftsinvestitionen, aber keine Ansiedlung oder gar Förderung von Unternehmen, die dem Allgemeinwohl schaden, z.B. durch Steuerhinterziehung, Ausbeutung der Mitarbeiter, Klimazerstörung sowie die Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen.

• Zivilklausel für die Unternehmen des Technologieparks.

• Offenlegung aller Verträge und Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Technologiepark und „Cyber Valley“.

• Kein Verkauf von städtischen Grundstücke an Amazon & Co.

Wir wollen eine soziale, ökologisch wirtschaftende Stadt mit gleichen Lebensgrundlagen für alle!

Unter dem Titel „Cyber Valley“ wird in Tübingen ein Projekt vorangetrieben, das sich als neues Modell der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft versteht. Ziel ist es, die Forschung im Bereich der „Künstlichen Intelligenz“ voranzutreiben und die Ergebnisse möglichst rasch ökonomisch nutzbar zu machen. Dazu sollen vor allen auch Global Player wie Amazon, Facebook & Co ins Boot geholt werden. Wir sind nicht grundsätzlich gegen Forschungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Was uns stört ist die Verquickung von öffentlicher Forschung mit einzelnen Konzernen, der Versuch die Grenzen zwischen unabhängiger Wissenschaft und profitabler Anwendung zu verwischen. Und natürlich ist uns wichtig, woran geforscht wird:

• Wir wollen keine Forschung für militärische Zwecke und sind gegen die Ansiedlung von Unterneh-men, die in diesem Sektor tätig sind.

• Und wir wollen keine Forschung, die sich gegen die Menschen wendet: keine Sammlung von Daten aus allen Lebensbereichen und deren immer perfektere Verknüpfung, keine verfeinerten Kontroll- und Überwachungssysteme, die unser Verhalten vorhersehbar machen und den gläsernen Menschen zur Realität werden lassen.

Das hiesige Projekt, an dem die Universitäten Stuttgart und Tübingen, das Max-Planck-Institut für intelligente Systeme und die Privatwirtschaft zusammengeführt werden sollen, steht in harter Konkurrenz zu ähnlichen Vorhaben in anderen Bundesländern. Mit staatlichen Fördergeldern und kommunalen Hilfen versuchen solche Initiativen sich im Kampf um die Gunst der großen Konzerne zu übertreffen. Wir finden: Hochprofitable Konzerne wie Amazon brauchen keine staatlichen Beihilfen. Amazon & Co verkörpern nicht den Fortschritt, sie tragen nichts dazu bei, die Probleme der Menschheit zu lösen. Das Prinzip Amazon bedeutet Unterwerfung der gesamten Vermarktungskette unter die eigenen Profitinteressen. Kleinere Händler werden vom Markt gedrängt oder erpresserischen Bedingungen unterworfen, Produzenten werden die Preise diktiert. Die eigenen Mitarbeiter sind zu miserablen Bedingungen beschäftigt und kämpfen in Deutschland seit Jahren um einen auskömmlichen Tarifvertrag. Amazon zahlt so gut wie keine Steuern und entzieht sich dem deutschen Rechtssystem. Diesen Konzern brauchen wir in Tübingen nicht.