Schädliche Niedriglöhne

Bernhard Strasdeit, Platz 2 Kreistag

Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Linken

Die kommunalen Postdienstleitungen in Stadt und Landkreis Tübingen, in Reutlingen, Metzingen und Rottenburg werden über eine Einkaufskooperation EU-weit neu ausgeschrieben und vergeben. Das ist Anlass, über Armutslöhne in der Region zu reden. Die Anbieter müssen zukünftig einen Mindestlohn von 8,50 Euro bezahlen. Das ist ein Fortschritt, aber kein großer Wurf. Mit einem monatlichen Bruttolohn unter 1500 Euro kann man in Tübingen keine Wohnung bezahlen und keine Familie unterhalten. Viele Beschäftigte in Mindestlohnbetrieben bleiben trotz Vollzeitjob auf Sozialleistungen angewiesen. Solche Arbeitgeber werden indirekt staatlich subventioniert.

Warum vergeben Stadt und Landkreis Aufträge an Firmen wie S..mail und warum betreibt das Land ein privatisiertes Serviceunternehmen wie UDO, die Löhne unter 10 Euro zahlen? Von Arbeit muss man leben können, ohne beim Jobcenter aufzustocken und auf Ämtern betteln zu gehen. Der Staat schneidet sich ins eigene Fleisch, wenn er den Niedriglohnsektor bedient statt eindämmt.

Wie leben Reinigungskräfte, Bettenfahrer und Küchenhilfen in einer teuren Stadt? Warum bekommen sie kein Jobticket für Bus und Bahn, wie die Beschäftigten beim Uniklinikum am selben Arbeitsplatz? Als Landrat Walter und der grüne Verbraucherminister Bonde kürzlich die Großküche von UDO besuchten, hätte auch das Thema mit auf den Tisch gehört.

In Deutschland werden zu niedrige Löhne bezahlt und es wird zu wenig investiert in öffentliche Infrastruktur; zum Schaden der wirtschaftlichen Entwicklung in ganz Europa. Das kritisiert zurecht die Europäische Kommission in Brüssel. Deutschland hatte im Jahr 2013 über 200 Milliarden Euro Außenhandelsüberschüsse. Dieser gigantische Exportüberschuss bedeutet: Die anderen Länder können in Deutschland zu wenig Produkte absetzen, weil die Binnenkaufkraft hierzulande zu gering ist.

Den Extragewinnen der Exportwirtschaft stehen 130 Milliarden Gesamtverschuldung aller Städte und Gemeinden entgegen. Und trotz steigender Steuereinnahmen gibt es einen Investitionsstau bei Verkehrsinfrastruktur, Kinderbetreuung, Schulen, Pflege und Gesundheit. Eine Mixtur aus grüner Verzichtsideologie und kapitalistischer Gier sorgt dafür, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht.

Am 1. Mai demonstrieren die Gewerkschaften für Würde und Rechte der arbeitenden Menschen und für ein soziales Europa. Die Linke ruft auf zur Teilnahme.

Bernhard Strasdeit, Kreisrat der Tübinger Linken

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