Haushaltsrede

Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat

Wilhelm Bayer, Linke-Stadtrat

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Palmer,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Soehlke,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Harsch,
liebe Ratskolleginnen und -kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger,

Um es von vornherein klar zu sagen, die LINKE kann diesem Haushalt nicht zustimmen.

Unsere Maxime (nicht nur) für diesen Haushalt ist zweifellos: nach den Belastungen durch Corona und wegen der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise müssen die Menschen dieser Stadt wenigstens etwas entlastet werden.

Selbst die Bundesregierung bereitet derzeit ein Steuerentlastungsgesetz vor.
Durch die Senkung der Grundsteuer wollten wir die Tübinger Haushalte entlasten, die kommunalen Finanzen durch eine leichte Anhebung des Hebesatzes der Gewerbesteuer sichern.

Die LINKE hat deshalb vorgeschlagen, die Erhöhung der Grundsteuer B aus dem Vorjahr zur Hälfte zurück zu nehmen und den Hebesatz auf 610% zu senken.
Dies ist im Vergleich mit anderen Städten immer noch ein sehr hoher Wert.
Wir wissen diese Steuer trifft vor allem Mieter (etwa die Hälfte der Tübinger Haushalte) und Eigentümer, die ihre Eigentumswohnung oder ihr „Häusle“ selber bewohnen und die Kredite dafür noch Jahre abbezahlen. Die finanzielle Lage der Stadt hätte eine Entlastung problemlos zugelassen, die Einnahmen des vergangenen Jahres waren deutlich höher als angenommen und werden nach allen Prognosen auch dieses Jahr nicht sinken.

Obwohl die Grundsteuer im Jahr 2021 um 100%-Punkte übermäßig erhöht worden war, waren die Fraktionen AL/Grüne, SPD und CDU nicht bereit auch nur über einen Kompromiss in dieser Frage zu verhandeln, die Vorschläge der übrigen Fraktionen wurden kategorisch abgelehnt.

Zur Finanzierung der großen anstehenden Aufgaben (Klima!) haben wir beantragt den Hebesatz zur Gewerbesteuer moderat anzuheben. Auch dies wurde bei den interfraktionellen Vorgesprächen zum Haushalt von den Grünen, SPD und CDU kategorisch abgelehnt.

Diese Haltung ist nur schwer nach zu vollziehen, liegt Tübingen doch beim Hebesatz zur Gewerbesteuer deutlich unter dem Niveau vergleichbarer Städte oder dem der Nachbargemeinden, und Tübingen gilt eh‘ als attraktiver Standort, der nicht mit unterdurchschnittlicher Gewerbesteuer die Nachbarn ausstechen muss.

Grüne, SPD und CDU werden den Wählerinnen und Wählern erklären müssen, warum sie hier so viel mehr Grundsteuer als in anderen Gemeinden zahlen müssen, Betriebe aber gleichzeitig nur unterdurchschnittlich belastet werden.

Wir hätten gern zugestimmt
Eine Reihe von Vorhaben im Haushalt bewerten wir durchaus positiv, und wir freuen uns, dass im vorliegenden Haushalt auch einige unserer Anliegen berücksichtigt wurden. Diesen Punkten hätten wir mit dem Gesamthaushalt gerne zugestimmt.

Zu nennen wäre insbesondere:

  • Der höhere Zuschuss fürs Zimmertheater
  • Die Entfristung der Medientechnikerstellen an Schulen
  • Die Aufstockung der Stellen in der Schulsozialarbeit
  • Die Angleichung der Erstattungsbeträge für die Oberstufe an allgemeinbildenden Gymnasien an die der Oberstufe der Gemeinschaftsschule
  • Die Barrierefreiheit der Bushaltestellen.

Anträge abgelehnt
Unterm Strich müssen wir feststellen, alle Anträge bzw. Anliegen, die uns LINKEN besonders wichtig waren, wurden von den Mehrheits-Fraktionen konsequent abgelehnt:

  • Vom Preußenkönig Friedrich II. (d. Gr.) wird der Satz kolportiert „Sachsen ist wie ein Mehlsack. Man mag darauf schlagen, so oft man will, so kommt immer etwas heraus“.
    Das scheint auch das Motto für das Kostendämpfungsprogramm (KDP) zu sein, das auch 2022 fortgesetzt werden soll. Allein in diesem Jahr sollen 4,5 Mio. in der Verwaltung eingespart werden. Diese Maßnahme müssen die Beschäftigten nun schon seit 2018 ertragen, die Folgen sind unübersehbar, die Mitarbeiter wissen nicht wie sie ihre Überstunden abbauen sollen, und wie am Beispiel der Rechtsabteilung zu sehen ist, die nicht einmal juristische Online-Recherchen finanzieren kann.
    Die LINKE hat gefordert, das KDP sofort abzuschaffen. Grüne, SPD und CDU haben sich darauf geeinigt gerade mal 500.000 € weniger Minderausgaben zu verlangen, d.h. die Verwaltung muss auch in diesem Jahr 4 Mio. einsparen!
    Schwer vorstellbar wie dies ohne Substanzverlust machbar sein soll. Aber gleichzeitig werden ja allein 5 neue Stellen eingerichtet, die dem Klimaschutz dienen sollen, für die aber noch nicht einmal festgelegt ist, welche Aufgaben sie genau erfüllen sollen. Einfach mal mehr Stellen hilft dem Klimaschutz unserer Meinung nach sicher nicht, konkrete Projekte sind besser.
  • Kitagebühren U3 und Ü3 senken. Wir fanden keine Unterstützung mit der Forderung endlich die Beschlüsse aus 2019 zu KiTAs (25 Std. pro Kind und Monat kostenfrei für Eltern mit Einkommen bis 30.000 €) umzusetzen.
    Im Sinne der von ihr mitgegründeten Initiative für gebührenfreie KiTas wäre es der SPD gut zu Gesicht gestanden, uns hier zu unterstützen.
  • Wir haben wenige, aber unserer Meinung nach wichtige Stellen beantragt: Medienpädagogik, Archivpädagogik, Jugendbeteiligung und Schulsozialarbeit.
    Außer letzterem – alle abgelehnt.
  • Ebenso wurde die vollständige Übernahme der Betriebskosten für kleine freie Träger von KiTas abgelehnt, die nur 95% ihrer Kosten erstattet bekommen. Für Träger, die nur ehrenamtlich arbeiten, fast nicht zu stemmen.
  • Es ist ein Anliegen, das wir nun schon seit Jahren einfordern: Reinigungskräfte aus dem Billiglohnsektor zurückzuführen und sie direkt bei der Stadt nach den Bedingungen des TVÖD anzustellen.
    Betrachten wir, was jetzt beschlossen werden soll, könnte man vielleicht sagen, Links wirkt, Beharrlichkeit zahlt sich aus.
    Immerhin ist jetzt vorgesehen, die Quote der bei der Stadt direkt angestellten Reinigungskräfte von 50 auf 60% zu erhöhen. Wir finden dieses Ergebnis dennoch enttäuschend, wir hätten zumindest erwartet, dass die Absicht festgeschrieben wird, alle Reinigungskräfte, bei denen dies sinnvoll und machbar ist, direkt bei der Stadt zu beschäftigen.
    Es ist ein eklatanter Widerspruch, einerseits Gutachten zur Tariftreue in Auftrag zu geben, andererseits das eigene Personal nicht nach TVöD anzustellen.
  • An vielen Schulen hapert es daran, dass „kleine“ Dinge des Alltags (Tische umräumen etc.) von den Hausmeistern nicht erledigt werden können, weil ihre Deputate viel zu gering sind. Wir haben uns für eine moderate Ausweitung des Stellenpools für Hausmeister insgesamt eingesetzt, ohne Erfolg!
  • Ich habe es zu Anfang schon erwähnt und will hier nicht weiter darauf eingehen: Wir haben beantragt die Grundsteuer zu senken und die Gewerbesteuer anzuheben. Beides wurde kompromisslos abgelehnt.
  • Das aus Sicht der LINKEN dringlichste Anliegen war und ist die Einführung des ticketfreien TüBus-Verkehrs. Wir sehen darin einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Reduzierung des C02-Ausstosses.
    Ich zitiere aus unserem Antrag hierzu: Erfahrungen in anderen Städten beweisen, durch den ticketfreien Nahverkehr gelingt es viele Menschen dazu zu bewegen, auf die Fahrt mit dem eigenen Auto zu verzichten und stattdessen den ÖPNV zu nutzen. Dies gilt insbesondere für Pendler. Am besten wird der ÖPNV gefördert, wenn er finanziell attraktiv ist.
    Gleichzeitig werden durch den ticketfreien Nahverkehr die Lasten der Mobilität gerechter verteilt und Menschen mit geringerem Einkommen wird die Teilhabe am öffentlichen Leben erleichtert.
    Nicht zu vergessen, viel Aufwand für Fahrkartenautomaten und Bürokratie würde entfallen.
    Und das Schönste: Die Maßnahme wäre für den Klimaschutz sofort wirksam.
    Wie aktuell dieses Thema ist brauche ich Ihnen nicht zu sagen, auch der grüne Verkehrsminister Hermann hat gefordert, statt der 3-monatigen 9 €-Monatskarte den Nahverkehr für die Fahrgäste besser kostenfrei zu machen.
    Leider wurden alle Forderungen in Richtung ticketfreier Nahverkehr abgelehnt.

Fazit: Den Haushalt 2022, wie er aktuell vorliegt, können wir nicht mittragen.
Wesentliche Fragen werden ausgeklammert oder umgangen,
unsere wichtigsten Anträge abgelehnt,
eine ernsthafte Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen gibt es nicht.

Noch ein Wort zu den interfraktionellen Gesprächen: Grüne, SPD und CDU waren bei den Steuern zu keinerlei Kompromiss bereit, wollten darüber nicht mal ernsthaft verhandeln. Den übrigen Fraktionen wurde quasi ein Ultimatum gestellt, dies zu schlucken oder die Gespräche zu verlassen. Kein guter Stil!

Noch einmal: Dieser Haushalt bekommt nicht unsere Stimme!

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

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